Ein älterer Mann mit Brille sitzt auf einer Couch.
Als Achtjähriger hat Hans Weiß erlebt, wie Dresden am 13. Februar 1945 zerstört wurde. Bildrechte: MDR/Stephan Hönigschmid

Zeitzeuge 13. Februar: Flucht durchs Kellerfenster in die Brandnacht

13. Februar 2025, 08:00 Uhr

Der alliierte Luftangriff auf Dresden am 13. Februar 1945 ist für tausende Menschen in der Stadt eine Katastrophe. Wer überlebt, ist dankbar dafür, das Inferno überstanden zu haben. Aber die Existenz unzähliger Menschen liegt in Scherben. Hans Weiß aus Laußnitz hat die Schreckensnacht als Kind miterlebt. Mit Mutter und Bruder sitzt er in der Nähe des Hauptbahnhofes in einem Keller, als die Bomben fallen.

Je länger der 13. Februar 1945 zurückliegt, desto weniger Zeitzeugen gibt es, die die Bombardierung Dresdens selbst miterlebt haben. Der 88 Jahre alte Hans Weiß aus Laußnitz zählt zu dieser Generation. Er hat die Ereignisse noch lebhaft in Erinnerung. "Mittlerweile ist es 80 Jahre her. Aber man denkt daran, als wäre es vor zwei oder drei Jahren gewesen", beschreibt Weiß seine Wahrnehmung.

Ein älterer Mann und seine Frau schauen sich einen Text an. 1 min
Bildrechte: MDR/Stephan Hönigschmid
1 min

MDR FERNSEHEN Mi 12.02.2025 16:27Uhr 00:44 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/video-bombe-angriff-zeitzeuge-erinnerung-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Harmonischer Wintertag mit Sonnenschein

Im Februar 1945 lebt er gemeinsam mit seiner Mutter und seinem zwei Jahre älteren Bruder in einer Hinterhauswohnung in der Gutzkowstraße nahe des Hauptbahnhofs. Der Vater ist als Soldat im Krieg, sodass die Familie allein klarkommen muss. Wenn Hans Weiß heute an den 13. Februar zurückdenkt, erinnert er sich zunächst an einen ruhigen, harmonischen Tag.

Wir haben nicht damit gerechnet, dass es diesmal so schlimm wird.

Hans Weiß Zeitzeuge über die Luftangriffe auf Dresden

"Es war ein herrlicher Tag mit Sonnenschein. Meine Mutter hatte Wäsche gewaschen und wir Kinder sind auf dem Hof herumgerannt." Weil Faschingsdienstag war, seien auf der Straße immer wieder Kinder in Faschingskostümen vorbei gelaufen. "Das ging die ganze Zeit so - bis zum Abend."

Ein Kind sitzt in einem Hinterhof.
Hans Weiß als kleines Kind im Garten während der Osterfeiertage 1938 - ein Jahr vor Beginn des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Polen. Bildrechte: Familie Weiß/Repro: MDR/Stephan Hönigschmid

Obwohl sich das mitten im Zweiten Weltkrieg wie ein normaler Alltag anfühlt, erinnern spätestens die Sirenen am Abend daran, dass die Lage ernst ist. "Wir waren es ja gewöhnt. Fliegeralarm gab es schon lange. Wenn die Sirenen erklangen, ist man in den Keller gegangen." Von daher sei der 13. Februar zunächst nicht anders als andere Tage gewesen. "Wir haben nicht damit gerechnet, dass es diesmal so schlimm wird."

Reichlich 40 Menschen suchen Schutz im Keller

Er und sein Bruder hätten in dieser Zeit wegen des häufigen Fliegeralarms immer zeitig ins Bett gemusst. "In der zehnten Stunde kam dann unsere Mutter plötzlich ins Zimmer und sagte: 'Schnell raus, die Sirenen gehen. Wir müssen in den Keller'." Gemeint ist der Keller des Vorderhauses in der Gutzkowstraße Nummer 6. "Dort suchten jeweils 15 bis 20 Menschen aus dem Vorderhaus und aus dem Hinterhaus Schutz", sagt Weiß.

Mehrere Personen stehen auf einem Hof.
Hans Weiß auf dem Arm seiner Mutter (Mitte) zusammen mit Nachbarn auf dem Hof des Wohnhauses in der Gutzkowstraße. Bildrechte: Familie Weiß/Repro: MDR/Stephan Hönigschmid

Ängstliche Blicke an die Kellerdecke

Je lauter es draußen wird, desto stiller ist es im Keller. "Kaum jemand sagte etwas. Wir haben nur ständig die dumpfen Geräusche der Flieger gehört, bevor es dann knallte, wenn die Bomben einschlugen." Ängstlich hätten alle auf die Zimmerdecke geblickt. Jeder habe Sorge gehabt, dass die Decke reißt. "Für kurze Zeit war dann auf einmal Ruhe. Meine Mutter und meine Tante sind kurz raus aus dem Keller und haben gesehen, dass bei uns im Hinterhaus schon alles brannte."

Kellertür in Flammen - Ausstieg übers Fenster

Wenig später habe es die nächste Angriffswelle gegeben. Als auch diese vorüber ist, sollen die Bewohner den Keller verlassen. Aber die Kellertür steht in Flammen. "Wir mussten deshalb zum Fenster raus auf die Straße. Jeder wurde nacheinander rausgezogen", lässt Hans Weiß die heikle Situation noch einmal Revue passieren.

Feuerroter Himmel und Funkenregen

Eindrucksvoll ist auch der Blick zum Himmel: "Er war feuerrot und es gab einen Funkenregen, als ob es schneien würde." Die sogenannten Christbäume, mit denen die Bomber das Zielgebiet markiert haben, sieht Hans Weiß hingegen nicht. "Aus Gesprächen weiß ich, dass man die vor allem außerhalb von Dresden gesehen hat."

Vorbei an der brennenden Schule

Mit befeuchtetem Mundschutz fliehen Hans Weiß, sein Bruder und seine Mutter anschließend Richtung Beutlerpark. "Das war etwa nachts um zwei oder halb drei. Dort haben wir uns kurzzeitig niedergelassen." Weil seine Tante eine Wohnung in Nickern hat, fällt die Entscheidung, da unterzukommen. "Vorbei an meiner brennenden Schule sind wir zur Teplitzer Straße gelaufen und von dort gen Nickern. Das war ein ordentlicher Fußmarsch. Wir waren bestimmt zwei Stunden unterwegs."

Als Kind hat hat man das nicht so gespürt. Ich habe nicht groß über die Erlebnisse rund um den Bombenangriff nachgedacht, sondern einfach funktioniert.

Hans Weiß Zeitzeuge

Traumatisiert haben diese Erlebnisse Hans Weiß in diesem Moment nicht. "Als Kind hat hat man das nicht so gespürt. Ich habe da nicht groß drüber nachgedacht, sondern einfach funktioniert", blickt Hans Weiß zurück. Ein neues Zuhause findet die Familie in Laußnitz bei Ottendorf-Okrilla, wo seine Mutter herstammt. Hans Weiß lernt nach dem Krieg den Beruf des Pressglasmachers und gründet eine eigene Familie.

Warum Dresden 45 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Zeitzeuge will Erinnerung wachhalten

Jahrzehntelang führt er ein normales Leben. Der Alltag zieht ein. Nur einmal im Jahr um den 13. Februar ist alles ein wenig anders. "Die Angriffe auf Dresden haben mich lange beschäftigt. Jedes Jahr, wenn der Tag kommt, ist alles wieder sehr präsent." Er habe sich viel mit dem Thema beschäftigt und auch Videos dazu gekauft. "Ich finde es wichtig, das Gedenken an den 13. Februar wachzuhalten", sagt Hans Weiß mit Blick darauf, dass es in einigen Jahren keine Zeitzeugen des 13. Februars mehr geben wird.

Mehr zum Thema

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 13. Februar 2025 | 09:30 Uhr

Mehr aus der Region Dresden

Kultur

ein schwarz/weiß-Foto: Ein Jahr vor der Wiedereröffnung der wieder aufgebauten Semperoper wird der Schmuckvorhang am 2. Juni 1984 von vielen Menschen auf der Bühne ausgerollt
Der Schmuckvorhang der Semperoper trennt die Bühne vom Zuschauerraum. 1875 vom Maler Ferdinand Keller geschaffen, wurde er nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg originalgetreu nachgebildet. Hier wird er am 2. Juni 1984 ausgerollt. Bildrechte: Semperoper Dresden/Erwin Döring

Mehr aus Sachsen