Investition in Bildung Förderschule in Halberstadt platzt aus allen Nähten
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30. Oktober 2024, 19:25 Uhr
Seit Jahren ist die Reinhard-Lakomy-Förderschule in Halberstadt überfüllt. Das Gebäude ist für 70 Schülerinnen und Schüler ausgelegt, aber mehr als doppelt so viele werden hier unterrichtet. Neun Klassen wurden auf nahegelegene Schulen ausgelagert. Deswegen müssen die Kinder und Jugendlichen mehrmals die Woche lange Wegstrecken zurücklegen und werden teils gemobbt. Doch für einen Anbau ist kein Geld da.
- Die Reinhard-Lakomy Förderschule ist seit Jahren überfüllt. Deswegen müssen Klassen auf zwei andere Schulen ausweichen.
- In den Ausweichschulen erleben die Schülerinnen und Schüler zum Teil Mobbing.
- Die Lösung wäre ein Neubau. Aber dem Schulträger fehlt das Geld.
Pascal kämpft sich über den holprigen Schotterweg – ohne den Motor in seinem Rollstuhl wäre die Strecke für ihn noch mühsamer zu bewältigen. Mehrere Male in der Woche, manchmal mehrmals am Tag, legt der 16-Jährige die 500 Meter zwischen zwei Schulgebäuden zurück. Der Grund dafür: Platzmangel in seiner Förderschule, der Reinhard-Lakomy Schule in Halberstadt. Es gibt zu wenig Klassenzimmer für zu viele Schülerinnen und Schüler.
Deswegen müssen mehrere Klassen auf zwei umliegende Schulen ausweichen. Das ständige Hin- und Her zwischen den Gebäuden ist nicht nur körperlich für Pascal belastend: "Man sieht halt seine Freunde ganz selten. Ich seh meinen Kumpel höchsten im Bus."
"Kinder haben Angst, alleine auf die Toilette zu gehen"
Steffi Erdmann ist Pascals Mutter und vorsitzende Elternratsvertreterin. Seit Jahren setzt sie sich für eine Verbesserung der Umstände ein. Sie berichtet von einem weiteren Problem: An einer der Ausweichschulen soll es zu Mobbing durch die dortigen Schülerinnen und Schüler gekommen sein.
"Die Kinder der Lakomy-Schule haben Angst, alleine auf die Toilette zu gehen", erzählt sie und beruft sich dabei auf Berichte von Eltern und aus dem Kollegium. "Sie wurden mit den Worten: 'Was wollt ihr hier, ihr seid doch behindert' beleidigt".
Anbau kostet neun Millionen Euro
Dabei wäre die Lösung des Platz-Problems der Lakomy-Schule einfach: Ein neuer Anbau für die Schule mit ausreichend Klassenzimmern und Therapieräumen. Die geschätzten Kosten dafür liegen bei neun Millionen Euro.
Aber: Der Schulträger, der Landkreis Harz, hat dafür kein Geld. Nur zwei bis drei Millionen Euro pro Jahr stünden dem Landkreis für den Neubau von Schulen zur Verfügung. Mathias Schönhard, Dezernent des Landkreises Harz für Investitionen und Genehmigungsverwaltung, erklärt: "Um diesen Neubau abbilden zu können, wären alle Gelder für die nächsten drei bis vier Jahre gebunden, wenn keine zusätzlichen Fördermittel dazukommen würden."
Landkreis Harz kann Kosten nicht stemmen
Carolin Becker, Leiterin des Amtes für Schulverwaltung und Bildung im Landkreis Harz, ergänzt: "Der Landkreis befindet sich in der Haushaltskonsolidierung, wir haben ein hohes Defizit, damit sind eben Kreditaufnahmen versagt." Im Klartext: Der Landkreis kann die Kosten alleine nicht stemmen.
Eine große Hoffnung lag deswegen auf Hilfen vom Land, insbesondere der sogenannten "Schulbauförderrichtlinie: "Wir haben auf diese Richtlinie relativ viel gesetzt", so Schönhard. Die Unterlagen dafür lagen schon fertig vor. Aber: "Die Schulbaurichtlinie ist veröffentlicht, aber leider nicht mit Mitteln untersetzt." Auch aus diesem Topf gibt es also kein Geld für einen Neubau.
Carolin Becker übt Kritik: Kommunen, Landkreise, Städte und Gemeinden seien generell nicht ausreichend finanziert. Somit könnten diese ihre Budgets nicht ordentlich planen und wiederum in Bildung investieren. Sie betont: "Die Investition in Bildung ist die wichtigste Investition, die wir tätigen können."
Die Geschichte eines zu kleinen Schulgebäudes
Auf diese wichtige Investition muss die Lakomy-Schule somit weiterhin warten. Der Anbau wird sich wohl weiterhin um etliche Jahre verzögern.
Dabei ist das Problem mit der zu hohen Schülerzahl seit der Eröffnung der Schule Anfang der 90er Jahre ein Problem, berichtet die stellvertretende Schulleiterin der Lakomy-Schule, Anne Schulze: "Man konnte damals gar nicht kalkulieren, wieviel Schüler hierherkommen werden. Irgendwie ist es sinnbildlich, weil die Geschichte der Schule ist eigentlich immer die Geschichte eines zu kleinen Gebäudes."
Landesbeauftragter sieht Benachteiligung
Dass bisher noch nichts passiert ist, ist für den Landesbehindertenbeauftragen Christian Walbrach ein unhaltbarer Zustand: "Ich sehe darin auch einen Verstoß gegen die Einhaltung des Benachteiligungsverbotes laut Behindertengleichstellungsgesetzes unseres Landes." Er hoffe auf eine baldige Lösung, denn: "Die Problematik ist seit fast einem Jahrzehnt auch durch die Schulleitung angekündigt worden."
Es wird nach alternativen Lösungen zum Neubau gesucht. Der Vorschlag des Landkreises, einige Klassen und das dazugehörige Lehrpersonal in die wenig besuchte Europa-Schule in Thale zu verlegen, scheiterte. Die Schulgesamtversammlung der Lakomy-Schule lehnte das mit großer Mehrheit ab. Zu weit die Wege und zu kompliziert die Organisation, zudem würde die Schulgemeinschaft auseinandergerissen werden.
Weitere Ideen erfordern ebenfalls Investitionen
Im Moment stehen noch andere, vage Ideen im Raum: Beispielsweise in der Nähe nach anmietbaren Wohnungen zu schauen und diese in Klassenzimmer umzuwandeln. Oder einen nahegelegenen Hort umzufunktionieren. Aber auch für diese Optionen wären Investitionen nötig. Diese Ideen, die im Petitionsausschuss des Landes aufgekommen sind, sollen bei der nächsten Sitzung im Januar 2025 besprochen werden.
"Meine Hoffnung ist natürlich, dass der Anbau so schnell wie möglich passiert", meint Steffi Erdmann. Sie will, dass die Kinder schnellstmöglich wieder zusammen sein können, "und die Kumpels sich untereinander treffen können".
Sie kämpft weiterhin für eine langfristige Lösung. Aber Pascal wird wohl in den letzten zwei Jahren seiner Schulzeit ohne den erhofften Neubau auskommen müssen.
MDR (Sara Simons, Daniel Salpius)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 30. Oktober 2024 | 19:00 Uhr
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