
Von Flyer bis QR-Code Touris in Chemnitz: Wie sichtbar ist die Kulturhauptstadt?
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28. April 2025, 07:00 Uhr
Seit dem 18. Januar ist Chemnitz offiziell Kulturhauptstadt Europas 2025. Davon erhofft sich die Stadt auch, dass viele Touristen kommen. Doch wie finden sich diese in der Stadt zurecht? Nutzen sie einen analogen oder digitalen Stadtplan? Was sind ihre ersten Eindrücke? Wieviel Kulturhauptstadt ist überhaupt sichtbar? MDR SACHSEN ist dieser Frage nachgegangen.
Die Wolken hängen tief an diesem Morgen über Chemnitz. Am Hauptbahnhof ist soeben unsere Testperson angekommen: Meine Kollegin Luisa Puig Rodriguez, Wahl-Dresdnerin, die bis auf eine Stipp-Visite noch nie in Chemnitz war. Unsere Challenge: Luisa soll sich als Ortsunkundige bis zum Besucherzentrum der Kulturhauptstadt, der Hartmannfabrik durchschlagen. Ich als Chemnitzerin begleite sie dabei.
Mit Google Maps in Richtung Hartmannfabrik
Wir starten auf dem Chemnitzer Hauptbahnhof. Direkt auf dem Gleis ein erster Hinweis - ein Logo mit dem Kulturhauptstadtmotto "C the unseen" drauf. Doch bislang ist das alles. Luisa steuert die Bahnhofshalle an. Nach einigen suchenden Blicken entdeckt sie den Infopoint der Kulturhauptstadt.
Zielstrebig geht sie darauf zu und sucht auf dem Touchscreen nach einer Wegbeschreibung zum Besucherzentrum in der Hartmannfabrik. Ein QR-Code schlägt ihr schließlich eine Route auf Google Maps vor. Wohl dem, der sich mit dem Handy durchs Leben navigieren kann.
QR-Code statt Stadtplan
Flyer gibt es am Infopoint zwar auch, allerdings nur zum Programm und mit allgemeinen Informationen. Einen Stadtplan finden wir nicht. Wir sprechen eine ältere Frau, die zufällig im Infopoint sitzt, darauf an. "Also ich hätte das nicht hinbekommen mit dem Handy", sagt sie. Und zeigt sich ganz hilfsbereit: "Aber ich bin aus Chemnitz und erkläre Ihnen gern den Weg."
Wir entscheiden uns, der Route vom QR-Code zu folgen und verlassen den Bahnhof durch einen Seitenausgang. Auf der Straße schaut sich Luisa immer wieder nach sichtbaren Zeichen der Kulturhauptstadt um. Ab und zu entdeckt sie ein kleines "C the unseen"-Plakat an einer Laterne. Doch mehr ist nicht zu sehen.
Wir fragen bei der Stadt Chemnitz nach: Demnach wurde ein Wegeleitsystem mit 56 neuen Hinweisschildern vom Hauptbahnhof in die Innenstadt und zur Hartmannfabrik zur besseren Orientierung eingerichtet. Problem: Dieses liegt nicht auf unserer Route durch den Seitenausgang, die uns der Link über den QR-Code empfohlen hat.
Große Nachfrage im Besucherzentrum der Kulturhauptstadt
20 Minuten später erreichen wir mit Google Maps das Ziel. Luisa zeigt auf einen großen Schriftzug der Kulturhauptstadt, der direkt vor der Hartmannfabrik steht. "Das ist zumindest sichtbar und gut erkennbar", stellt sie fest.
Am Empfangstresen kommen wir mit Tessa Melzer ins Gespräch. Sie arbeitet hier und wir wollen wissen, welche Erfahrungen die anderen Touristen teilen. Sie erzählt uns, dass die Nachfrage nach der Kulturhauptstadt groß ist. Nach jüngster Kritik an den Öffnungszeiten im Welcome Center würden diese jetzt ausgeweitet. "Das haben wir gerade für den Sommer ein bisschen erweitert, so dass wir wirklich sieben Tage die Woche ein Anlaufpunkt für unsere Besucher sein können", sagt sie. Auch Himmelfahrt und Pfingsten soll geöffnet sein.
Flyer hauptsächlich auf Deutsch und Englisch
"Wir haben Tage gehabt, wo wir 800 Besuchende binnen fünf, sechs Stunden da hatten", erzählt Melzer. Überwiegend seien es deutschsprachige Touristen. "Es sind wirklich viele aus der Schweiz dabei, aber auch aus Tschechien kommen viele Besucher." Die Anfragen der Besucher reichten über die Bedeutung von "C the unseen" über Fragen zum Gebäude und der Geschichte von Richard Hartmann bis hin zu Ausflugstipps entsprechend der persönlichen Interessen. Wir wollen von Tessa Melzer wissen, in welchen Sprachen die Flyer zur Europäischen Kulturhauptstadt gedruckt wurden. Vor allem auf Deutsch und Englisch, erklärt sie. Ausgewählte Prospekte gebe es auch auf Tschechisch und Polnisch. Italienisch, Französisch, Spanisch - Fehlanzeige.
Chemnitzerinnen informieren sich über Veranstaltungen
In der Fabrik treffen wie auf Anja und ihre zwölf Jahre alte Tochter Emilia. Die beiden leben in Chemnitz und wollen sich das Fabrikgebäude anschauen und sich auch genauer zum Programm der Kulturhauptstadt informieren. Wir fragen sie nach ihren Eindrücken, als Einheimische. "Mir waren die Infos teilweise zu wenig publik gemacht", sagt Anja. Aus ihrer Sicht habe es in Chemnitz keine großen optischen Veränderungen gegeben. "Und es ist für mich aktuell auch noch ein bisschen zu viel Kunst." Emilia schaut zwar nicht oft in das Programm, aber sie findet es gut, dass Chemnitz Kulturhauptstadt gibt. "Chemnitz ist einfach eine tolle Stadt", sagt sie.
Von der Hartmannfabrik laufen Luisa und ich weiter in die Innenstadt. Immer wieder sucht unsere Testperson nach Zeichen der Kulturhauptstadt, wird aber bis auf ein paar Sticker in Geschäften nicht wirklich fündig. "Ich hätte gedacht, dass mehr zu sehen ist", sagt sie. "Vielleicht auch Hinweise auf Veranstaltungen." An der Tourist-Information am Rathaus wäre sie fast vorbeigegangen. "Da hätte ich mir vielleicht einen großen Aufsteller gewünscht."
Buchungen für Gästeführungen haben sich verdreifacht
Nach Angaben von Mareike Fischer, Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Chemnitz Zwickau Region e. V., nutzen sehr viele Touristen den Informationspunkt. Täglich hätten die Mitarbeiter Kontakt mit 300 bis 400 Gästen. "Es sind sehr viele Touristen vor Ort, die sich fast ausschließlich zum Thema Kulturhauptstadt beraten lassen", sagt Fischer. "Dazu kommen eine Vielzahl von Anfragen per E-Mail und telefonisch." Allein über die Osterfeiertage seien weit über 100 E-Mails von Touristen eingegangen, die Chemnitz besuchen möchten. "Die Buchungen für Gästeführungen haben sich verdreifacht." Flyer gibt es auch hier vor allem auf Deutsch und Englisch, teilweise auch auf Niederländisch, Tschechisch und Polnisch.
Chemnitz statt Dresden: Touristen aus Potsdam buchen spontan um
Am Markt treffen wir Familie Bischof aus Potsdam. Eine Woche Urlaub wollte die Familie nach Ostern gemeinsam verbringen. Ursprünglich hatten sie dafür eine Unterkunft in Dresden gebucht. Freunde erzählten ihnen aber dann, dass Chemnitz in diesem Jahr Kulturhauptstadt ist. "Daraufhin haben wir Dresden abgebucht und hier etwas gebucht", erzählt Vater Christoph. Sie sind das erste Mal in Chemnitz und haben sich neben den Tipps von den Freunden auch in der Hartmannfabrik Informationen geholt.
Schilder, Google Maps und Stadtplan helfen bei Orientierung
Um sich in der Stadt zu orientieren, nutzen sie Schilder, Google Maps und einem Stadtplan. "Den berühmten Nischel haben wir zum Beispiel mit Hilfe eines Schildes gefunden", so die Familie. Neben der Innenstadt steht für die Familie ein Besuch im Tiergarten, im Opernhaus und im Industriemuseum auf dem Plan für ihre Tage in Chemnitz. Insgesamt finden sie die Stadt sehenswert.
Auch Luisas Fazit fällt am Ende positiv für Chemnitz aus. "Auch wenn ich mir mehr Beschilderung und Werbung für die Kulturhauptstadt gewünscht hätte, finde ich die Stadt schöner als erwartet", sagt sie. "Es ist sehr grün, die Innenstadt ist autofrei und man kann entspannt durchlaufen."
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 23. April 2025 | 09:30 Uhr