Asylpolitik Sachsen senkt Unterbringungsstandards für minderjährige Flüchtlinge
Hauptinhalt
22. September 2023, 05:00 Uhr
Wenn Asylsuchende unter 18 Jahren allein in Deutschland ankommen, können und dürfen sie nicht wie Erwachsene behandelt und untergebracht werden. Weil in Sachsen immer mehr von ihnen eintreffen, haben die Landkreise Alarm geschlagen, denn ihre Kapazitäten dafür seien mehr als ausgeschöpft. Landessozialministerin Köpping reagiert mit einem Erlass, der Erleichterung verschaffen soll, das Problem aber nicht grundsätzlich lösen kann.
- Sachsens Sozialministerin Köpping will die Bedingungen für die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge lockern.
- Bei Überlastung der zuständigen Erstaufnahmeeinrichtungen könnten Kinder und Jugendliche auch in der "Erwachsenen-Erstaufnahme" untergebracht werden.
- Die Landkreise warnen davor, die Unterbringung nicht länger nach den gesetzlichen Vorgaben umsetzen zu können.
Das sächsische Sozialministerium reagiert auf den Hilferuf der Landkreise zur Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Ministerin Petra Köpping (SPD) kündigte für die kommenden Tage einen Erlass an, der den Kommunen Erleichterung verschaffen soll. Mit ihm werden offenbar vor allem die Vorgaben für die Unterbringung und Betreuung gelockert.
Im Zweibettzimmer ohne Fachbetreuung
So sind normalerweise bei der Heimunterbringung von Kindern und Jugendlichen Einzelzimmer vorgeschrieben. Der SPD-Politikerin zufolge sollen die allein nach Deutschland gekommenen jungen Flüchtlinge stattdessen künftig auch in Zweibettzimmern untergebracht werden können.
Außerdem werden laut Köpping die Anforderungen an das Betreuungspersonal gesenkt. Damit sollen sich auch Hilfskräfte um die zugereisten Kinder und Jugendlichen kümmern dürfen, deren pädagogische Qualifikation normalerweise nicht für diesen Job ausreicht. Kein anderes Bundesland verschaffe seinen Landkreisen und kreisfreien Städten solche Erleichterungen in diesem Bereich, sagte die Sozialministerin über den angekündigten Erlass.
Im Notfall auch in die "Erwachsenen-Erstaufnahme"
Köpping betonte zugleich, dass die Landkreise schon jetzt unbegleitete Minderjährige auch in Asyl-Erstaufnahmeheimen unterbringen können, wenn es in den Einrichtungen der Jugendhilfe keinen Platz mehr gibt. Dort könnten entsprechende räumliche Lösungen geschaffen werden. Allerdings blieben die Landkreise und Großstädte auch dort für diese Kinder und Jugendlichen zuständig.
Sachsens Sozialministerin räumte ein, dass mit diesen Regelungen die Probleme nicht endgültig gelöst würden. Nicht nur wegen der Finanzierung würden Sachsen und die anderen Länder deshalb immer wieder das Gespräch mit dem Bund suchen. Dieser ist für die Flüchtlingspolitik zuständig, legt aber auch über die Sozialgesetzgebung den Großteil der Vorgaben für die Betreuung und Förderung von Minderjährigen fest.
Landkreise: Bei uns geht nichts mehr
Sachsens Landkreise hatten in einem Brief an die Landesregierung gewarnt, dass sie angesichts der Vielzahl ankommender unbegleiteter Flüchtlinge unter 18 Jahren die gesetzlich vorgeschriebene besondere Betreuung nicht mehr leisten könnten. Wie die "Sächsische Zeitung" aus dem Schreiben zitiert, fehlt es vor allem an Unterbringungsplätzen und Betreuungspersonal. Schlimmstenfalls müssten Kinder und Jugendliche sogar in Zelten untergebracht werden. Zudem mangele es an Schulplätzen, ärztlicher Betreuung und Sprachkursen.
Köpping: Bitte differenzieren
Hier müsse aber differenziert werden, erklärte Köpping. In der ersten Unterbringungseinrichtung würden unbegleitete minderjährige Asylsuchende nur bis zur Verteilung auf die Kommunen bleiben. Das sei eine relativ kurze Zeit von vier bis sechs Wochen, in der es noch gar nicht um Sprachkurse, Schule oder Kita gehe. Anderseits sei es unstrittig, dass in dieser Erstaufnahme sehr viele Minderjährige kämen und gingen und die Einrichtungen zeitweise vollkommen überbelegt seien.
MDR (stt)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 21. September 2023 | 16:00 Uhr