Umfrage Sachsen-Monitor offenbart miese Stimmung im Land

23. Januar 2024, 13:04 Uhr

"Die regierenden Parteien betrügen das Volk." Eine drastische Aussage, der mehr als jeder dritte Sachse zustimmt. Das ist eines der Ergebnisse aus dem Sachsen-Monitor, den die Landesregierung am Dienstag veröffentlicht hat. Insgesamt zeigt sich: Die Sachsen verlieren das Vertrauen in die Institutionen und die Ressentiments nehmen zu.

Die Stimmung der Menschen in Sachsen hat sich verschlechtert. Das geht aus dem am Dienstag von der sächsischen Landesregierung vorgestellten Sachsen-Monitor hervor. Sorgen machen den Menschen in Sachsen dabei vor allem die Asylpolitik und eine vermeintliche "Überfremdung", Lehrer- und Fachkräftemangel, die wirtschaftliche Situation und die Sicherheit im Land. Auch das Vertrauen in die Politik hat laut Befragung weiter abgenommen.

Was ist der Sachsen-Monitor? Der Sachsen-Monitor ist eine Befragung, die regelmäßig von der sächsischen Staatsregierung in Auftrag gegeben wird. Die Kosten dafür betragen etwa 200.000 Euro. Sie soll das allgemeine Stimmungsbild in der sächsischen Gesellschaft abfragen. Angefertigt wurde der Sachsen-Monitor in diesem Jahr vom Umfrageinstitut infratest dimap. Dafür wurden insgesamt 2.041 in Sachsen lebende Personen zufällig ausgewählt und befragt. Die Ergebnisse gelten als repräsentativ, lassen also Rückschlüsse auf die Gesamtbevölkerung (ab 18 Jahren) in Sachsen zu. Der vorherige Sachsen-Monitor wurde vor rund anderthalb Jahren angefertigt.

Mehrheit empfindet Gesamtlage gut

In jedem Sachsen-Monitor werden die Befragten gebeten, die Gesamtlage in Sachsen sowie die eigene Situation zu bewerten. Immer wieder zeigt sich dabei, dass der Blick auf die Gesamtentwicklung negativer ausfällt als der Blick auf die eigenen Lebensumstände:

So sind 63 Prozent der Sachsen eher optimistisch, was die eigene Zukunft angeht. Die Zukunft Gesamtsachsens bewerten dagegen nur 55 Prozent optimistisch. Ähnlich ist es bei der wirtschaftlichen Situation: 72 Prozent der Sachsen bewerten ihre eigene wirtschaftliche Situation als "eher gut" oder "sehr gut". Bei der wirtschaftlichen Gesamtlage in Sachsen zeigen sich hingegen etwa 53 Prozent optimistisch.

Auch wenn damit mehr als die Hälfte der Sachsen optimistisch eingestellt bleibt, haben sich die Zahlen mit Blick auf den vorherigen Sachsen-Monitor verschlechtert. Damals blickten noch rund zehn Prozent mehr der befragten Sachsen positiv in die Zukunft. Hinzu kommt, dass sich weniger Menschen der "mittleren Mittelschicht" zuordnen würden und sich stattdessen inzwischen der "unteren Mittelschicht" oder gar der "Unterschicht" zugehörig fühlen.

Persönliche Lebensumstände

Wie zufrieden sind Sie mit Ihren persönlichen Lebensumständen? Auch diese Frage haben die Studienmacher gestellt. Ablesen lässt sich an den einzelnen Kategorien auch hier ein negativer Trend.

Besonders auffällig: Die ärztliche Versorgung bewerten 69 Prozent der Sachsen als gut. Das sind neun Prozentpunkte weniger als im vorherigen Sachsen-Monitor. Auch fühlen sich deutlich weniger Menschen in ihrem persönlichen Wohnumfeld noch sicher. Die Unzufriedenheit wächst zudem mit Blick auf die Lebenshaltungskosten und die eigene finanzielle Situation.

Vermeintliche "Überfremdung" als wichtigstes Problem

Mit großem Abstand empfinden die Sachsen das Thema Asylpolitik/"Überfremdung" als wichtigstes Problem in ihrem Land. 25 Prozent sehen das so. Das Thema, das am zweithäufigsten genannt wurde, war mit elf Prozent Bildung mit Fachkräfte- und Lehrermangel. Acht Prozent der Sachsen empfinden den erstarkenden Rechtspopulismus und Ausländerfeindlichkeit als größtes Problem.

An diesem Punkt zeigt sich recht deutlich, dass der Sachsen-Monitor auch immer eine Momentaufnahme ist. Die Befragungen selbst erfolgten diesmal im Zeitraum Ende Juni bis Ende September 2023. Somit gab es zeitlich eine Überschneidung mit dem Schulanfang in Sachsen. Das Thema Lehrermangel könnte auch deshalb stark präsent gewesen sein. Ebenso lief die Debatte um Grenzkontrollen an den sächsischen Außengrenzen auf Hochtouren. Die Zahl der ankommenden Geflüchteten war im Sommer weit höher, als sie es seit Einführung der Grenzkontrollen im Oktober ist.

Vertrauensverlust in die Politik

"Die Politiker interessieren sich nur für die Stimmen und nicht für die Ansichten der Wähler." Auch das ist eine verbreitete Meinung aus der Befragung: Schon beim vergangenen Sachsen-Monitor stimmten dem rund 70 Prozent zu. Diesmal waren es 81 Prozent. Der zunehmende Vertrauensverlust in die Politik zeigt sich in der Studie auch an anderer Stelle. Nur noch 41 Prozent zeigen sich zufrieden mit der "Art und Weise, wie die Demokratie in der Bundesrepublik funktioniert". Immerhin: Mit der sächsischen Demokratie sind noch 49 Prozent zufrieden.

Dazu kommt, dass die "Parteien im Allgemeinen" massiv an Vertrauen verloren haben. Gerade einmal zehn Prozent der Sachsen gaben an, ihnen noch zu vertrauen. Der Bundesregierung vertrauen 18 Prozent. Satte 21 Prozentpunkte weniger als noch im vorherigen Sachsen-Monitor. Bei der Landesregierung sieht es etwas besser aus. Ihr vertrauen 44 Prozent der Sachsen. Doch auch hier zeigt sich ein Vertrauensverlust von etwa neun Prozentpunkten.

Alle Institutionen verlieren Vertrauen

Der Vertrauensverlust ereilt allerdings nicht nur die Parteien und Regierungen. In diesem Sachsen-Monitor gab es nicht eine einzige Institution, in die das Vertrauen der Bevölkerung gewachsen ist. Polizei und Wissenschaft stehen noch recht gut da: 65 Prozent bzw. 64 Prozent gaben an, ihnen zu vertrauen. Doch auch das ist ein Abwärtstrend von sechs bis sieben Prozentpunkten. Am unteren Rand der Vertrauensstatistik liegen die "Parteien im Allgemeinen". Auch den "Medien im Allgemeinen" vertrauen nur noch etwa 15 Prozent der Sachsen.

Ein Plakat „Ich mag alle Farben außer Braun!“ wird auf einer Kundgebung gegen Rechtsextremismus vor dem Rathaus hochgehalten.
Vor allem beim Thema Zuwanderung prallen die Meinungen der Menschen aufeinander. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Andreas Arnold

Ressentiments gegen Minderheiten und Migranten nehmen zu

Ein "gefährliches Maß an Überfremdung in Deutschland" wollen 64 Prozent der Sachsen erkennen. Das sind 24 Prozentpunkte mehr als im vorherigen Sachsen-Monitor. Nicht nur daran zeigt sich deutlich, dass Ressentiments gegenüber Minderheiten zunehmen. Auch fühlten sich 54 Prozent "wegen der Muslime wie Fremde im eigenen Land". 37 Prozent würden sich wünschen, dass "Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland untersagt wird". Selbst der offen rassistischen Aussage "Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen" stimmten noch elf Prozent zu.

Auch Antisemitismus sehen die Studienmacher auf dem Vormarsch. Fünf Prozent mehr als im vergangenen Monitor und damit insgesamt 16 Prozent bejahten die Aussage: "Die Juden haben etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns." 18 Prozent finden: "Die Juden haben zu viel Macht in der Welt."

Ähnliches zeigt sich mit Blick auf andere Minderheiten: So wurde unter anderem ein höheres Maß an Vorurteilen gegen Sinti und Roma, gegen Homosexuelle sowie gegen Langzeitarbeitslose festgestellt.

Verschwörungstheorien finden großen Anklang

Zum ersten Mal wurden im Sachsen-Monitor dieses mal auch Fragen zu Verschwörungstheorien gestellt. Vergleichswerte gibt es dementsprechend nicht.

Auch an diesen Aussagen lässt sich Unzufriedenheit mit der Politik ablesen: 40 Prozent der Sachsen finden demnach, dass "die regierenden Parteien das Volk betrügen." Medien und Politik würden nach Aussage von 42 Prozent der Sachsen "unter einer Decke stecken" und die Politiker seien nur "Marionetten der dahinterstehenden Mächte" finden 43 Prozent.

Auch dass "unser Land mehr einer Diktatur gleichen würde", glaubt laut Sachsen-Monitor jeder dritte Sachse. Immerhin: Die Demokratie halten 83 Prozent der Sachsen grundsätzlich für eine gute Regierungsform. Vor anderthalb Jahren fanden das allerdings noch 92 Prozent.

Einen bei Verschwörungstheoretikern beliebten und oft ironisierten «Aluhut» trägt die Teilnehmerin an einer Kundgebung
Der "Aluhut" ist ein Symbol für Verfechter von Verschwörungstheorien geworden. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Boris Roessler

MDR (mst)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 23. Januar 2024 | 19:00 Uhr

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