Polizisten auf einer Straße 2 min
In Wolmirstedt hat die Polizei einen Afghanen erschossen, der zuvor einen Landsmann tödlich verletzt und eine private EM-Feier angegriffen hatte. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Polizei erschießt Angreifer Messerangriff mit zwei Toten in Wolmirstedt: Keine Hinweise auf terroristisches Motiv

18. Juni 2024, 16:43 Uhr

Nach dem tödlichen Messerangriff am Freitag in Wolmirstedt ermittelt die Polizei weiter nach Motiv und Hintergründen der Tat. Den Behörden in Sachsen-Anhalt war der 27-jährige Angreifer zuvor nicht bekannt. Hinweise für einen religiösen oder terroristischen Hintergrund liegen demnach nicht vor. Die Tat sorgt bundesweit für Aufsehen und soll in dieser Woche auf der Innenministerkonferenz thematisiert werden. Auch, dass die Polizei den Mann erschossen hat, soll aufgearbeitet werden.

Auch am dritten Tag nach dem tödlichen Messerangriff auf einer privaten EM-Party in Wolmirstedt ermittelt die Polizei weiter zu dem Motiv des mutmaßlichen Täters. Zwar lägen keine Hinweise auf einen religiösen oder terroristischen Hintergrund der Tat vor – alles Weitere zum Motiv des 27-Jährigen sei jedoch noch Gegenstand der Ermittlungen, hieß es bei einer Pressekonferenz am Sonntag. Der mutmaßliche Täter war den Behörden demnach zuvor nicht wegen schwerer Vergehen bekannt, sagte Andreas Krautwald, Direktor der Polizeiinspektion Stendal.

Messerangriff in Wolmirstedt: Was am Freitagabend geschah

Am Freitagabend attackierte laut Polizeiangaben ein 27-jähriger Afghane einen 23-jährigen Landsmann mit einem Messer in einer Plattenbausiedlung in Wolmirstedt. Das Opfer erlag wenig später seinen Verletzungen. Beide Männer hatten Medienberichten zufolge zuvor gestritten.

Im Anschluss soll der Angreifer mehrere Menschen in einer Kleingarten-Siedlung bedroht haben, bevor er auf einer EM-Gartenparty in einer Einfamilienhaus-Siedlung eine 50-jährige Frau, einen 75-jährigen Mann schwer sowie einen 56-Jährigen leicht verletzt haben soll. Die hinzugerufenen Polizisten wurden laut Ermittlern vom 27-Jährigen attackiert – woraufhin die Beamten ihn erschossen.

Menschen geschockt über Gewalttat in Kleinstadt

Die Wolmirstedter Bürgermeisterin Marlies Cassuhn (parteilos) sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Sonntag, sie sei geschockt. Viele im Ort seien bekannt mit den drei Opfern, die Vereinen angehörten und aktive Mitbürger seien. Außerdem bewege die Menschen die Tatsache, dass der Angriff in einer Gartenanlage passiert sei: "Es ist auch eine Grenze überschritten worden – von dem öffentlichen Bereich in den privaten Bereich."

Marlies Cassuhn
Marlies Cassuhn (parteilos) Bildrechte: MDR/Sachsen-Anhalt heute

Es ist auch eine Grenze überschritten worden – von dem öffentlichen Bereich in den privaten Bereich.

Marlies Cassuhn (parteilos) Bürgermeisterin von Wolmirstedt

Die Menschen in Wolmirstedt sprachen gegenüber MDR SACHSEN-ANHALT davon, dass sich die Nachricht über die Messer-Attacke schnell verbreitet habe. Sie hätten Angst und würden sich unwohl fühlen. Eine Frau sagte, dass so eine Tat, vor allem in einer Kleinstadt wie Wolmirstedt, schon erschreckend sei. Eine weitere Frau sagte, sie könnte sich nicht vorstellen, ihre Kinder raus zu lassen. Ein Mann erklärte, seine Frau würde abends nicht mehr aus dem Haus gehen.

Angreifer fiel zuvor in Innenstadt von Wolmirstedt auf

Bei der Pressekonferenz am Sonntag gab die Polizei näheres zur Tat bekannt. Der Mann habe in Stendal gewohnt und sich lediglich in Wolmirstedt zu Besuch aufgehalten, so Krautwald. Der gebürtige Afghane sowie sein 23-jähriges Opfer, ebenfalls Afghane, lebten schon länger in Deutschland.

Krautwald berichtete, der 27-Jährige sei bereits in der Innenstadt psychisch auffällig gewesen. So habe er nach Angaben einer Augenzeugin Autos angeschrien und sei mit einem "auffällig langen Messer" unterwegs gewesen.

Polizisten stehen an einem Einsatzort, der möglichwerweise im Zusammenhang mit der Attacke in Wolmirstedt steht.
Die Polizei fand nach der Tat zwei Messer, die als Tatwaffe in Betracht kommen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Thomas Schulz

Es liegen laut Krautwald noch keine Obduktionsergebnisse oder toxikologischen Gutachten vor, die Rückschlüsse darauf geben könnten, ob der Täter etwa während der Tat unter Drogen gestanden habe. Nach der Tat seien zwei Messer gefunden worden, die als Tatwaffe in Betracht kommen, sagte Krautwald: Eins dort, wo der 23-Jährige erstochen wurde, ein weiteres, wo die Beamten den Angreifer erschossen hatten. 

Innenministerium: Motiv weiter unklar

Das Motiv sei "noch immer Gegenstand der Ermittlungen", sagte Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) während der Pressekonferenz. Zieschang kündigte zudem an, die polizeiliche Präsenz bei Veranstaltungen nochmals zu erhöhen. Dies gelte insbesondere für EM-Veranstaltungen. Ob die Polizei künftig mit Tasern ausgestattet werden soll, um Angreifer auf Abstand zu halten, wie es etwa die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert, bedürfe einer sorgsamen Abwägung, erklärte Zieschang.

Zudem gab es am Sonntag neue Informationen zu den Opfern. Nach der Attacke besteht demnach für keinen der drei Verletzten Lebensgefahr. Zwei Opfer konnten das Krankenhaus bereits verlassen, wie Tom-Oliver Langhans, Direktor der Polizeiinspektion Magdeburg, berichtete. Ein weiteres Opfer sei noch in stationärer Behandlung. Die Opfer, deren Angehörige sowie Zeugen der Tat werden laut Langhans von Opferverbänden, Polizeiseelsorge und dem Landkreis betreut.

Angriffe in Wolmirstedt und Mannheim Thema für Innenministerkonferenz

Die Messer-Attacke von Wolmirstedt soll auch auf dem Treffen der Innenminister von Bund und Ländern zur Sprache kommen. Das kündigte Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang an.

Nach den Worten der CDU-Politikerin werden dieser Angriff und das Attentat von Mannheim, bei dem Ende Mai ein Polizist starb, einen wesentlichen Teil der Beratungen ausmachen. Es müssten Maßnahmen umgesetzt werden, die tatsächlich Wirkung zeigten. Die Innenminister kommen am kommenden Mittwoch für drei Tage in Potsdam zusammen.

In einem Plattenbaugebiet parken zahlreiche Autos, ein Polizeiwagen steht auf der Straße
In einer Einfamilienhaussiedlung im Nordwesten Wolmirstedts kam es zum Angriff auf eine private EM-Party. Bildrechte: TNN

Wie in solchen Fällen üblich, soll zudem der Gebrauch der Schusswaffen aufgearbeitet werden, sagte Staatsanwalt Frank Baumgarten. Nach derzeitigem Stand sehe er keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schüsse zweier Beamte auf den Angreifer unrechtmäßig abgegeben worden waren.

dpa, MDR (Ingvar Jensen, Katrein Wolf, André Plaul, Sebastian Gall, Hanna Kerwin) | Erstmals veröffentlicht am 15.06.2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. Juni 2024 | 17:00 Uhr

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