"Ermöglicher, nicht Patriarch" Dresden: Peter Theiler als Semperoper-Intendant verabschiedet
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30. Juni 2024, 10:01 Uhr
In Dresden ist Peter Theiler am Samstagabend als Intendant der Semperoper verabschiedet worden. Zu seiner Bilanz gehören mehr als 44 Opern- und neun Ballett-Neuproduktionen. Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch würdigte den 68-Jährigen für sein Wirken mit "schweizerischen Feingefühl". Er habe die Tradition gepflegt, aber auch immer wieder "das Feuer von Neuem, von Experimentellem entfacht". Der gebürtige Schweizer bedankte sich, es sei eine große Ehre, dieses Haus zu leiten. Es müsse sich zugleich immer wieder neu beweisen, um ganz vorne mitzuspielen sagte er im Gespräch mit MDR KULTUR.
- Am Samstag ist Peter Theiler als Intendant der Semperoper Dresden verabschiedet worden. Seine Nachfolgerin ist Nora Schmid.
- Theilers sechsjährige Amtszeit war geprägt von der Überzeugung, gesellschaftlich relevantes Musiktheater bieten zu wollen.
- Für die Zeit nach seiner Intendanz hat Peter Theiler bereits einen vollen Kalender.
Seine Intendantenzeit sei jetzt zu Ende, erklärte Peter Theiler dem MDR. Er habe nahtlos 28 Jahre lang vier Häuser geleitet, vom kleinen Landestheater in der Schweiz bis zur großen Semperoper. "Was soll denn danach noch kommen?", fragte der 68-Jährige.
Die Semperoper, das ist einfach ein großes Opernhaus – was soll denn danach noch kommen?
Am Ende seiner langen Intendantenkarriere stand als Höhepunkt die Amtszeit an der Semperoper, obwohl diese mit sechs Jahren kürzer war als anfangs erwartet.
Dresden im Herzen
Auch die Semperoper müsse sich immer wieder neu beweisen, gab Theiler im Gespräch zu bedenken. Es sei nicht so, dass "alles immer nur gegeben ist, einfach nur, weil man Semperoper, weil man Dresden ist." Dresden müsse ganz vorne mitspielen. "Wir sind in einer Liga mit der Bayerischen Staatsoper, mit der Staatsoper in Berlin, mit Paris, mit London, mit Mailand", erklärte der scheidende Intendant.
Wir brauchen die Menschen von außen und gleichzeitig müssen wir die Dresdner mitnehmen.
Das bringe aber auch Herausforderungen mit sich. Denn die genannten Städte haben mehr Einwohner. Dresden dagegen ist vergleichsweise klein, daher müsse man neben Dresdnerinnen und Dresdnern auch Menschen außerhalb Sachsens abholen – die immerhin die Hälfte des Semperopern-Publikums ausmachten.
Der Stadt wird Theiler wohl verbunden bleiben. Seine Frau und er fänden Dresden eine sehr lebenswerte Stadt. Nach zahlreichen Umzügen durch Berufungen an verschiedene Theaterhäuser seien sie hier gern, erzählte Theiler.
Meine Frau und ich finden Dresden eine sehr lebenswerte Stadt und sind hier ganz gerne.
Zuverlässiger Leiter in stürmischen Zeiten: "Ermöglicher, nicht Patriarch"
Er schaue immer nach vorne und sei ein optimistischer Mensch, beschrieb sich Theiler im Gespräch selbst. Das hat wohl auch beim Management der Operngeschäfte während der Corona-Pandemie geholfen, die große Teile seiner Intendanz bestimmte. Währenddessen habe er Demut gelernt und wie schnell ein Plan sich ändern könne, wie man mit Unsicherheiten umgehe.
Mein Naturell ist immer so ein bisschen vorausblickend und optimistisch.
Als Intendant sei er Ermöglicher gewesen, "ohne den Patriarchen rauszuhängen". Theiler erklärte, wie ein Intendant sein Haus führe, sei eine Frage der Zusammenarbeit mit beispielsweise dem Chefdirigenten der Staatskapelle Dresden Christian Thielemann oder mit anderen Spartendirektoren, Dramaturgen etc. Ihm ist wichtig, dass er während seiner Intendanz Wert auf ein gutes Arbeitsklima auf Augenhöhe legte.
Musiktheater von gesellschaftlicher Relevanz
Auch in seiner inhaltlichen Arbeit hat Peter Theiler starke Prinzipien vertreten: "Mich interessiert nur gesellschaftlich relevantes Theater", machte er bei MDR KULTUR deutlich. "Ob ich jetzt eine Oper von Monteverdi mache oder eine von Detlev Glanert – letzten Endes brauche ich eine Aussage, die einen Bezug hat zu unserer Zeit."
Mich interessiert nur gesellschaftlich relevantes Theater.
Als Besipiele nannte er gesellschaftliche Transformationsprozesse, Kriege oder "populistische Aspekte, die die Grundlage unserer demokratischen Ordnung bedrohen." Deswegen habe Theiler zu Beginn seiner Amtszeit an der Semperoper "Moses und Aron" inszeniert, "weil da das Wort gegen die Verführung durch einfache Lösungen steht", erklärte Theiler. Die Neuproduktionen der vergangenen Jahre waren aus seiner Perspektive geprägt von den Themen Mensch, Würde, Toleranz und Lebensbedingungen.
Voller Kalender jenseits der Semperoper
Obwohl seine Zeit als Intendant nun vorbei ist, füllt sich bereits der Terminkalender jenseits der Semperoper, räumte Theiler ein. Er gehe in einen "Unruhestand", könne nicht die Hände in den Schoß legen. Lehraufträge, Vorträge, Jurytätigkeiten und Beratungsaufgaben warten nun auf ihn.
Selbstverständlich gehe ich in den Unruhestand, ich kann nicht einfach die Hände in den Schoß legen.
Er freue sich aber auch auf mehr Zeit für sich und seine Frau, auf Urlaub außerhalb von Spielpausen. Nicht mehr in einem so großen System eingebaut zu sein und sich nervenaufreibend um alle, auch kleine Dinge der Semperoper kümmern zu müssen, darauf blickt Theiler mit Vorfreude.
Überraschend frühes Ende der Intendanz
Peter Theiler war von der Kunstministerin Eva-Maria Stange zum Intendanten der Semperoper Dresden berufen worden. Sein Vertrag begann mit der Spielzeit 2018/2019 und war zunächst auf fünf Jahre angelegt. 2021 verlängerte Kulturministerin Barbara Klepsch den Vertrag überraschend nur um ein Jahr bis zur Spielzeit 2023/24, üblich sind zwei bis vier Jahre Verlängerung.
Frustriert sei er darüber nicht gewesen, eher erstaunt, sagte er. Mittlerweile freue er sich auf die Zeit nach der Intendanz. Laut Theiler ist jetzt ein guter Moment, um die Semperoper in guter Verfassung an seine Nachfolgerin Nora Schmid zu übergeben.
"Als Anti-Stress-Programm brauche ich Oper", so der Opernliebhaber lachend mit Blick auf den neuen Lebensabschnitt, wohl zufrieden darüber, dass er seine Leidenschaft so viele Jahre wirksam zum Beruf machen konnte.
Zu Theilers Bilanz gehören mehr als 1.500 Aufführungen, darunter 44 Opern- und neun Ballett-Neuproduktionen. Drei Opern wurden als Auftragswerke der Semperoper in Dresden uraufgeführt, dazu fünf Ballette. Theiler bedankte sich bei der Verabschiedung am Samstagabend bei allen Sparten und Gewerken der Sächsischen Staatsoper. Es sei eine große Ehre, dieses Haus zu leiten, sagte er und wünschte seiner Nachfolgerin und Landsfrau Nora Schmid alles Gute für das Amt.
Quellen: MDR (Bettina Volksdorf, Andreas Berger)
Redaktionelle Bearbeitung: hro, bh, ks
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 25. Juni 2024 | 18:05 Uhr