Vogtland Warum der Internationale Akkordeonwettbewerb Klingenthal abgesagt wurde
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19. Januar 2024, 16:30 Uhr
Extrem kurzfristig wurden der Internationale Akkordeonwettbewerb in Klingenthal und der Nachwuchswettbewerb "Kleine Tage der Harmonika" abgesagt. Die Gründe dahinter sagen viel darüber, wie die Veranstaltungen weiterbestehen könnten.
- Geringe Kürzungen in der Finanzierung des Akkordeonwettbewerbs haben zur Absage geführt.
- Hinzu kommt die schwierige personelle Lage, da der Wettbewerb maßgeblich in Personalunion organisiert wird.
- Klingenthal möchte den Wettbewerb erhalten und sucht auch nach einer Lösung für die kommenden Jahre.
Den Akkordeonwettbewerb in Klingenthal Jahr für Jahr zu finanzieren – das war noch nie einfach, sagte der langjährige Wettbewerbsorganisator Jörg Künzl am Freitag im Gespräch mit MDR KULTUR. Es sei immer schon ein buntes Konstrukt gewesen. Der Internationale Akkordeonwettbewerb und der Nachwuchswettbewerb "Kleine Tage der Harmonika" waren am Mittwoch für dieses Jahr kurzfristig abgesagt worden.
Etwa 108.000 Euro sollte der Wettbewerb diesmal kosten – laut der Kalkulation von Jörg Künzl. 50 Prozent der Kosten übernehme der Kulturraum Vogtland-Zwickau. Dieser Zweckverband unterstützt auf Grundlage des Sächsischen Kulturraumgesetzes regional bedeutsame Einrichtungen und Projekte im ländlichen Raum. Er bezieht dafür Gelder als Landeszuweisung vom Freistaat Sachsen. Zu zehn Prozent finanziert den Wettbewerb die Stadt, ein bis zwei Prozent der Kosten übernimmt die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Die übrigen etwa 40 Prozent kamen bisher von Sponsoren und Stiftungen.
1.400 Euro weniger Fördermittel vom Land
Der Kulturraum Vogtland Zwickau hat seine Förderung aufgrund neuer Richtlinien gekürzt – allerdings nur minimal, statt 50 Prozent der Kosten hat er nur noch 48,7 Prozent bewilligt, das waren am Ende 1.400 Euro weniger.
Keine große Summe, aber entscheidend, denn gleichzeitig werde es auch immer schwieriger, Sponsoren zu gewinnen und damit die restlichen Gelder aufzubringen, so Künzl. So habe es am Ende nicht mehr zur Finanzierung des Wettbewerbs gereicht. Künzl sagte: "Der Förderverein des Wettbewerbs ist momentan nicht in der Lage, das Geld aufzubringen."
Anfällige personelle Struktur
Seit 2014 organisiert Jörg Künzl den Internationalen Akkordeonwettbewerb. Er ist dafür bei der Stadt Klingenthal angestellt, verkürzt, auf 30 Stunden. Er kennt sich aus, weiß, wo es Fördermittel gibt, wann welcher Schritt zu tun ist, er steht in Kontakt mit den Juroren und der Akkordeonfachwelt. Über die Jahre hat er viel Herzblut in den Wettbewerb gesteckt, ihn ins digitale Zeitalter geführt und viel Wissen angesammelt.
Wissen, das kein anderer hat, denn Jörg Künzl macht den Job alleine. Nun ist er aber seit einiger Zeit gesundheitlich angeschlagen. Doch strauchelt Jörg Künzl, dann strauchelt auch der Wettbewerb. Denn ohne seine Expertise ist es aktuell kaum möglich, den Wettbewerb auf die Beine zu stellen. Nicht allein deshalb müsste dringend mindestens eine weitere Person eingearbeitet und mit der Organisation vertraut gemacht werden.
Künzl beabsichtigt, in Kürze in den Ruhestand zu gehen. Dass es keinen potenziellen Nachfolger gibt, setzt ihn zusätzlich unter Druck. Das brauche ja auch einiges an Vorlauf, mahnt er: "So einen Nachfolger, den muss man ja nicht nur finden, den muss man dann auch einarbeiten."
Auch die Stadt Klingenthal weiß, dass ein Nachfolger gefunden werden muss. Doch man geht hier sehr zögerlich mit dem Thema um, vielleicht auch deshalb, weil eine zusätzliche Stelle während der Einarbeitungszeit ja auch wieder erhöhte Kosten bedeutet.
Nachfolge schwer zu finden
Einen Nachfolger zu finden, dürfte das nächste Problem sein. Die Stelle scheint zwar attraktiv für musik- und kulturbegeisterte Jobsuchende. Doch Klingenthal liegt im ländlichen Raum. Dort ist es insgesamt schwieriger, geeignete Mitarbeitende zu finden. Die Stellen sind oft wesentlich schlechter bezahlt als vergleichbare Stellen in der Stadt, außerdem erfordern sie – gerade bei dem Wettbewerb – hohe Flexibilität und streckenweise unglaublich viel Arbeit.
Gut ausgebildete Arbeitskräfte im ländlichen Raum zu finden – das ist ein großes Problem, das nicht nur der Klingenthaler Wettbewerb hat. Eine Chance jedoch könnte sein, dass die Menschen im Vogtland sehr heimatverbunden sind. Sie entscheiden sich möglicherweise trotz der Abstriche für so eine Stelle, um ein Stück Gutes für die Stadt und das musikalische Erbe zu tun.
Akkordeonwelt reagiert fassungslos
Dass der Wettbewerb nun definitiv abgesagt ist, das hat der Juryvorsitzende Stefan Hussong über die sozialen Medien erfahren. Eine Katastrophe sei das, sagte er MDR KULTUR.
Stefan Hussong blickt ein wenig ratlos nach Klingenthal. Bereits im November ist er über Schwierigkeiten bei der Finanzierung informiert worden. Aber bei so einem wichtigen Wettbewerb, dem, wie er sagt, ältesten und bedeutendsten für die internationale Akkordeonszene. Ob sich die Musikstadt Klingenthal dessen überhaupt bewusst ist?
Musikstadt – auch ohne den Wettbewerb?
Klingenthal ist ja bekannt als Musikstadt – der traditionelle Musikinstrumentenbau, mehrere Orchester, musikalische Traditionen, ein breites und vielseitig aufgestelltes Musikleben zeichnen die Stadt aus. Der Internationale Akkordeonwettbewerb ist dabei ein wichtiger Baustein. Denn er öffnet das Tor nach draußen, aus der Provinz in die weite Welt. Ein internationales Fachpublikum kommt mit dem Wettbewerb in die Stadt, bringt neue Ideen, sorgt für Austausch und trägt Klingenthal und den Ruf des Wettbewerbs hinaus. Seit mehr als 60 Jahren funktioniert das nun schon. Doch wird es in der Stadt gesehen? Oder genug geschätzt und gewürdigt?
Die Oberbürgermeisterin von Klingenthal hat auf die Gesprächsanfragen von MDR KULTUR zur Absage und Zukunft des Wettbewerbs bislang nicht reagiert. Ist man einfach nur ratlos? Oder hat man nichts zu sagen? Dennoch möchte die Stadt den Wettbewerb unbedingt erhalten und sucht auch nach einer Lösung zur Finanzierung für die kommenden Jahre. Ein neuer Haushaltsplan soll Abhilfe schaffen. Doch ist das schon genug? Der Wettbewerb wird außerdem kaum von der Bevölkerung Klingenthals wahrgenommen. Im Rahmenprogramm gab es in den letzten Jahren oft hochkarätige Musiker, erzählt Wettbewerbsleiter Jörg Künzl. Doch das Publikum fehlte.
Nachdenken über die Zukunft
Alle Blicke richten sich nun nach vorne. Wenn der neue Haushaltsplan steht, personell eine Lösung gefunden ist, dann könnte es 2025 wieder einen Wettbewerb geben. Doch es wäre naiv zu glauben, dass die Finanzierung künftig leichter und sicherer wird. Vielleicht könnte man dann auch an die Überlegung anknüpfen, die aus dem Kulturraum Vogtland-Zwickau kommt. Es gibt keine 20 Kilometer entfernt von Klingenthal und zur gleichen Zeit im Jahr den Internationalen Instrumentalwettbewerb Markneukirchen, der auch finanziell zu kämpfen hat. Vielleicht könnten sich diese beiden Wettbewerbe in der Zukunft zusammenschließen und damit ganz andere, größere Fördertöpfe aufschließen.
Quellen: MDR KULTUR (Antje Uebel), Homepage Internationaler Akkordeonwettbewerb Klingenthal, redaktionelle Bearbeitung: hro
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 19. Januar 2024 | 06:15 Uhr