Tagung in Chemnitz Was die DDR-Kunst der Wismut so besonders macht
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18. Juni 2024, 10:37 Uhr
Die deutsch-sowjetische Aktiengesellschaft Wismut war während des Kalten Krieges einer der größten Uranproduzenten weltweit. Zu ihrem Erbe gehört eine Kunstsammlung von 4.241 Werken, darunter 300 Gemälde. Der künstlerische Wert ist umstritten, die Frage ist, was mit der Sammlung geschieht. Nun veranstalten die Wismut-Stiftung und das Dresdner Institut für Kulturstudien eine Tagung in Chemnitz. Sie soll einen Neustart für die Arbeit mit der Wismut-Kunst einläuten. Hintergründe erklärt Paul Kaiser, Tagungsleiter und Direktor des Dresdner Instituts für Kulturstudien.
- Der Kulturwissenschaftler Paul Kaiser hebt als Besonderheit der Wismut-Kunstsammlung Überschneidungen zur Leipziger Schule und die umfassende Darstellung von Arbeit und Arbeitern hervor.
- In der Sammlung sind Namen wichtiger DDR-Kunstschaffender vertreten, wie Frank Ruddigkeit, Alexandra Müller-Jontschewa und Werner Petzold.
- Paul Kaiser zufolge hat sich in letzter Zeit die Einstellung zur Kunst aus der DDR verändert.
MDR KULTUR: Sie beschäftigen sich ja seit über einem Jahrzehnt mit der Wismut-Sammlung, haben mehrere Ausstellungen mit Kunstwerken aus dem Wismut-Bestand zusammengestellt, wie 2014 eine große Ausstellung in den Kunstsammlungen Gera. Was ist das Besondere an diesem Kunstschatz, der ja zumindest lange Zeit als reine Propaganda im Dienste eines prominenten, sehr ungewöhnlichen DDR-Unternehmens galt?
Paul Kaiser: Vor zehn Jahren haben wir die erste Tagung zur Wismut-Kunstsammlung in Gera gemacht, auch anlässlich der angesprochenen Sommerausstellung. Damals stand im Fokus: Was soll aus dieser Sammlung werden? Soll sie bewahrt werden? Soll sie ausgestellt werden? Soll sie auf immer ins Depot verschwinden? Es hat zehn Jahre gebraucht, bis sich in den Parteien und Parlamenten ein politischer Wille durchgesetzt hat, dass diese Sammlung zu erhalten sei.
Es gab Studien, es gab Drittmittelprojekte, es gab Machbarkeitsszenarien – bis es zum Abschluss eines Verwaltungsabkommens und der Gründung eben dieser Stiftung gekommen ist, die damit betraut ist, über das weitere Schicksal dieser Sammlung zu wachen.
Dann reden wir über das Potenzial dieser Kunstsammlung: Ist das eine regional orientierte, auf ein Unternehmen orientierte Kunst, die da geschaffen und eingekauft wurde? Oder geht das weit darüber hinaus?
Mit den Begriffen lokal, regional, international habe ich ein bisschen meine Probleme, da natürlich eine Sammlung, wenn sie einen Ort hat, natürlich immer auch einen Kontext in dieser Landschaft, in diesen Genealogien der Künstler vor Ort hat.
Das Besondere und Wertzuschätzende der Wismut-Kunstsammlung ist nicht die politische Metaphorik der frühen Auftragswerke – die es natürlich dort auch gibt, wie es sie auch in vielen Museumssammlungen gibt – sondern es sind eigentlich zwei Punkte.
Es ist zum einen, dass die Gründung dieser Sammlung ab Ende der 50er-Jahre parallel zur Etablierung der Leipziger Schule erfolgte und dass ab den 50er-Jahren der Kontakt zwischen der HGB in Leipzig und der Wismut sehr stark war, sodass sehr viele Künstler dort über lange Jahre gearbeitet haben und auch die Dozenten komplett in dieser Sammlung vertreten sind. Das ist das eine, also diese starke Parallel-Etablierung zwischen der Sammlung der Wismut und der Leipziger Schule. Das ist ja schon eine Pointe der Kunstgeschichte.
Und zum anderen eben – was heute auch die internationale Wahrnehmung dieser Sammlung stärkt – ist es diese doch einzigartige, dichte Thematisierung nicht nur des bergmännischen Lebens, sondern überhaupt der Darstellung von Arbeit und Arbeitern insgesamt.
Gibt es da Bilder, wo Sie sagen: Dass die nicht bekannter sind, ist schade?
Es sind sehr wichtige, auch regionale, lokale Künstler dabei, wie Karl-Heinz Westenburger zum Beispiel, aber eben auch Künstler der zweiten Generation der Leipziger Schule, Frank Ruddigkeit zum Beispiel oder Alexandra Müller-Jontschewa.
Aber eben auch Werner Petzold. Er war der wichtigste Maler der Wismut in den 70er-/80er-Jahren. Mitte der 80er-Jahre hat er Republikflucht begangen, war also keinesfalls ein angepasster, staatstreuer Maler. Er hat sehr große, auch viele Wandbilder realisiert, die insgesamt doch sehr überzeugend heute wirken, gerade auch für ein junges Publikum.
Können Sie noch einmal erklären was die Wismut, diese einzigartige deutsch-sowjetische Aktiengesellschaft, mit 4.241 Kunstwerken angestellt hat?
Ich glaube, die Quantität ist da nicht das Spektakulum, weil es sind ja letztlich "nur 300 Gemälde". Das ist auch eine Quantität, die Sie in kleineren Bezirks-Kunstmuseen der ehemaligen DDR haben. Denken Sie an Mansfeld, Leuna, Buna, Schkopau, Schwedt, das sind alles Standorte von Unternehmen, die in der DDR auch relativ große Kunstsammlungen angelegt haben – die heute gut behütet werden und dort stolz vorgezeigt werden.
Das ist entscheidend momentan. In gewisser Weise gibt es eine Identitätspolitik von unten, die von den Kommunen, von den Unternehmen, von den lokalen Netzwerken ausgeht, die nun mit dieser Kunst eine Identitätspolitik machen wollen. 20 Jahre hat sich keiner drum gekümmert.
Wenn Sie an die Außenwand-Bilder in Eisenhüttenstadt oder Hoyerswerda gehen, da ist sehr viel abgeschlagen worden. Heute gibt es einen regelrechten Run darauf, dass sich etwa die Wüstenrot-Stiftung darum kümmert, auch diese brachliegenden Kunstwerke wieder in einen neuen, sehenswerten Zustand zu bringen. Es hat sich sehr viel verändert, was die mentale Grunddisposition der Gesellschaft gegenüber dieser Kunst bedeutet.
Das Interview führte Thomas Bille für MDR KULTUR.
Quellen: MDR KULTUR (Grit Krause, Thomas Bille)
Redaktionelle Bearbeitung: hro
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 18. Juni 2024 | 08:10 Uhr