Gendern Studierende kritisieren Einschränkungen für geschlechtsneutrale Sprache
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10. Oktober 2024, 10:05 Uhr
Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow wandte sich kürzlich in einem Brief an die Hochschulen. Darin wurde der Gebrauch geschlechtergerechter Sprache eingeschränkt. Die Studierenden kritisieren das und berufen sich auf die Hochschulautonomie, die gewahrt bleiben müsse.
- Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow möchte den Hochschulen vorschreiben, bei der Verwendung geschlechtergerechter Sprache auf "Gendersternchen" oder Binnen-Doppelpunkt zu verzichten.
- Die Studierendenschaft ist darüber verärgert.
- Laut einem Fachanwalt hat Gemkow das Recht aber auf seiner Seite.
- Dozentinnen und Dozenten können in den Hörsälen selbst entscheiden.
Die Uni Leipzig hat schon viel probiert, um Geschlechtergerechtigkeit herzustellen. 2013 beschloss der Senat gar, in der so genannten Grundordnung das generische Femininum anzuwenden. Plötzlich waren in der Verfassung der Uni die Männer mit Lehrstuhl Professorin. Und mussten sich – wie Frauen seit Jahrzehnten – ein paar Jahre mitgemeint fühlen.
In der öffentlichen Kommunikation der Uni geht es weniger radikal zu: Empfohlene Schreibweisen wie "Professor:innen" sollen alle Geschlechter einschließen. Eine Regelung, die Paul Steinbrecher begrüßt. Er studiert in Leipzig Lehramt und ist Sprecher der Konferenz der Sächsischen Studierendenschaften. "Wir sehen, dass es ganz viele Studierende gut finden, dass die Universität Leipzig aus voller Überzeugung und für die eigene Kommunikation eine geschlechtsneutrale Sprache nutzt." Gut sei auch, dass die Uni deren Gebrauch Studierenden und Mitarbeitenden empfehle, aber den Nicht-Gebrauch nicht bestrafe, sagt Steinbrecher.
Sachsens Wissenschaftsminister plädiert für amtliche Rechtschreibung
Geschlechtergerechte Sprache ja, sagt zwar auch Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow. Aber nicht mit Sternchen oder Doppelpunkt. Anderslautende Beschlüsse und Vorgaben in den Unis seien aufzuheben. So steht es in einem Schreiben an Uni-Verwaltungen und -Rektorinnen. Denn in der Verwaltung gelte die amtliche Rechtschreibung, so Gemkow.
Gemkow argumentiert: "Regelungen, die zum Beispiel die Verwendung von Gendersternchen vorschreiben, sind nicht mit dem aktuell geltenden amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung vereinbar." Es handele sich bei dem Schreiben lediglich um eine Klarstellung dieser Rechtslage, erklärt der CDU-Politiker.
Studierendenschaft: Hochschulautonomie muss gewahrt bleiben
Das wiederum ärgert die Studierendenschaft. Denn den Gender-Doppelpunkt oder gar das berüchtigte Sternchen zu verwenden, würde keine Univerwaltung vorschreiben. Ein Verbot hingegen beschneide die Hochschulen in ihrem Recht auf Selbstbestimmung, findet Steinbrecher. "Die Hochschulen in Sachsen genießen eine Hochschulautonomie und diese Hochschulautonomie muss dahingehend auch gewahrt bleiben."
Steinbrecher zufolge müssen Hochschulen eigenständig darüber entscheiden dürfen, ob sie eine geschlechtsneutrale Sprache nutzen oder ob sie andere Möglichkeiten finden, um alle Menschen berücksichtigen zu können.
Fachanwalt: Gemkow darf "Anwendungsbefehl" erteilen
Darf die Uni nun die amtliche Rechtschreibung beim Thema Gendern ignorieren? Wäre eine entsprechende Anweisung von Minister Gemkow tatsächlich ein unzulässiger Eingriff? Mario Pohl, Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei der Kanzlei NFP in Leipzig hält das für nicht ganz korrekt. "Man kann das sicherlich aus der Sicht der Studierenden so sehen. Nur die Hochschulautonomie, wie sie im Hochschulgesetz in Sachsen normiert ist, sagt eben, dass die Hochschule die Freiheit hat, alle ihre Angelegenheiten selbst zu regeln im Rahmen der Gesetze."
Genau da sei der Knackpunkt. "Die Gesetze umfassen eben auch den Anwendungsbefehl, die deutsche Rechtschreibung einzuhalten", erklärt Pohl. Bei offizieller Kommunikation der Universitätsverwaltung, etwa in Stellenausschreibungen oder Urkunden, ist der Genderstern also tabu.
Im Hörsaal herrscht Wissenschaftsfreiheit
Was die Dozentinnen und Dozenten in den Hörsälen an gendergerechter Sprache verlangen, unterliege hingegen der Wissenschaftsfreiheit.
Sein Staatsexamen wird Lehramtsstudent Steinbrecher allerdings ohne Sternchen oder andere Sonderzeichen ablegen. Denn die Prüfungsordnung wird vom Kultusministerium verordnet. Und das schreibt die amtliche Rechtschreibung als einzig gültiges Regelwerk vor.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 10. Oktober 2024 | 06:00 Uhr