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15. Februar Großeinsatz der Polizei: 2.000 Rechtsextremisten stehen 4.000 Gegenprotestler gegenüber
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15. Februar 2025, 18:04 Uhr
Dresden hatte am Donnerstag mit offiziellen Gedenkfeiern und Konzerten den 80. Jahrestag der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg gedacht. Am Sonnabend gab es wieder Demos. Rechtsextremisten liefen als "Trauerzug" durch die Stadt. Dagegen regte sich an mehreren Stellen Protest. Die Polizei ermittelt nach dem Großeinsatz gegen mehrere Demo-Teilnehmer.
In Dresden sind Neonazis bei einem sogenannten Gedenkmarsch durch die Stadt gelaufen. Nach Polizeiangaben waren rund 2.000 Rechtsextremisten zum Bahnhof Mitte und zum angemeldeten "Trauermarsch" gekommen. Die rechtsextremen Anmelder sprachen von rund 3.500 Teilnehmenden. Das Landesamt für Verfassungsschutz hatte Anreisen von Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland erwartet. Denn der Jahrestag der Zerstörung Dresdens sei "für die rechtsextremistische Szene in ganz Deutschland ein Pflichttermin", sagte Verfassungsschutzpräsident Dirk-Martin Christian vor dem Wochenende.
Polizeibilanz: Fünf Angriffe auf Beamte, Sachbeschädigungen
Auch die Polizei hatte sich auf mehr Rechtsextremisten als üblich zu diesem Anlass eingestellt. Sie war mit insgesamt 1.900 Beamten aus acht Bundesländern im Einsatz. Entlang der Aufzugsstrecke des rechten "Gedenkmarsches" gab es seit dem Vormittag Straßenblockaden von Gegenprotestlern aus der Stadtgesellschaft und Anhängern der linken Szene. Das Protestbündnis Wiedersetzen nannte eine Teilnehmerzahl von rund 4.000 Menschen, die gegen den Missbrauch des Gedenkens durch Neonazis protestierten. Am späteren Mittag waren mehrere Sitzblockaden der linken Seite von der Polizei geräumt worden.
Mehrere Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet: Auch gegen fünf Männer (21, 21, 34, 39, 46 Jahre alt) wegen tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte. "Die Deutschen traten nach Polizisten oder warfen mit Dosen auf Einsatzkräfte. Ein 34-jähriger Deutscher zeigte an der Freiberger Straße den Hitlergruß", bilanzierte die Polizei. Zudem ermittelt sie wegen Sachbeschädigungen. An mehreren Autos beschädigten Unbekannte unter anderem Reifen und Scheiben.
Verstöße gegen Allgemeinverfügung
Vor Beginn des Neonazi-Aufmarsches kontrollierten Beamte die Versammlung. Dabei stellten sie 39 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, Waffengesetz und gegen die Allgemeinverordnung der Stadt Dresden fest. Unter anderem hatten Teilnehmer Protektorenhandschuhe, Einhandmesser, Schlagringe und Pfefferspray dabei oder trugen Springerstiefel. Weitere Männer zeigten laut Polizei verbotene Zeichen oder hatten die sichtbar tätowiert.
Herausforderung: Grundrechte für alle wahren
Die Dresdner Polizei zog am Nachmittag ein positives Fazit: "Wir haben unsere gesteckten Ziele erreicht. Das Recht auf Versammlungsfreiheit wurde gewahrt, Protest in Hör- und Sichtweise ermöglicht - und das während des gesamten Versammlungsaufzuges der Rechtsextremen" sagte Polizeisprecher Mario Laske kurz vor Ende der Kundgebungen.
Der Gegenprotest verfolgte laut Polizei das Ziel, den rechten Aufzug zu verhindern. Konfrontationen unter Wahrung der Grundrechte aller Versammlungsteilnehmer zu entschärfen, galt für die Polizei nach deren Angaben als die größte Herausforderung.
Mehr als ein Dutzend Demos waren von Initiativen und Parteien sowie linker Seite angemeldet worden. Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hatte zuvor zu friedlichen Protesten aufgerufen. Polizeisprecher Thomas Geithner hatte MDR SACHSEN vor dem Großeinsatz gesagt: Der Sonnabend werde "weitaus dynamischer" als der Gedenktag am Donnerstag. Denn es gebe diesmal keine stationären Kundgebungen, sondern Demozüge.
Umleitungen, gesperrte Straßen und Parkplätze
Die Polizei Dresden hatte auf Verkehrseinschränkungen und gesperrte Parkplätze hingeweisen, die am Samstag nicht nutzbar waren.
Folgende Straßen und Parkplätze sind gesperrt (zum Ausklappen):
- Am Sonnabend waren die Parkplätze Schießgasse, Pirnaischer Platz und Reitbahnstraße gesperrt.
- Je nach Versammlungsgeschehen kam es rings um den Hauptbahnhof, in der Inneren Altstadt, Wilsdruffer Vorstadt/Seevorstadt-West, Friedrichstadtund Richtung Wilsdruffer Straße/Altmarkt zu Sperrungen.
- Auch bei Bussen und Straßenbahnen kam es teilweise zu Beeinträchtigungen.
- Besucher sollten die Umleitungen wegen der teileingestürzten Carolabrücke Richtung Albertbrücke (B170) beachten und dass das Terrassenufer gesperrt ist.
Verbot bestimmter Gegenstände und Lautstärke-Regeln
Wegen der Versammlungen am 15. Februar hatte die Landeshauptstadt Dresden zur Gefahrenabwehr ein Verbot zum Mitführen bestimmter Gegenstände sowie eine Lautstärkebeschränkung für Versammlungen angeordnet. Dafür wurde eine Allgemeinverfügung erlassen, die am 15. Februar von 6 bis 24 Uhr galt.
Das Verbot umfasst auch folgende Gegenstände:
- Metallstangen, Baseballschläger
- Flaschen, Becher, Krüge oder Dosen, die aus zerbrechlichem, splitterndem oder besonders hartem Material bestehen
- Ketten (ausgenommen Schmuck)
- Pyrotechnik aller Art
- Fackeln und offenes Feuer
- Steine, Scheren, Farbbeutel, Arbeits- und Protektorenhandschuhe
- Messer (sofern nicht bereits nach § 42a Waffengesetz und § 9 Abs. 1 Nr. 1 SächsVersG verboten)
Außerdem verboten in Versammlungen:
- das Tragen von Uniformen oder Uniformteilen oder von Kleidungsstücken, die ein einheitliches Erscheinungsbild vermitteln, einschüchternd wirken oder Gewaltbereitschaft vermitteln
Zum Verbot gehören auch Kombinationen mehrerer Gegenstände oder Verhaltensweisen:
- Bomberjacken, schwarze Springerstiefel mit und ohne Schnürsenkel
- einheitlich schwarze Bekleidung, z.B. schwarze Schuhe, schwarze Hose, schwarze Jacke, schwarzes Basecap oder Mütze, schwarzer Mundschutz, Sonnenbrille
- militärische Kopfbedeckungen, Fackeln, Gegenstände mit der Abbildung des Keltenkreuzes
- geschlossenes Marschieren, vor allem im Gleichschritt, in Blöcken, Zügen und/oder Reihen
- Schlagen von Marschtakt auf Trommeln
- eine Block- oder Formationsbildung unter Zuhilfenahme von Fahnen, Transparenten oder sonstigen Kundgebungsmitteln beispielsweise als Rahmen oder Spalier
- das Auftreten mit gleichfarbiger Oberbekleidung in Kombination mit militärischer oder militärähnlicher Marschordnung
- geschlossenes Auftreten mit aufgespannten Regenschirmen, welche vor das Gesicht gehalten werden
Die Anordnung gilt in folgendem Bereich:
- Ostra-Ufer, Devrientstraße, Bernhard-von-Lindenau-Platz, Terassenufer
- Sachsenplatz, Sachsenallee, Güntzplatz, Güntzstraße, Straßburger Platz, Lennéstraße, Lennéplatz, Gerhard-Hauptmann-Straße, Richard-Strauss-Platz, Strehlener Platz, Teplitzer Straße
- Zellescher Weg, Fritz-Förster-Platz, Nürnberger Straße, Nürnberger Platz, Nossener Brücke, Löbtauer Brücke,
- Löbtauer Straße, Weißeritzstraße
Historiker: 25.000 Tote bei Bombenangriffen
Die ehemalige Residenzstadt war am 13. Februar 1945 und in den Tagen danach durch alliierte Bomben zerstört worden. Seit Ende der 1990er-Jahre melden Neonazis und rechtsextreme Organisationen sogenannte Trauermärsche zum Gedenken an. Die Rechtsextremen sehen darin ein Kriegsverbrechen der Alliierten und relativieren die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg. Dafür vereinnahmen sie mit übertriebenen Opferzahlen des Gedenken für ihre Zwecke. Nach Recherchen von Historikern verloren bis zu 25.000 Menschen ihr Leben.
Den Abschlussbericht der Historikerkommission zu den Luftangriffen auf Dresden und ermittelten Opferzahlen im Februar 1945 lesen Sie hier.
Eigentlicher Gedenktag am Donnerstag sehr ruhig
Den 80. Gedenktag zur Zerstörung Dresdens hatte die Stadtgesellschaft am Donnerstag gewürdigt. Rund 10.000 Menschen kamen am Donnerstagabend zur Menschenkette und schlossen symbolisch einen Ring um die wiederaufgebaute Altstadt. Bei Trauerstunden, Konzerten, Gesprächsrunden mit Schülern aus Dresdner Partnerstädten, Andachten und Aktionen vor dem Kulturpalast erinnerten die Bürger und Gäste an die Opfer von Kriegszerstörung. Gleichzeitig betonten sie auch die Verantwortung, die daraus für heutige Generationen besteht. Das Gedenken richtete sich laut Stadt "gegen jegliche politische Instrumentalisierung".
MDR (lam/kk)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 15. Februar 2025 | 19:00 Uhr