Interview Wahl-O-Mat: Rekord bei Zugriffszahlen vor der Bundestagswahl
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21. Februar 2025, 09:04 Uhr
Am Sonntag ist Bundestagswahl. Viele wissen, welche Partei sie wählen wollen, andere habe sich noch nicht entschieden. Verschiedene Online-Tools bieten eine Entscheidungshilfe, so auch der Wahl-O-Mat, der seit 2002 von der Bundeszentrale für politische Bildung angeboten wird. Vor der Wahl verzeichnet das Online-Tool mit 21,5 Millionen Zugriffen einen Rekord. Woran das liegt, erklärt Michael Panse von der Thüringer Landeszentrale für politische Bildung im Interview mit MDR AKTUELL.
MDR AKTUELL: Herr Panse, wie erklären Sie sich die riesige Zahl an Zugriffen, obwohl der Wahl-O-Mat erst seit dem 3. Februar, also seit nicht mal drei Wochen, online ist?
Michael Panse: Das hat meiner Einschätzung nach mit drei Gründen zu tun. Zum einen wird der Wahl-O-Mat durchaus immer populärer und immer bekannter. Das gelingt auch dadurch, dass viele Medienpartner mit im Boot sind und den Wahl-O-Mat bewerben.
Der zweite und der dritte Grund glaube ich, haben damit zu tun, dass die Menschen sich mehr informieren wollen. Sie haben aber in der jetzigen Zeit auch das Problem, dass wir einen extrem kurzen Wahlkampf und einen Winterwahlkampf haben. Es entfällt auch oft, dass die Parteien an Infoständen stehen oder dass die Parteien in vielen Veranstaltungen unterwegs sind, um Wählerinnen und Wähler zu informieren. Und das, glaube ich, erhöht die Neigung, dass Menschen auch sagen: Ich möchte mich in dieser Kurzfristigkeit auch zwei, drei Wochen vor der Wahl noch informieren. Hier ist der Wahl-O-Mat eben ein Tool, das das den Menschen sehr unkompliziert online ermöglicht.
Hat aus Ihrer Sicht auch die angespannte politische Lage in Deutschland damit zu tun?
Ja. Wir merken, dass die Wählerinnen und Wähler sehr politisiert sind und viele sind auch schon sehr fest in ihrer Meinung. Die suchen dann quasi im Wahl-O-Mat auch ein Instrument der Bestätigung für ihre Positionen oder für die Parteipräferenz. Ja, ich glaube, das politische Interesse hat zugenommen. Aber das ist nicht ganz verwunderlich bei einer vorgezogenen Bundestagswahl und bei dem ganzen Medialen, was da drumherum passiert.
Bedeuten denn 21,5 Millionen Zugriffe auf den Wahl-O-Maten auch automatisch 21,5 Millionen Menschen, die ihn benutzt haben?
Das ist nie so richtig ausgezählt oder überlegt worden. Aber ich gehe schon davon aus, dass es insbesondere junge Menschen gibt, die dieses Online-Tool auch mehrfach nutzen. Das zählen wir statistisch nicht, das geht aus Datenschutzgründen schon nicht. Uns freut aber diese wachsende Zahl und das Interesse am Wahl-O-Mat. Das zeigt, dass er zumindest unter den verschiedenen Wahltools, die es gibt, nach wie vor das populärste und am meisten angenommene Tool ist.
Sie haben den Datenschutz gerade schon angesprochen. Sie sind ja kein Meinungsforschungsinstitut, das Zahlen veröffentlichen würde, welche Partei wie abschneidet. Haben Sie eine Übersicht, welche Parteien beim Wahl-O-Mat wie abgeschnitten haben?
Nein, das können und dürfen wir auch nicht. Das wird auch nicht erfasst. Das ist auch immer wieder eine Frage, die uns Nutzer des Wahl-O-Mat stellen: Werden denn meine Antworten gespeichert? Oder: Warum ist das Ergebnisbild verschwunden, wenn ich mir nach zehn Minuten meine Antwort noch mal angucken will?
Da müssen wir ganz klar sagen: Aus Datenschutzgründen dürfen wir diese Daten weder erfassen noch sammeln noch auswerten. Es ist insofern auch trügerisch, weil natürlich der Grad der Übereinstimmung mit Antworten von Parteien zur persönlichen politischen Einstellung noch nichts darüber aussagt, wen man tatsächlich dann am Ende auch wählen.
Es kann sein, dass am Ende eine Partei bei mir herauskommt, die aufgrund meiner Antworten gewonnen hat, ich aber am Ende gar nicht wählen kann, oder?
Das kann man aber beim Wahl-O-Mat ausblenden, indem man, wenn man die Parteienauswahl vornimmt, eben nicht alle Parteien anklickt, mit der man sich vergleichen möchte, sondern nur die zwei, drei, vier Parteien, zwischen denen man auch schwankt. Man kann auch Fragen, die einem im Wahl-O-Mat besonders wichtig sind, noch mit einer besonderen Gewichtung versehen. Das wird dann bei der Auswertung berücksichtigt.
Jetzt leben wir im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert, also im KI-Zeitalter. Den Wahl-O-Mat gibt es schon seit 2002. Hat sich Ihre Arbeit verändert? Arbeiten Sie inzwischen auch mit künstlicher Intelligenz?
Das tun wir noch nicht. Wir setzen tatsächlich noch auf das Entwickeln des Wahlomat mit jungen Menschen. Sowohl beim Wahl-O-Mat auf Landesebene als auf Bundesebene sitzen in der Regel 30 bis 40 junge Menschen zusammen, die sich vorher in einem Bewerbungsverfahren dafür anmelden konnten. Die überlegen sich die Fragen. Die Fragen werden dann an die Parteien geschickt. Und wir suchen eigentlich sogenannte Unterscheidungsfragen und die finden dann den Zugang in den Wahl-O-Mat.
Künstliche Intelligenz – ich glaube schon, dass das in Zukunft stark zunehmen wird. Der Wahl-O-Mat selbst allerdings ist allein durch diese Art und Weise, wie er seit vielen Jahren auch genutzt werden kann, momentan immer noch das meistgenutzteste Tool. Wir selbst setzen ihn als Landeszentrale sogar noch in der Retro-Variante als Wahl-O-Mat zum Aufkleben ein. Insgesamt gibt es fünf große Stellwände, wo die 38 Fragen drauf sind und die, die das mitmachen, können von einem Fragebogen Aufkleberpunkte abziehen und die Fragen mit "Ja" oder "Nein" beantworten, so wie es online auch geschieht.
Wir benutzen dieses Instrument deswegen besonders gerne, weil es dazu führt, dass Menschen über Politik sprechen und selber Politik hinterfragen. Sie beantworten also nicht nur zu Hause am Handy die Fragen, sondern sagen uns auch: Ich rede mit Freunden, Bekannten oder mit Leuten, die ich in der Stadt neben mir stehen habe, wenn ich den Wahlomaten zum Aufkleben nutze.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 21. Februar 2025 | 06:47 Uhr