Klimawandel Kostenfalle Hitze – Das Problem ist die Glasfassade im Sommer
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03. Juli 2024, 18:40 Uhr
Als die Bundesregierung die Pläne zur deutschen Heizungs-Wende vorstellte, war die Empörung groß. Viele Eigenheimbesitzer befürchteten eine unkontrollierte Kosten-Lawine. Mit Blick auf den Klimawandel wird allerdings das Thema Heizung eher an Bedeutung verlieren. Stattdessen wird der Hitzeschutz immer wichtiger. Doch dieses Thema spielt bislang kaum eine Rolle, erst allmählich setzt ein Umdenken ein. Vor allem die Städte müssen sich dem Thema stellen.
- Große Glasfassaden an Gebäuden sorgen wegen des Klimawandels zunehmend für Probleme.
- Experten plädieren für Bauweisen mit mehr Hitzeschutz.
- In der Mittelmeerregion ist Hitzeschutz beim Bauen längst Realität.
Egal ob man in Halle, Magdeburg oder Dessau-Roßlau unterwegs ist, wenn die Kaufhäuser nicht historisch sind, verfügen sie über hohe Glasfassaden. Auch die modernen Einkaufszentren in Lutherstadt Wittenberg oder Merseburg haben große Fensterfronten, denn schließlich sollen Kunden angelockt werden. Doch die Glasfassaden sorgen zunehmend für Probleme, sagt Gebäudetechniker Clemens Westermann: "Das Problem ist nicht die Glasfassade im Winter. Das Problem ist mittlerweile die Glasfassade im Sommer. Wir haben so hohe Wärme-Einträge durch die Glasfassade in den Gebäuden, dass wir im Sommer auf einmal unsere Gebäude kühlen müssen."
Kühlen teurer als heizen
Es gebe inzwischen Gebäude, bei denen der Energieverbrauch im Sommer wegen der Kühlung höher sei als der Energieverbrauch im Winter. Mit Blick auf die klimatischen Veränderungen dürfte dieses Problem eher größer werden.
Clemens Westermann ist Professor für Gebäudetechnik an der Hochschule Anhalt in Dessau-Roßlau. Nur wenige Hundert Meter entfernt von seinem Büro findet man die berühmte gläserne Bauhaus-Fassade, entworfen von Walter Gropius. Diese Fassadengestaltung ist wesentlicher Teil des Weltkulturerbes und prägt bis heute die Idee des modernen Baues. Auch in Sachsen-Anhalt findet sich an modernen Gebäuden von der Sparkassen-Verwaltung bis zu Landratsämtern sehr häufig viel Glas.
Das sei nicht mehr zeitgemäß, sagt der Magdeburger Architekt Peter Otto: "Es gibt immer mehr Hitzetage. Ich baue nur noch neue Häuser, die Sonnenschutz wirklich gewährleisten. Damit man das nicht mit Klimatechnik und viel Energie hinterher wieder runter kühlen muss", erklärt Otto. Zudem gebe es ein grundsätzliches Problem mit den Klimageräten. Denn diese Anlagen heizen die Umgebung demnach zusätzlich auf, weil die Kühl-Geräte die Wärme irgendwo hinleiten müssen.
Wenn ich Energie spare, dann ist das das Gegenteil von Wachstum. Also ich tue der Volkswirtschaft Schaden an.
Umdenken erforderlich
Sowohl Stadtplaner als auch Bauherren würden diesem Thema bislang zu wenig Beachtung schenken, kritisiert Peter Otto, der sich in der Architektenkammer für mehr Nachhaltigkeit beim Bau engagiert. Glas gilt weiterhin als ein schickes Gestaltungselement, das den Eindruck einer gewissen Modernität vermittelt. Der Abschied von dieser Idee ist jedoch schwerer als gedacht.
Das ist auch die Erfahrung von Clemens Westermann, der als Hochschullehrer eine neue Generation von Architektinnen und Architekten ausbildet: "Es kommen zu mir auch Studierende, die sagen: Herr Westermann, es ist ja schön, dass Sie so progressiv denken. Aber in unserer Generation sind es bei weitem nicht alle. Auch die jungen Leute müssen wir überzeugen." Doch es geht bei dem Thema nicht nur um Fassadengestaltung, erklärt Clemens Westermann. Wichtig sei vielmehr, grundsätzlich neu zu denken.
Klimaschutz vom Kopf auf die Füße stellen
Ist in Deutschland von der Energiewende die Rede, dann wird vor allem über erneuerbare Energien geredet: Windkraft, Sonnenstrom, Biogas. Das sorgt vor Ort, also dort, wo die Anlagen errichtet werden sollen, regelmäßig für Debatten. Was aber nicht debattiert werde, sei das Thema Energiesparen, kritisiert Gebäudetechniker Westermann: "Wenn ich Energie spare, dann ist das das Gegenteil von Wachstum. Also ich tue der Volkswirtschaft Schaden an, wenn ich spare, denn wir wollen ja Wachstum. Und selbst unser Bundeswirtschaftsminister spricht von grünem Wachstum. Mit diesen Begriffen habe ich Bauchschmerzen."
Ich muss das ganz klar sagen. Energieeffizient leben heißt sparsam leben. Und das heißt Gürtel-enger-Schnallen.
Clemens Westermann, Experte für Gebäudetechnik, fordert weniger Technik in den Gebäuden, denn ein Klimagerät verbraucht mit einer herkömmlichen Stromversorgung dreimal so viel Energie wie eine Heizungsanlage. "Ich muss das ganz klar sagen. Energieeffizient leben heißt sparsam leben. Und das heißt Gürtel-enger-Schnallen." Glasfassaden entsprechen dieser Haltung nicht.
Unterwegs am Mittelmeer: Reisen bildet
Wer in den Ländern des Mittelmeers unterwegs ist, findet dort viele Anregungen. Die Gebäude sind anders strukturiert: Sonnenschutz durch begrünte Fassaden, umlaufende Balkons und Markisen, sind nach Ansicht der Experten sinnvoller als der Einsatz teurer Technik.
In Magdeburg gibt es derzeit Baupläne für mindestens zwei weitere Hochhäuser, die große Glasflächen vermuten lassen. Der Stadtrat hat inzwischen sogar ein Hochhaus-Konzept verabschiedet, bei dem das Thema Klimaschutz allerdings keine große Rolle spielt. Dennoch dürften spiegelglatte Fassaden in Zukunft an Bedeutung verlieren, es sei denn man baut dort, wo es derzeit keinen Mangel an Energie zu geben scheint, also in Dubai oder Katar.
MDR (Uli Wittstock, Lucas Riemer), zuerst veröffentlicht am 02.07.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 02. Juli 2024 | 06:30 Uhr
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