Missstände bei der Polizei Aufbewahrung von Beweismitteln: 274 Waffen nicht wie vorgesehen vernichtet
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27. April 2024, 08:51 Uhr
Nach diversen Verstößen bei der Asservatenlagerung der Polizei in Sachsen-Anhalt ist am Freitag im Innenausschuss ein weiterer Verstoß öffentlich geworden. Mehr als 270 beschlagnahmte Waffen sind nicht ordnungsgemäß vernichtet worden. Die Angelegenheit reiht sich ein in eine Reihe von Mängeln in der Asservatenverwaltung.
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- In Sachsen-Anhalt sind beschlagnahmte Waffen nicht vernichtet worden – obwohl das getan werden sollte. Zuvor waren bereits andere Mängel bei der Aufbewahrung von Beweismitteln öffentlich geworden.
- Ein Antrag der Linken im Landtag auf Missbilligung der Innenministerin war am Donnerstag abgelehnt worden.
- Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem gegen einen Polizisten im Harz, weil er Beweismittel privat aufbewahrt haben soll.
Über wahrscheinlich drei bis vier Jahre sind in Sachsen-Anhalt Waffen und waffenähnliche Gegenstände nicht wie vorgesehen vernichtet worden – trotz staatsanwaltschaftlicher Anordnungen. Das teilte die zuständige Abteilungsleiterin des Innenministeriums bei einer Sitzung des Landtags-Innenausschusses am Freitag mit. Die betroffenen 274 Gegenstände wurden demnach aus der Asservatenkammer der Polizeien an eine Vergleichswaffensammlung des Landeskriminalamtes übergeben. Man sei in der Aufarbeitung, sagte Innenministerin Tamara Zieschang (CDU).
In der Sammlung befinden sich nach Angaben des Ministeriums insgesamt rund 5.000 Waffen. Sie werden unter anderem zu Ausbildungszwecken aufbewahrt. Die Mitarbeiterin sagte, die Waffen seien dort sicher verwahrt. Sie habe keine Sorge, dass Waffen verschwinden könnten.
Vorgehen muss geprüft werden
Ein Vertreter des Justizministeriums sagte, man sei erst vor wenigen Tagen vom Innenministerium über den Sachverhalt informiert worden. Man habe den Generalstaatsanwalt eingeschaltet.
Ziel der staatsanwaltschaftlichen Anordnungen sei es gewesen, die Waffen dem freien Verkehr zu entziehen. Mit der Aufnahme in die Vergleichswaffensammlung sei der Zweck nach einer ersten Einschätzung erfüllt worden. Dennoch müsse es eine Aufarbeitung geben.
Aufarbeitung von Rechnungshofsbericht: Innenministerium räumt Fehler ein
In der Vergangenheit war im Innenausschuss die Frage diskutiert worden, ob eine vom Landesrechnungshof aufgefundene Waffe eindeutig als Attrappe zu erkennen war. Am Freitag musste das Innenministerium klarstellen, dass die gefundene AK 47, eine Maschinenpistole chinesischer Produktion, ursprünglich eine scharfe Waffe war, die unbrauchbar gemacht wurde und somit nicht sofort als sogenannte Dekowaffe zu erkennen war. Interne Berichte des Ministeriums hatten in der Vergangenheit zu einer missverständlichen Darstellung geführt.
Der Landesrechnungshof hatte im Januar erhebliche Mängel bei den Asservatenverwaltung öffentlich gemacht. Innenministerin Zieschang nahm mit Blick darauf bei der Innenaussschusssitzung am Freitag die Polizei in die Pflicht. Die Polizei mache ihre eigene Ermittlungsarbeit zunichte, wenn sie Beweismittel nicht ordnungsgemäß aufbewahre. Zieschang ist als Innenministerin die oberste Chefin der Polizei.
Linke und Grüne missbilligen Arbeit der Innenministerin
Am Donnerstag war im Landtag von Sachsen-Anhalt ein Antrag auf Missbilligung von Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) abgelehnt worden. Den Antrag hatte die Linke eingebracht, es ging auch hier um den Umgang mit Ungereimtheiten bei der Asservatenverwaltung der Polizei.
Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Henriette Quade, sagte: "Es geht um den Versuch der Innenministerin, die Darstellung des Rechnungshofs als nicht sachgerecht, übertrieben und wesentliche Informationen unterschlagend darzustellen." Zieschangs Verhalten beschädige das Vertrauen in die Landespolizei.
Die Regierungskoalition aus CDU, SPD und FDP stimmte gegen die Missbilligung, die AfD enthielt sich, Grüne und Linke stimmten für den Antrag. Die Landesregierung verzichtete auf einen Redebeitrag in der Debatte.
Polizeirevier Harz: Beamter hatte Beweismittel privat gelagert
Zuvor war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Halberstadt gegen einen Beamten des Polizeireviers Harz ermittelt, weil er Beweismittel privat gelagert haben soll. Das bestätigte die Behörde MDR SACHSEN-ANHALT. Der Beamte soll eine Stabgranaten-Attrappe im Kofferraum seines Pkws transportiert haben. Welche Gegenstände noch betroffen sind und aus welchen Verfahren diese stammen, wird nach Angaben von Oberstaatsanwalt Hauke Roggenbuck nun untersucht.
Weitere Ungereimtheiten bei der Polizei waren aus dem Polizeirevier Salzlandkreis bekannt geworden. In Schönebeck verschwanden 13.000 Euro aus einem Stahlschrank. Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT soll der Stahlschrank in einem Büro aufgestellt worden sein. Der dazugehörige Generalschlüssel soll in einer Art Hausmeisterbüro in Bernburg gelegen haben. Die Ermittlung eines Tatverdächtigen wurde nach vier Tagen eingestellt.
Beamte der Polizeihochschule in Aschersleben lagern Übungsmunition privat
Für Brisanz sorgt zudem ein internes Schreiben der Polizeihochschule Aschersleben, das MDR SACHSEN-ANHALT vorliegt. Daraus geht hervor, dass Beamte der Polizeihochschule in Aschersleben mehr als 5.000 Schuss Trainingsmunition zum Teil privat, aber auch in unverschlossenen Schränken in den Trainerbüros gelagert haben sollen.
Zunächst waren fast 1.000 Schuss aufgefunden worden. Bei einer anschließenden Überprüfung wurden insgesamt 5.474 Knall- und Farbmunition an diversen Orten gefunden. Die Polizeihochschule gibt im Schreiben an, dass es keinen Zusammenhang mit einer Straftat gibt. Es seien aber dienstrechtliche Maßnahmen ergriffen worden.
Innenministerium prüft Polizeifachhochschule
Auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT teilte das Innenministerum mit, es habe am Donnerstag mit einer unangekündigten Geschäftsprüfung der Polizeifachhochschule in Aschersleben begonnen. Der Sachverhalt werde umfangreich aufgearbeitet.
Zeitgleich teilte die Fachhochschule mit, bisher regelmäßig das Ministerium über die Geschehnisse informiert zu haben. "Die Prüfung des Sachverhalts – auch in dienst- und disziplinarrechtlicher Hinsicht – sind noch nicht abgeschlossen", teilt die Schule weiter mit. Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass Übungsmunition das Gelände der Fachhochschule verlassen hat, so die Hochschule weiter.
MDR (Lars Frohmüller, Julia Heundorf, Kalina Bunk), dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 26. April 2024 | 15:00 Uhr
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