Ausstellung Wie junge Künstler auf Goethes "Faust" blicken
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19. Februar 2025, 03:00 Uhr
Auerbachs Keller feiert in diesem Jahr sein 500-jähriges Jubiläum. Bekannt geworden ist das Leipziger Traditionslokal durch Goethes "Faust". Schräg gegenüber vom Eingang zu Auerbachs Keller liegt in Leipzigs Mädlerpassage das Mädler Art Forum. In einer neuen Ausstellung haben sich Studentinnen und Studenten der HGB dort mit Goethes "Faust" auseinandergesetzt. Was können sie mit "des Pudels Kern" anfangen? Enstanden sind bemerkenswerte Buchobjekte, Druckgrafiken und Plakate.
- Für eine Ausstellung haben sich Studierende der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) mit Goethes "Faust" auseinandergesetzt.
- Plakate, Grafiken und Buchprojekte hinterfragen die Faust-Figur größtenteils kritisch.
- Die Arbeiten sind sehr empfindungsvoll und stellen auch die Gretchen-Figur in den Fokus.
Lange hat kein Pudel mehr von der Wand einer Kunstausstellung geschaut, eher vom Sockel, wenn man an Jeff Koons Skulpturenserie "ballon dog" denkt. Seit Jahrzehnten schon steht der Mode-Hund unter Kitsch-Verdacht. Da helfen auch Goethe, Internet und Werbung nicht. Sie alle inszenierten das lockige Haustier als Knalleffekt.
Ausstellung will Szenen aus Faust neu zeigen
Miriam Jehle und Nathalie Lange, Studentinnen der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, haben in der neuen Schau des Leipziger Mädler Art Forums trotz vieler "Aber" auf den Pudel gesetzt – in einer Ausstellung, die versucht, Szenen aus Goethes "Faust" bildlich neu zu fassen. Nathalie Lange war in einem ganzen Kunstbuch über Faust und den Pudel zuständig für die Typografie, spielte mit altdeutschen Lettern.
Miriam Jehle zeigt in der Ausstellung unter anderem die Radierung samt Druckplatte eines kapitalen Pudels, detailreich – heute selten – im Zeichenstil vom aktuellen Kolorit geprägt, zu dem auch ungeschorene Pudel gehören. Jehle setzt grafisch auf das Motiv der doppeldeutigen Verlockung, erzählt sie: "Der Lockenwickler steht für das Prätentiöse. Faust ist zwar nicht der Pudel, aber ein Hochstapler – nicht wirklich der Mann, der er vorgibt zu sein."
Er ist ja der große Macker der Geschichte!
Der kritische Blick auf Goethes Faust
Seit Urzeiten wird Faust als Prototyp des so genannten "faustischen Menschen" gepriesen, der ewig sucht, rastlos nach dem Höchsten und Tiefsten strebt, eben ein Mensch ist. Er war für seine Studentinnen und Studenten die unbeliebteste Person im ganzen Stück, schildert HGB-Professor Christian Weihrauch, der die Druckwerkstätten der Hochschule sowie die Ausstellung betreut. "Mir fällt auf, dass die unheimliche, unkalkulierbare, machtbewusste Person Faust stark kritisiert wird und nicht so gut in der Ausstellung wegkommt", kann sich Weihrauch der Wahrnehmung seiner Studierenden nur beugen.
500 Jahre Auerbachs Keller (zum Aufklappen)
In diesem Jahr feiert das historische Gasthaus in Leipzig 500. Jahrestag, denn 1525 schenkte der Mediziner und Universitätsprofessor Heinrich Stromer von Auerbachs im Keller seines Hauses das erste Mal Wein an Studenten aus. Weltweit bekannt wurde Auerbachs Keller durch die gleichnamige Szene in Johann Wolfgang von Goethes Werk "Faust".
Faust neu gedichtet
27 Studentinnen und Studenten haben am "Faust"-Projekt im Mädler Art Forum mitgewirkt, das einen ganzen großen Ausstellungssaal fasst. Originalgrafische Plakate, eine Grafik-Kassette und fünf Buchprojekte sind entstanden. Nicht nur Kunststudierende haben mitgemacht, sondern auch etliche des Literaturinstituts. Sie dichteten "Faust" kurzerhand neu, zur Buchmesse werden sie vor Publikum lesen.
"Ich finde die Figur Faust spannend als selbsternanntes Genie, er ist nicht weit weg von Rockstar-Charakteren, dann muss er auch noch die Frau aufreißen, nebenbei", schildert Elias Saile sein Verständnis der Faust-Figur. Saile hat mit Lithografien ein Kunstbuch über sie illustriert und bebildert den Stoff nicht en détail, sondern eher mit unkonkretem Bezug, etwa Tanzszenen. Comicelementen begegnet man in der Ausstellung öfter.
Gretchen im Fokus
Die Gedanken der Studentinnen provozierte insbesondere Gretchen, die große Verliererin des ungleichen Trios bei Goethe. Naima Amrain schuf Holzschnitte, abstrahierte figürlich Gretchens Kerker-Szene, eckige Formen betonen die Kälte, die Farbe Gelb verkündet im Grundton den kommenden Wahnsinn und Tod der jungen Frau.
"Im Grassimuseum haben wir uns Illustrationen zu Faust angeschaut und es gab unglaublich wenige Gretchendarstellungen", wirkt Amrain sichtlich bewegt. "Deshalb war die Gretchen-Geschichte für mich interessant. Sonst ging es immer nur um Faust, was in unendlichen Variationen wiederholt wird. Er ist ja der große Macker der Geschichte!"
Emotionaler Blick auf Goethes Werk
Ganz klar vorbei sind die Zeiten, in denen Illustratoren und Künstler minutiös jedes textliche Detail von Goethes Faust nachempfanden und ausschmückten. Ohne innerlich auf die Knie zu fallen, mit überraschender seelischer Anteilnahme sind die Videospiel-und-Horrorfilm-gestählten Leipziger Kunststudierenden "Faust, die Tragödie" angegangen. Durch ihre Sichtwinkel wird das Drama nun empfindungsvoll und sehr romantisch neu belebt. "Die Angelegenheiten unseres Lebens haben einen geheimnisvollen Gang, der sich nicht berechnen lässt", möchte man ihnen dann doch ganz leise zurufen. Dieser Spruch Goethes stammt nicht aus dem "Faust", aber aus "Wilhelm Meisters Wanderjahren".
Informationen zur Ausstellung
"Faust 500"
20. Februar – 21. Juni 2025
Ein Projekt mit Studierenden der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig anlässlich des 500. Jubiläums von Auerbachs Keller 2025
Mädler Art Forum
Grimmaische Strasse 2-4
04109 Leipzig
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Samstag, 14 bis 18 Uhr
Eintritt frei
Mit Beiträgen von: Naima Amrain, Ronny Aviram, Milan Br Aun, Fritzi Bosch, Eva Burmeister, Leo Flügler, Leon Friederichs, Toni Gerhardt, Kristina Hajduchova, Hendrik Heinicke, Arina Heinze, Kassandra, Miriam Jehle, Victoria Kerkewitz, Kazuki Koga, Tobias Kurpat, Nathalie Lange, Leon Von Der Lippe, Tina Pagel, Michèle Yves Pauty, Jule Oberg, Elias Saile, Konstantin Schmidtbauer, Amelie Staudhammer, Finn Tubbe, Maria Wagner, Meta Weckesser, Gustav Körnig
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 19. Februar 2025 | 08:40 Uhr