Tim Wagner von der FDP
FDP-Politiker Tim Wagner kämpft um den Wiedereinzug in den Bundestag. Bildrechte: MDR/David Straub

Bundestagswahl 2025 FDP im Wahlkampf: Thüringer Vermögensberater kämpft um den Wiedereinzug in den Bundestag

13. Februar 2025, 05:00 Uhr

Für die FDP sieht es nicht gut aus - in aktuellen Umfragen steht sie bei weniger als fünf Prozent. Tim Wagner kämpft als Thüringer Spitzenkandidat trotzdem um den Wiedereinzug in den Bundestag. Der MDR hat ihn auf einer Reise ins AfD-geprägte Ostthüringen begleitet.

Christian Lindner liegt am Boden. Etwa 3.000 Mal.

"Muss alles noch raus", sagt Tim Wagner über die Wahlplakate, die Mitglieder seiner Partei in den Wochen vor der Bundestagswahl im ganzen Freistaat noch aufhängen sollen. Überall ist Lindners Gesicht drauf.

Es ist Mitte Januar. Noch gut fünf Wochen bis zur Wahl. An diesem kalten Januarabend wirft sich Wagner den Rucksack über und stiefelt los, von der Landesgeschäftsstelle der Thüringer FDP in Erfurt zu seinem Wagen. Ein Kleinbus, genug Sitze, dass hinten seine vier Kinder hineinpassen.

Tim Wagner von der FDP 7 min
Bildrechte: MDR/David Straub

Vom Vermögensberater zum Abgeordneten

Es geht nach Ronneburg, fast eineinhalb Stunden Autofahrt, zum Abendtermin. Die dortigen Parteifreunde müssen im AfD-dominierten Wahlkreis 193 "Gera - Greiz - Altenburger Land" noch ihren Direktkandidaten für die Bundestagswahl aufstellen, den Lehrer Marco Thiele.

Wagner hat sein Geld zunächst als Vermögensberater verdient, bevor es in der FDP von 2017 an für ihn bergauf ging. Als Wahlkampfleiter für den Abgeordneten Gerald Ullrich startete er seine Karriere. 2019 wurde er auf Bitten von Thomas Kemmerich Geschäftsführer der FDP im Thüringer Landtag. Vor einem Jahr rückte Wagner dann für den Thüringer Abgeordneten Reginald Hanke in den Bundestag nach.

Tim Wagner von der FDP
Immer auf Achse: Tim Wagner unterwegs als FDP-Wahlkämpfer Bildrechte: MDR/David Straub

Während Wagner den Wagen auf die A4 nach Osten lenkt, erzählt er von diesem einen Jahr im Bundestag. Davon, wie wichtig es ist, sich schnell in Themen einarbeiten und viel Text schnell verarbeiten zu können. Und von seiner Arbeit im Tourismusausschuss. Er sagt Sätze wie: "Es reizt mich, den Tourismusstandort Deutschland weiterzuentwickeln." Auch für Thüringen sei der Tourismus enorm wichtig - ein Grund, warum er auch den Vorstoß der Thüringer CDU für die Wieder-Etablierung der Werbemarke "Grünes Herz Deutschland" richtig findet.

Wenn ich nicht den Kontakt hergestellt hätte...

Tim Wagner

Nur gut zwanzig Wochen im Jahr ist Wagner tatsächlich in Berlin - zu den Sitzungswochen des Bundestags. Den Rest der Zeit tourt er durch Thüringen ("40.000 Kilometer im Jahr") und versucht, auf Tuchfühlung mit seinem Wahlkreis zu bleiben. Als Bundestagsabgeordneter versteht sich Wagner als Kontaktmann, versucht Probleme Thüringer Unternehmen mit Hilfe seiner Verbindungen zu lösen, wie er sagt.

"Zuletzt war ich in Saalburg unterwegs, beim Bürgermeister." Er habe den Kontakt zur Landesentwicklungsgesellschaft hergestellt, damit das alte Marmorwerk vor Ort "hoffentlich" touristisch entwickelt werden kann. "Wenn ich nicht den Kontakt hergestellt hätte, wäre dem Bürgermeister nicht klargewesen, was eine Landesentwicklungsgesellschaft für ihn tun kann."

FDP-Stadt Jena - Wagners Heimat

Tim Wagner bremst ab, Tempo 80 gilt auf der A4 kurz vor Jena. Der einzigen Hochburg der Liberalen in Thüringen, wenn man so will. Thomas Nitzsche holte hier im vergangenen Jahr bei der OB-Stichwahl gegen die Grüne Kathleen Lützkendorf über 60 Prozent der Stimmen. So glanzvoll dieses Ergebnis, so mies geht es seiner Partei derzeit ansonsten. Die Blamage bei der Landtagswahl im September: 1,1 Prozent der Stimmen - kein Wiedereinzug ins Thüringer Parlament. Noch schlechter als die Grünen.

Ampel-Crash in Berlin - aus Sicht von Wagner

Und dann ist da noch die Sache mit dem "D-Day". Die "Zeit" und die "Süddeutsche Zeitung" hatten Mitte November enthüllt, dass die FDP den Ampel-Bruch wochenlang vorbereitet hatte. Der Streit mit SPD und Grünen wurde in den Plänen als "offene Feldschlacht" bezeichnet. Das Entsetzen in weiten Teilen war groß - manch Kommentator mutmaßte, es könnte das "Waterloo der Liberalen werden". Wie hat Wagner diese Zeit in Berlin erlebt?

Auch ich persönlich habe darauf gedrängt, dass wir im Herbst aus der Ampel rausgehen.

Tim Wagner

"Auch ich persönlich habe darauf gedrängt, dass wir im Herbst aus der Ampel rausgehen - aber eher noch später." Wagner hätte es besser gefunden, noch den G20-Gipfel in Brasilien und die Klimakonferenz in Aserbaidschan abzuwarten. Lieber wäre ihm Ende November gewesen.

Und die Wortwahl des FDP-Papiers - hat ihn die gestört? "Die war schon eigenartig, wäre nicht meine Wortwahl gewesen." Wagner folgt jedoch der FDP-Cheflinie von Lindner, der das Papier als "Praktikantenpapierchen" versucht hatte abzutun und behauptet hatte, das Papier niemals gesehen zu haben.

Wahlkampf im Ausnahmezustand

Tatsächlich hatte der Ampelbruch keine Auswirkung auf die Umfragewerte der FDP. Die bewegen sich ähnlich wie Anfang November bei etwa vier Prozent.

Viel Zeit bleibt nicht mehr, Wählerinnen und Wähler zu überzeugen. Da geht es der FDP aber wie allen anderen. Die Planung für die Plakat- und Flyermotive (Christian Lindner!) musste schnell gehen. Doch dann, so sagt Wagner, "brach zwischen Weihnachten und Silvester die Logistikkette in Deutschland zusammen". Die Spediteure hätten danach natürlich Wichtigeres zu tun gehabt, beispielsweise wieder Lebensmittel ausliefern, "sodass die Plakate teilweise nicht zugestellt werden konnten".

50-50 bei Wahlkampfmitteln

Analoge Wahlkampfmittel wie Plakate machen bei der FDP die eine Hälfte aus. Genauso wichtig seien Social Media-Inhalte, so Wagner. Finanziert wird alles zum Großteil von der Bundespartei - den Rest muss der angeschlagene Landesverband zusammenkratzen, vor allem durch Spenden.

Der Vorteil bei den Social Media-Inhalten sei, "dass wir die Menschen sehr gut ausgesteuert erreichen können" - bis kurz vor der Wahl. Warum die Partei dann überhaupt noch auf Plakate und Flyer setzt? "Man verliert, wenn man sie nicht hat, aber man gewinnt nichts dadurch", sagt Tim Wagner.

Straßenwahlkampf ohne Heizlüfter


Um die "ungefilterte Meinung" potentieller Wähler wahrnehmen zu können, setzt der Thüringer FDPler nach wie vor auch auf den Straßenwahlkampf. Wie anders der in diesem Jahr ist, zeigt ein Termin Dienstagvormittag Anfang Februar am Hopfenbrunnen in Arnstadt. Es ist kalt bei minus drei Grad - der Sonnenschirm wirkt leicht fehl am Platz.

Am kleinen Stehtisch will zu Beginn niemand so richtig seine Meinung sagen - Wagner und Stadtrat Christian Stonek stehen sich über lange Zeit alleine die Beine in den Bauch. Es fehlt auch der Kollege, der sonst immer mit einem Heizlüfter dabei ist. "Man merkt, die Leute wollen nicht mehr, sie sind müde vom Wahlkampf", sagt Wagner. Es klingt fast entschuldigend.

Zwei Männer stehen vor einem FDP-Stand auf einem Platz.
Tim Wagner und Christian Stonek im Straßenwahlkampf vor dem Hopfenbrunnen in Arnstadt. Bildrechte: MDR/Paula Krüger

Mit zehn Leuten in zwei Stunden zu sprechen, ist schon viel.

Tim Wagner

Etwas abseits stehen Wahlkämpfer der Linken, vom BSW und der AfD mit Ständen. Letztere zeigt, dass es auch anders geht: Das Interesse am Stand des als rechtsextrem eingestuften Landesverbandes zieht das Interesse der vielen Senioren auf sich. In Jena sei das anders, sagt Wagner. Bis die ersten Passanten die beiden FDPler ansprechen, dauert es - vor allem Stadtrat Stonek kommt dann aber ins Gespräch. Er kennt viele hier persönlich. 

"Der hat das gut gemacht!", ruft ein Mann im Vorbeigehen. Er zeigt auf das Lindner-Plakat und meint den Ampel-Crash. Eine Passantin konfrontiert Wagner schließlich mit den Waffenlieferungen an die Ukraine: "Steht hier jemand, der sagt, dass wir alle Waffen wegschmeißen?" Wagner entgegnet: "Wir kämpfen jeden Tag dafür, aber wir können nicht alle Waffen wegschmeißen, sonst werden wir überrollt."

Als die beiden FDP-Politiker gegen Mittag Flyer und Werbe-Kugelschreiber wieder einpacken, lautet Wagners Bilanz: "Mit zehn Leuten in zwei Stunden zu sprechen, ist schon viel."

Schwieriger Kampf für Ostthüringer Kandidaten

Auf der Autobahn auf seinem Weg nach Ronneburg Mitte Januar leuchten Wagner inzwischen die Lichter Geras entgegen. Gleich ist er da. In einer Region, in der seine FDP weit abgeschlagen hinter den Extremen liegt. Marco Thiele, der 40-jährige Gymnasiallehrer, der heute Abend mit Unterstützung Wagners zum FDP-Direktkandidaten gewählt wird, hat im Wahlkreis Stephan Brandner als Konkurrenten.

Brandner hatte den Kreis 2021 mit 28 Prozent gewonnen, und auch bei der Landtagswahl holten Ostthüringer AfD-Direktkandidaten konstant weit über 30 Prozent der Stimmen.

Meine Tochter hat das massiv eingeschüchtert.

Tim Wagner

Tim Wagner kennt die Folgen der aufgeheizten politischen Stimmung im Land: Vergangenes Jahr war er mit seiner 14-jährigen Tochter zur Kommunalwahl plakatieren, als sie von drei selbsternannten AfD-Anhängern angepöbelt und, im Auto sitzend, attackiert wurden. "Meine Tochter hat das massiv eingeschüchtert." Der Schock saß tief in der Familie. "Menschen in diesem politischen Ehrenamt unter Druck zu setzen ist das Schlimmste, was man machen kann. Denn sie ziehen sich ins Private zurück und dann macht es keiner mehr."

Tim Wagner von der FDP, um ihn herum andere Männer.
Hier in Ronneburg wird Mitte Januar der FDP-Kandidat Marco Thiele gewählt - einstimmig. Bildrechte: MDR/David Straub

In Ronneburg angekommen findet Tim Wagner einen Parkplatz. Die ersten FDP-Kollegen sind da. 15 werden es heute Abend sein. Noch einmal kurz durchatmen, bevor er und die anderen bei Mini-Calzone und Lasagne Marco Thiele einstimmig wählen werden. Dann wird er wieder zurück nach Erfurt fahren, Dokumente für einen Termin am nächsten Morgen abholen - bevor es für ein paar Stunden Schlaf nach Hause nach Jena geht. Wahlkampf eben.

Die anderen Thüringer Kandidatinnen und Kandidaten zur Bundestagswahl im Porträt

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | THÜRINGEN JOURNAL | 21. Januar 2025 | 19:00 Uhr

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