Nach TV-Duell von Scholz und Merz Asylrecht: Das gilt nach Grundgesetz und europäischen Verordnungen
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11. Februar 2025, 11:08 Uhr
Das Grundgesetz ist im Jahr 1993 geändert worden. Seitdem hat niemand mehr, der auf dem Landweg eine deutsche Grenze erreicht, einen Anspruch auf ein Asylverfahren. Doch ist die Rechtslage zum Asylrecht in Deutschland wirklich so?
- Dem Grundgesetz zufolge haben Flüchtlinge, die Deutschland auf dem Landweg erreichen, keinen Anspruch auf Asyl.
- Aus persönlichen oder politischen Gründen muss Geflüchteten zunächst eine Einreise laut EU-Recht ermöglicht werden.
- Wer einreist, dem muss nach EU-Recht jedoch Schutz gewährt werden – dann folgen weitere Maßnahmen.
Wer auf dem Landweg die deutschen Grenzen erreicht, hat laut Grundgesetz keinen Anspruch auf Asyl. Das sagte Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der Union, im TV-Duell der ARD mit Bundeskanzler Olaf Scholz.
Ist das so? Die Antwort darauf lautet: "Ja" – gefolgt von einem großem "Aber".
Kein Asyl-Grundrecht bei Einreise auf Landweg
Im "Ja" sind sich Juristen und Verfassungsrechtler grundsätzlich einig. Der Professor für Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität in Halle, Winfried Kluth, erklärt, die Aussage stimme, wenn man sich den Artikel 16a und die Absätze zwei und drei anschaue. "Das war damals das Ziel, das auf diesem Weg, also von den Nachbarstaaten her, kein Asyl-Anspruch nach dem Grundgesetz mehr bestehen sollte."
Also: kein Asyl-Anspruch für Menschen, die über Mitgliedstaaten der Europäischen Union einreisen. Und Deutschland ist eben von solchen sicheren Staaten umgeben, ergänzt der emeritierte Professor für Öffentliches Recht, Hans-Jürgen Papier. "Das heißt also, kein Recht auf Einreise, um einen solchen Asyl-Antrag zu stellen. Denn dieses Asyl-Grundrecht gibt es nicht für Personen, die aus dem Landweg einreisen."
So weit, so klar. Doch der Teufel liegt im Detail. Genauer gesagt im Absatz fünf, im Artikel 16 des Grundgesetzes. Hier wird das Asylrecht gewissermaßen für das Europäische Recht geöffnet, erklärt Kluth von der Universität Halle. "Das heißt, der Artikel selber hat den deutschen Rechtsanspruch zurückgenommen, aber gleichzeitig gesagt, wenn vor europäischer oder internationaler Ebene mit Zustimmung von Deutschland etwas anderes geregelt wird, dann gilt das."
Schutzanspruch durch Europäisches Asylsystem
Anders gesagt: Deutschland hat hier einem Europäischem Asylsystem zugestimmt. Und das bringe eben einen Schutzanspruch mit sich, erklärt der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier. Dieser Schutzanspruch habe zwei Varianten – wegen persönlicher politischer Verfolgung oder aus anderen Gründen. "Das ist praktisch ähnlich wie unser Asylgrundrecht und ein Anspruch auf subsidiären Schutz. Das betrifft also Personen, die nicht persönlich verfolgt werden, die aber aufgrund von Krieg oder Bürgerkrieg etwa mit Gewalt, mit schweren Nachteilen zu rechnen haben", sagt Papier.
Diese subsidiären Schutzberechtigten machten etwa die die Hälfte aller Personen aus, die nach Deutschland einreisen. Die andere betrifft die Personen mit internationalem Schutz.
Prüfung der Zuständigkeit für Asylverfahren
Streng genommen dürfen diese Personen in diesen Fällen nach deutschem Asylrecht nicht einreisen, wenn sie aus sicheren Drittstaaten kommen. Aber EU-Recht fährt dabei dem deutschen Recht in die Parade. So beschreibt Winfried Kluth: "Dann kommt das Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung zur Anwendung und danach muss die Person zunächst mal ins Land gelassen werden und geprüft werden, welcher Mitgliedsstaat zuständig ist."
Das gilt selbst dann, wenn ein Schutzstatus in Deutschland aussichtslos ist. Ob Deutschland das wirklich so handhaben muss, daran entfacht sich der Streit unter Verfassungsrechtlern und Politikern.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 11. Februar 2025 | 06:24 Uhr