Blick in eine Ausstellung mit Gemälden an den Wänden. 4 min
Dass die Stadt Erfurt einen ihrer großen Söhne, den Landschaftsmaler und Spätromantiker Friedrich Nerly, schlichtweg vergessen hat, wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder kundgetan. Doch nun hat das Angermuseum eine große Schau zum Künstler gezeigt, die herausragend besucht wurde. Ulrike Thielmann hat sie besucht. Bildrechte: Stadtverwaltung Erfurt, D. Urban
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Das Erfurter Angermuseum zeigt bis zum 23. Februar eine Ausstellung zum spätromantischen Künstler Friedrich Nerly, dessen Venedig-Bilder die Sicht auf die Stadt geprägt haben. Ulrike Thielmann hat die Schau besucht.

MDR KULTUR - Das Radio Fr 15.11.2024 11:47Uhr 04:14 min

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20.000 Besucher Erfolgreiche Nerly-Ausstellung in Erfurt wird in Teilen verlängert

24. Februar 2025, 09:57 Uhr

Die Ausstellung zu Erfurts verlorenem Sohn, dem Landschaftsmaler Friedrich Nerly, war ein großer Erfolg. Etwa 20.000 Besucher haben sie gesehen. Daher wird die Schau nun neu konzipiert und verlängert. Vom 6. März bis zum 20. Juli wird nach Museumsangaben im ersten Galeriegeschoss eine Auswahl bedeutender Werke gezeigt. Der Künstler hat sich mit seinen spätromantischen Sichten auf Venedig weltweit einen Namen gemacht.

Dass die Stadt Erfurt einen ihrer großen Söhne, den Landschaftsmaler und Romantiker Friedrich Nerly (* 1807 in Erfurt; † 1878 in Venedig), schlichtweg vergessen hat, wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder postuliert. Gern um den 24. November, an dem Nerly im Jahr 1807 als Christian Friedrich Ne(h)rlich in Erfurt geboren wurde. Sein Pseudonym legte er sich in Italien zu, Nerly residierte unter anderem 40 Jahre in Venedig.

Friedrich Nerly, Erfurt, Venedig, Ausstellung, Angermuseum 4 min
Bildrechte: Stadtverwaltung Erfurt, D. Urban
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Die Nerly-Schau in Erfurt war ein großer Erfolg und wird nun verlängert. Dazu im Gespräch sind die Kuratoren Clauda Denk und Thomas von Taschitzki.

MDR KULTUR - Das Radio So 23.02.2025 14:30Uhr 04:10 min

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2024 war zwar kein Nerly-Jubiläumsjahr, dennoch zeigte das Erfurter Angermuseum die große Schau "Friedrich Nerly – von Erfurt in die Welt". Sogar auf zwei Etagen – es war die größte Ausstellung, die das Haus je gezeigt hat.

Mond über Venedig

Und so schien an zentraler Stelle der neuen Ausstellung der Mond über Venedig variantenreich gleich mehrfach – durch etliche Leihgaben. Die berühmten venezianischen Mondschein-Szenen des Malers Nerly trugen ihm schließlich den Spitznamen "Mondschein-Nerly" ein. Ein Gang ins gegenüberliegende Kabinett offenbarte, zum großen Teil erstmals, den Erfurter Bestand an Nerlys nächtlichen Venedig-Studien auf blauem Papier.

Claudia Denk, Nerly-Spezialistin vom Lenbachhaus in München und externe Kuratorin der Schau, arbeitete innerhalb von drei Jahren gemeinsam mit dem Team des Angermuseums den Erfurter Nerly-Bestand auf. Ein mächtiger Katalog ist dabei entstanden, der als neues Standardwerk der Nerly-Forschung gilt, und der auch neue Bewertungen des Malers enthält, so Denk: "Nerly brachte die deutsche romantische Nacht nach Venedig und er knüpfte an die Schauerromantik der Engländer an."

Nerly brachte die deutsche romantische Nacht nach Venedig und er knüpfte an die Schauerromantik der Engländer an.

Claudia Denk, Nerly-Expertin

Ein altes Gebäude an einem Platz in Venedig, an der Seitenkante scheint der Mond auf niedriger Höhe, im Hintergrund ist Wasser zu sehen.
Durch Gemälde wie das 1938 entstandene "Die Piazzetta in Venedig bei Mondschein" wurde der Künstler auch als "Mondschein-Nerly" bekannt. Bildrechte: Angermuseum Erfurt

Nerly – Erfinder des Sehnsuchtsortes Venedig

So entdeckten Katalog und Ausstellung den Spätromantiker und Frühimpressionisten Nerly zudem als Erfinder des Sehnsuchtsortes Venedig: Nach der Besetzung in napoleonischer Zeit befand sich die Stadt in der Krise. Nerly kam zum richtigen Zeitpunkt nach Venedig, Goethes Italien-Leidenschaft im Gepäck, als Zeitgenosse von Carl Gustav Carus und Caspar David Friedrich mit der Landschaftsauffassung der Romantiker vertraut.

Piazzetta und San Giorgio Maggiore in Venedig, 1839, Öl auf Leinwand, 76,2 x 89,8 cm 2 min
Bildrechte: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), Schloss Charlottenburg/Inv.Nr. GK I 4458

Nerly malte zahlreiche Sonnenuntergänge in der Lagune, wie die Schau bezeugte – und so auch demonstrierte, warum man im 20. Jahrhundert zu dem Spätromantiker etwas auf Abstand ging. In einer Vitrine hatte Claudia Denk Künstlerpostkarten aus Venedig versammelt, die demonstrierten, wie stark Nerlys Sichten am Anfang des bis heute währenden Venedig-Hypes standen.

Eine Insel mit Gebäuden beim Sonnenauf- und Untergang, im Wasser darum Schiffe.
"Die Insel San Pietro bei Venedig", entstanden um 1850, ist typisch für die romantische Sicht Nerlys. Bildrechte: Angermuseum Erfurt

Dass ein romantischer Maler aus Thüringen dabei eine gewichtige Rolle spielte, sich der Großteil seines Œuvres im Erfurter Angermuseum befindet, das gar damit begründet wurde, das ist über die Jahrzehnte hinweg fast vergessen worden. Was die Erfurter Schau nun hoffentlich geändert hat!

Barkarole fürs Auge

Die neue Ausstellung wurde liebevoll an ihrem Eingang im zweiten Obergeschoss des Angermuseums als Barkarole, als Lied aus der Gondel, fürs Auge inszeniert. Nerly malte in Venedig selbstredend auch im Boot, wie die Schau zeigte.

Eine Gondel in Nahaufnahme, im Hintergrund die Stadt Venedig.
Bis heute prägen die Gondeln das Bild der Stadt Venedig. Bildrechte: Schleswig, Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf/Inv.Nr. 1990-136

In ihrem Fortgang belegte sie eindrucksvoll den Erfurter Nerly-Bestand, für den es 2021 eine umfassende Förderung hauptsächlich der Ernst von Siemens-Kunststiftung brauchte, damit Erfurts erstes Kunstmuseum, das Angermuseum, den größten zusammenhängenden Werkbestand des Landschaftsmalers aufarbeiten konnte. Bis dahin hatte er zum größten Teil im Depot gelagert.

Venedig-Gemälde, eine Insel mit hohen Gebäuden, im Wasser darum zahlreiche Schiffe
Abendstimmung in Venedig mit Santa Maria della Salute (1840er-Jahre), Öl auf Papier, 27,6 x 47,8 cm Bildrechte: Angermuseum Erfurt

Ohne Nerly kein Angermuseum

Die Schenkung der Werke von Seiten der Familie anno 1883 gilt als Gründungakt des Hauses. Kai-Uwe Schierz, Direktor der Erfurter Kunstmuseen, betont: "Nerly ist für unser Haus identitätsstiftend. Wir haben die Corona-Schließzeit genutzt, um Anträge für Fördermittel zu schreiben. Es hat sich gelohnt."

Nerly ist für unser Haus identitätsstiftend.

Kai-Uwe Schierz, Direktor der Erfurter Kunstmuseen

Für die Nerly-Schau wurden im Angermuseum sogar Teile der ständigen Schau beiseite geräumt – ein Novum. Auf rotem Untergrund funkelten hier die güldenen, teils frisch restaurierten Rahmen der Nerly-Gemälde mit Tierszenen, hauptsächlich jedoch römischen und venezianischen Landschaften. Thomas von Taschitzky, Kurator Gemälde, lenkte den Blick auf Nerlys Öl-Studien zu seinen Landschaftsbildern, die die Kunstwissenschaft schon immer schätzte.

Gemälde eines Wasserfalls in den Bergen.
Auch romantische Naturansichten sind bezeichnend für Nerly, der durch Maler wie Carus und Friedrich geprägt ist. Bildrechte: Angermuseum Erfurt/Inv.Nr. 3014

Zur Ausstellung ist ein 511 Seiten starker Katalog "Friedrich Nerly - von Erfurt in die Welt" erschienen. Er gilt als neues Standardwerk der Nerly-Forschung und kostet stolze 62 Euro, die jedoch gerechtfertigt sind.

Der deutsche Freilichtmaler Nerly hat in Erfurt die Würdigung erhalten, die ihm – schon lange – zusteht.

Die Ausstellung

Friedrich Nerly – von Erfurt in die Welt
Ausstellung

Ursprüngliche Ausstellung
17. November 2024 bis 23. Februar 2025

Verlängerte Ausstellung im ersten Galeriegeschoss:
6. März bis 20. Juli 2025
Gezeigt wird eine Auswahl bedeutender Werke des Künstlers.

Angermuseum Erfurt
Anger 18, 99084 Erfurt

Quelle: MDR KULTUR (Ulrike Thielmann)
Redaktionelle Bearbeitung: op

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. Februar 2025 | 08:30 Uhr

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