Stadt.Land.Wandel Wie die LeerGut-Agenten schlafende Schönheiten wecken
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14. November 2021, 20:23 Uhr
Was haben die alte Pfeifenfabrik in Schweina, der Konsum in Kriebitzsch und der Eiermannbau in Apolda gemeinsam? Sie alle lagen jahrelang in einem Dornröschenschlaf und die LeerGut-Agenten haben es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen zu unterstützen, die solche Gebäude wiederbeleben wollen. Zehn davon konnten sich jetzt einen sogenannten LeerGut-Schein sichern für kompetente Beratung direkt vor Ort.
Es gibt sie überall in Thüringen - seit vielen Jahren leerstehende Gebäude, die zu groß sind, um sie einfach zu einem Wohnhaus umzubauen. Die Burg in Tannroda, die Alte Feuerwache in Weimar, der Dorfgasthof Auleben oder das Forsthaus in Neuärgerniß. Dem gegenüber steht die Sorge um immer mehr versiegelte Flächen, gibt es zu wenig Platz zum Leben und für gemeinschaftliche Projekte
Netzwerk zur Belebung von Leerstand
Vor diesem Hintergrund haben sich die LeerGut-Agenten gegründet, ein Thüringer Netzwerk zur Belebung von Leerstand. Sie haben diese leerstehenden Gebäude in den Focus genommen. Denn wenn sich Gruppen finden, die sie umbauen und gemeinsam nutzen wollen, ist das eine echte Alternative zum Neubau, gerade in ländlichen Regionen. Egal, ob für Kultur-, Verein- oder andere Gemeinde-Gebäude. Zugleich soll das Bewusstsein für das bauliche Erbe und die schlafenden Schönheiten im Land gestärkt werden. Ums Gemeinwohl geht es dem Netzwerk dabei, um kreative und innovative Wege, diese Gebäude wieder zu nutzen.
LeerGut als Ressource statt als Problem
Leerstand ist für die LeerGut-Agenten kein bauliches Problem, sondern eine Ressource. LeerGut eben. Als Netzwerk von Experten und Ansprechpersonen vor Ort verbinden sie Interessierte, Aktive, Wissende und Gebäude. Sie wollen vor allem diejenigen Personen und Initiativen stärken, die so mutig und "verrückt" sind, in Thüringen leerstehende Häuser neu in Nutzung nehmen, umzubauen und zu sanieren. Dabei ist das Ziel, sie mit Fachleuten vor Ort zusammenzubringen. Und manchmal begleitet der "Agent" seine Klienten auch zu Ämtern oder Banken.
Vom IBA-Projekt zum aktiven Netzwerk
Auch der Eiermann-Bau in Apolda, in dem sich die "Schaltzentrale" der LeerGut-Agenten befindet, stand viele Jahre leer. Jetzt hat hier die Internationale Bauausstellung (IBA) Thüringen, ihren Sitz. Die LeerGut-Agenten sind eine Initiative der IBA. Sie sind Mitglied im bundesweiten Netzwerk Immovielien. Auch nach dem Ende der IBA soll die Arbeit weitergehen.
LeerGut-Scheine als Starthilfe
Das neueste Projekt sind die "LeerGut-Scheine". Initiativen, die bereits eine leerstehende Immobilie in Thüringen in Aussicht und konkrete Ideen für deren Nachnutzung haben, konnten sich dafür bewerben. Zehn von ihnen wurden ausgewählt und bekamen einen solchen Schein. Etwa 1.000 Euro ist er wert und umfasst vor allem Beratung. Beim ersten Termin schaut man sich gemeinsam das Objekt an, sucht passende Experten, trifft sich mit allen, die am Projekt beteiligt sind, zu einem workshop. Die ausgewählten Initíativen, Arbeitsgruppen und Vereine sind dabei sehr unterschiedlich. Zwei davon stellen wir hier vor.
Der Kreativkonsum in Kriebitzsch
Der alte Konsum im Zentrum von Kriebitzsch war durch viele Hände gegangen, bevor Maike Steuer ihn für sich entdeckte. Sie hatte ein Haus im Altenburger Land gesucht, in dem sie leben und ihr Projekt umsetzen konnte. "Kreativkonsum" nennt sie das und meint damit ein Experimentierfeld, unterteilt in einen "Mach doch-Raum“ für kreative Workshops, Vorträge, kulturelle Events, eine Küche, wo sie für Gäste wie Anlässe backen und kochen könnte und Platz für Nahversorgung. Der Honig des örtlichen Imkers soll dort ebenso verkauft werden wie die Bastelarbeiten der Kindergarten-Kinder oder selbstgemachtes Eis. Dafür hat Maike Steuer sogar ein Eis-Seminar besucht
Platz für Träume und Ideen
Im Garten sollen Tische stehen, ein Treffpunkt für die Kriebitzscher soll sich hier entwickeln, erzählt Maike Steuer. "Ich habe überhaupt keinen grünen Daumen, aber wenn jemand dort ein Kräuterbeet anlegen will, soll er ruhig." Das ist überhaupt einer ihrer Grundsätze: Die Menschen sollen ihre eigenen Träume hervorkramen, Ideen beisteuern, den "Kreativ-Konsum" mit Leben füllen. Ein Verein ist inzwischen gegründet und so kam die Beratung der LeerGut-Agenten für sie genau zum richtigen Zeitpunkt. Jetzt, wo das Erdgeschoss endlich Fenster hat, kann der nächste Schritt kommen.
Kein finanzieller oder zeitlicher Druck
Noch vor Weihnachten will sie in ihr "Traum-Haus" einziehen, dann wechseln die Bauarbeiter ins Erdgeschoss. Zeitdruck oder ein Eröffnungsdatum gibt es nicht. "Es steht ja kein Vermieter hinter uns, der jeden Monat sein Geld einfordert, egal wie die Kasse klingelt", erzählt sie. Denn auch wenn der Kreativkonsum eine Art Geschäft werden soll, bietet er vor allem ein Netz und doppelten Boden zum Ausprobieren und in Ruhe feilen. Maike Steuer hat nichts gegen Geld verdienen: "Aber Gewinn bedeutet für mich als Sozialunternehmerin auch ein Lächeln, ein tolles Gespräch, ein wunderbar verquatschter Nachmittag, an dessen Ende man nach Hause schwebt".
Das Vereinshaus in Taubach
Ein anderes Objekt, das die LeerGut-Agenten betreuen, ist das alte Vereinshaus in Taubach. Genauer gesagt, das gesamte Ensemble drumherum. Ortsteilbürgermeister Thoralf Canis stellt sich hier ein Begegnungszentrum für alle Taubacher vor. Schon viele Jahre grübelt der Ortschaftsrat an einer Lösung für das Gebäude "Ilmtalstraße 43", inzwischen gibt es eine Arbeitsgruppe, die Ideen sammelt und daraus Pläne entwickelt. Das letzte Wort hat allerdings am Ende die Stadt Weimar als Eigentümerin des Hauses.
Treffpunkt und Lager für Vereine
Auch wenn das Haus stark reparaturbedüftig ist, wird es derzeit genutzt. Taubacher Vereine lagern hier ihre Sachen, im Erdgeschoss gibt es ein Jugendzimmer und die Küche ist sogar renoviert worden. Eigentlich sollten bald Weihnachtsplätzchen gebacken werden, das wird jetzt wegen Corona leider nichts.
Die Ilmtalstraße 43 hat eine lange Geschichte, ist eng mit dem Ort verwoben. Auch ein Grund, warum die Taubacher das Gebäude gerne erhalten und wieder schön machen wollen, erzählt Ortsteilbürgermeister Canis: "Die Leute hier haben eine sehr enge Bindung an ihren Ort, das sieht man bei Festen genauso wie bei gemeinsamen Pflanzaktionen. Und speziell dieses Haus hat eine lange Geschichte. Entstanden ist es in den 50er-Jahren im Nationalen Aufbauwerk, das Bürgermeisteramt war hier drin, der Männerchor und auch der Jugendclub".
Arbeitsgruppe plant weit in die Zukunft
Die Arbeitsgruppe hat inzwischen mit Hilfe des LeerGut-Scheins ein Konzept entwickelt. Verschiedene Szenarien wurden skizziert. Derzeit prüft die Stadt Weimar, was hier langfristig möglich und gewollt ist. Wenn das Ergebnis dieser Prüfung vorliegt, will die Arbeutsgruppe weiter arbeiten. Untätig ist man in Taubach bis dahin aber nicht: Ein verwahrloster Garten hinter dem Haus wird in den nächsten Wochen auf Vordermann gebracht. Von Kindern und Jugendlichen aus Taubach, die derzueit wegen Corona nicht in ihr Jugendzimmer dürfen.
Quelle: MDR Thüringen
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Zukunfstland | 07. November 2021 | 11:30 Uhr
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