Museum der bildenden Künste Leipziger Ausstellung "Leak" hinterfragt Gaspipelines aus Russland
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24. April 2024, 16:29 Uhr
Im Museum der bildenden Künste in Leipzig ist eine neu geschaffene Installation der Künstlerin Hito Steyerl zu sehen. Die Ausstellung beschäftigt sich mit den Verflechtungen zwischen Russland und Deutschland durch Gaspipelines, die vom 19. Jahrhundert bis heute reichen.
- Eine Installation aus Filmaufnahmen und einer Pipeline-Skulptur bildet das Zentrum der aktuellen Ausstellung "Leak. Das Ende der Pipeline" im Museum der bildenden Künste in Leipzig.
- Sie beschäftigt sich mit den engen Verflechtungen Deutschlands und Russlands in der Geschichte der Gaslieferungen seit dem 19. Jahrhundert.
- Die deutsch-japanische Video- und Installationskünstlerin Hito Steyerl, der ukrainische Filmemacher Oleksiy Radynski und der deutsche Kulturforscher Philipp Goll werfen ihren künstlerisch-analytischen Blick dabei bis in die Gegenwart.
"Habe ich mich in der Etage geirrt?" – wird sich vielleicht so mancher Besucher fragen, der mit dem Fahrstuhl ins Untergeschoss des Museums der Bildende Künste gelangt ist. Denn wenn sich hier die Tür öffnet, schaut er oder sie in ein Gewirr aus silbrig glänzenden Röhren. Willkommen in der Installation "Leak. Das Ende der Pipeline", die hier, ziemlich massiv gebaut, auf das Publikum wartet. Das mit der Massivität ist gewollt, denn anfassen und sogar sich drauf setzen ist ausdrücklich erlaubt.
Hightech oder Heizungskeller
Hito Steyerl, die deutsch-japanische Video- und Installationskünstlerin, war hier am Werk. Eine bekanntermaßen kreative und kritische Künstlerin, die mit ihren Werken weltweit für Aufsehen sorgt. Die Frau, die im Jahr 2021 das Bundesverdienstkreuz wegen der staatlichen Corona-Politik und ihren Auswirkungen in den Bereichen Bildung und Kultur ablehnte und sich mit ihrem Werk protestierend aus der letzten documenta verabschiedete, ist nun in Leipzig zu Gast.
Mit einer originär für das Museum der bildendenden Künste geschaffenen Installation. "Die Ausstellung thematisiert die Entwicklung des Gaspipelinesystems zwischen Sibirien und (West-)Deutschland seit den 1970er-Jahren", heißt es in der Ankündigung des Museums.
Vom Wandel durch Handel
Nicht nur die im Gassenhauer besungene Wurst, auch die diversen Gas-Pipelines zwischen Russland und Deutschland haben zwei Enden, respektive zwei Seiten. Und auf diese wird hier doppelt kritisch geschaut. Teil der Ausstellung sind zwei große Screens, auf denen sich zum einen Hito Steyerl auf assoziative Weise filmisch mit den wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Hintergründen der "Ver-Pipeline-nung" der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland beschäftigt.
Von "Nord Stream II" zurück zu den Anfängen – die nicht erst bei der 1970 angebahnten Erdgas-Trasse im Zeichen der "Neuen Ostpolitik" der sozialliberalen Koalitionen unter Willy Brandt und Helmut Schmidt unter der Maxime "Wandel durch Handel" zu suchen sind. Schon in den Jahren 1897 bis 1906 wurde mit Hilfe des deutschen Unternehmens Mannesmann, dem damaligen "Hoflieferanten für Röhren", eine 850 Kilometer lange Pipeline durch den Süden des zaristischen Russlands gelegt. Auch später lieferte Mannesmann die Röhren für die Drushba-Trasse, die von DDR-Jugendbrigaden in der Sowjetunion gebaut wurde.
Eine Pipeline und ihre Folgen
Auf einem zweiten Screen ist der Film "Where Russia Ends" zu sehen. Eine Art Roadmovie, in dem sich der ukrainische Filmemacher Oleksiy Radynski und der deutsche Kulturforscher Philipp Goll mit den desaströsen ökologischen und gesellschaftlichen Folgeschäden vor Ort beschäftigen. Auf die weltpolitische Lage geht Hito Steyerl in ihren Videosequenzen ein.
Von den damals klugen Anfängen eines "Wandels durch Handel", der neuen Ostpolitik unter den Kanzlern Brandt und Schmidt in den Zeiten des kalten Krieges bis zum bewussten Wegschauen unter einer Kanzlerin Angela Merkel, das im Jahr 2015, entgegen vieler internationaler Warnungen und nach dem Beginn der russischen Annexion in der Ukraine das "Nord-Stream II" Projekt ermöglichte. Auch der offensichtliche Hang ihres Vorgängers Gerhard Schröder, der, von Macht und Geld geblendet, seine Reputation als Ex-Kanzler am Katzentisch Putins verspielte und mit dafür sorgte, dass ein neuer russischer Imperialismus Fahrt aufnehmen konnte.
Globalität mit lokaler Fehlstelle
Die Ausstellung legt auf sensible Art den Finger in eine deutsche Wunde, wobei sich die Frage stellt, warum gerade hier in Leipzig die ostdeutsche Seite der Geschichte, Stichwort "Drushba-Trasse", nur am Rande Erwähnung findet. Auf die Frage, ob es denn im eigenen Bestand nicht das eine oder andere Trassen-Bild gegeben hätte, das die Installation hätte begleiten können, antwortet Museumsdirektor Stefan Weppelmann, dass man da nichts Geeignetes gefunden hätte und mit der Installation auch eine "globale Nummer" präsentieren wolle.
Um das große Rad vielleicht doch noch mal ins Lokale zurückzudrehen, die in Markranstädt bei Leipzig geborene und heute in Dresden lebende Malerin Karin Heyne beispielsweise lebte und arbeitete 1978 als Künstlerin an der Drushba-Trasse. Eine Serie mit acht sehr stimmungsvollen Pastellen aus ihrer Blattfolge "Erlebnis Drushba-Trasse" befindet sich heute im Bestand der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Informationen zur Ausstellung
"Leak. Das Ende der Pipeline"
25. April bis 4. August 2024
Philipp Goll, Oleksiy Radynski, Hito Steyerl
Museum der bildenden Künste
Katharinenstraße 10
04109 Leipzig
Öffnungszeiten:
Montag: geschlossen
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag: 10 bis 18 Uhr
Mittwoch: 12 bis 20 Uhr
Feiertage: 10 bis 18 Uhr
Quellen: MDR KULTUR (Wolfgang Schilling), redaktionelle Bearbeitung: hro
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. April 2024 | 07:40 Uhr