DDR-Kunst Plauen: Imposantes Wandbild im Rathaus freigelegt
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30. Mai 2024, 10:46 Uhr
Es hatte zu DDR-Zeiten nur eine kurze Halbwertzeit, das Wandgemälde von Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht. 1976 im Plauener Rathaus eingeweiht, wurde es 1987 für viele überraschend zugemauert. Die Stadt Plauen hat diesen Schritt nun rückgängig gemacht und das Gemälde wieder freigelegt. Damit ist nicht nur ein besonderes Beispiel für Kunst am Bau aus der ehemaligen DDR wieder zum Leben erweckt, sondern auch ein Stück kulturellen Erbes in Deutschland erhalten worden.
- Im Rathaus Plauen ist ein Wandbild aus DDR-Zeiten freigelegt worden.
- Das Bild stammt von den Kunst am Bau-Pionieren Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht.
- Mit der Restaurierung wurde ein Spezialist aus der Region beauftragt.
Im Gegensatz zur gerade dieser Tage gern gepflegten Erzählung, dass Politiker von nichts eine Ahnung haben, muss man sagen, dass der Oberbürgermeister der Stadt Plauen, Steffen Zenner, durchaus den Durchblick hatte – bei einem Kunstwerk, das im Eingangsbereich seines Rathauses seit mehr als 35 Jahren hinter Sandsteinplatten versteckt wurde.
Zenner ist seit zwei Jahren Oberbürgermeister von Plauen und war vorher dort Kulturbürgermeister. In dieser Zeit sein "aufgefloppt, dass wir während der Rathaussanierung die Möglichkeit hätten, ein so bedeutendes Gemälde wieder der Öffentlichkeit zugänglich machen zu können," sagt Zenner rückblickend. "Wir haben im Stadtrat lange diskutiert: Können wir uns das leisten? Wollen wir uns das leisten?"
Schließlich sei man soweit gewesen, zu sagen, dass man das Kunstwerk gerne retten wolle. Allein die Zusatzkosten von 165.000 Euro schienen den meisten zu viel zu sein. "Nur durch das Engagement der Wüstenrot-Stiftung ist es möglich geworden, dass wir ein so bedeutendes Kunstwerk hier in unserer Stadt unser Eigen nennen dürfen", berichtet der Oberbürgermeister MDR KULTUR.
Kunst am Bau aus DDR-Zeiten
Geschaffen wurde das Wandbild in den 1970er-Jahren von den beiden inzwischen verstorbenen Dresdner Kunst-am-Bau-Pionieren Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht. In der Bevölkerung hatte es schnell seinen Spitznamen gefunden: Geisterbahn wurde es genannt und 1987 zugemauert. Die Gründe sind heute unklar. War es damals schon ein Sanierungsfall oder aufgrund seiner abstrakten Formensprache nicht sozialistisch-realistisch genug?
Das Werk von Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht ist wirklich eine Besonderheit.
Genauso etwas findet man bei der Wüstenrot-Stiftung interessant, erklärt deren Geschäftsführer Philip Kurz. Es sei wichtig, dass möglichst vielen Leuten klar werde, dass in der DDR große kulturelle Leistungen entstanden seien und das auch bildkünstlerische Werke dazugehörten.
"Das Werk von Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht ist wirklich eine Besonderheit", urteilt Kurz. "Weil es nicht figürlich ist, weil es nicht ein sozialistisches Menschenbild zeigt, weil es keine Kulturpolitik ist – sondern weil es ein abstraktes Werk ist, das eigentlich rausfällt aus dieser DDR-Kunst-Debatte." Deshalb, so Kurz weiter, könne er der Stadt Plauen nur gratulieren, dass sie sich einerseits über bürgerschaftliches Engagement und andererseits über einen politischen Beschluss durchgerungen habe, dieses Bild zu erhalten. Das sei nicht selbstverständlich.
Restaurierung mit Hindernissen
Geld und Wille sind das eine, die konkrete Arbeit das andere. Die wurde an den jungen Restaurator Martin Fliedner aus Möschwitz, einem Dorf in der Region vergeben. Der nahm den Auftrag an, ohne so recht zu wissen, was da auf ihn zukommt. Das Ganze sei eine "Wundertüte" gewesen, noch verhangen und hinter Sandstein verborgen, erklärt Fliedner. "Man konnte nur in ganz kleinen Bereichen sehen, dass das Kunstwerk noch da ist."
In einem ersten Arbeitsabschnitt legte Fliedner vier der insgesamt 250 Quadratmeter Wandgemäldefläche frei. Gemeinsam mit den Experten vom Landesamt für Denkmalpflege in Dresden kam man überein, dass die Sache machbar sei – auch wenn der Teufel im Detail saß. "Das Verfahren, dass die beiden Künstler angewendet haben, ist ein eigenes Patent für eine Druckluftbeschichtung", erinnert sich der Restaurator. Da werde ein Kleber mit einem Granulat gemischt und aufgesprüht. Das sorge für eine sehr raue Oberfläche, auf der sich Schmutz ablagere.
Eine weitere Herausforderung ist laut Fliedner der Kalkmörtel gewesen, der hinter die Sandsteinplatten verfüllt worden war. Über die Jahre habe auch er sich abgelagert und Schleier gebildet. Zudem seien bei der Sandsteinverblendung 855 Anker in einem regelmäßigen Raster auf die Fläche eingebracht worden. "Es war für Retouche eine große Herausforderung, dass man das farblich so anpasst, dass das Gesamtkunstwerk erfahrbar ist und man nicht nur von Ankerloch zu Ankerloch guckt."
Während der Restaurator seine Arbeit erklärt, kann der ahnungslose Betrachter des am Mittwoch wieder eingeweihten Kunstwerks im Foyer des neuen Plauener Rathausanbaus nicht einmal erahnen, dass es seit 1987 hinter einer Sandsteinverkleidung versteckt war. Apropos: Auch von den hitzigen Diskussionen, ob man es dort belassen oder hervorholen sollte, will heute eigentlich keiner mehr was wissen, meint der vom Ergebnis überzeugte Oberbürgermeister.
Quelle: MDR KULTUR (Wolfgang Schilling), Stadtverwaltung Plauen
Redaktionelle Bearbeitung: tmk, bh
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. Mai 2024 | 07:10 Uhr