Der Redakteur | 06.06.2024 Klimawandel und Bauen: Warum wir anders bauen müssen
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06. Juni 2024, 15:10 Uhr
Versichern allein reicht nicht aus: Warum wir unsere Bauweise an den Klimawandel anpassen müssen und welche Baumaterialien und Regelwerke wir künftig brauchen - eine Expertin des Gesamtverbands der Versicherer erklärt es.
Anja Käfer-Rohrbach vom Gesamtverband der Versicherer ist weit davon entfernt, wegen der aktuell diskutierten Pflichtversicherung für Elementarereignisse in Jubel auszubrechen. Der Vorstoß einiger Bundesländer sei auch nicht das Ergebnis erfolgreicher Lobbyarbeit.
Prävention und Vorsorge gegen Elementarereignisse
Mit einer Pflichtversicherung alleine lösen wir das Problem nämlich nicht, sagt die Versicherungsexpertin. Auch eine größere Solidargemeinschaft könne die steigenden Beiträge nicht mehr stemmen, angesichts von Jahrhundertereignissen, die gefühlt im Jahrestakt auftreten. Wir müssten vielmehr passende Baumaterialien verwenden, unsere Bau-Regelwerke anpassen und uns um den Hochwasserschutz kümmern.
Die Versicherung kann maximal den Sachschaden ersetzen, aber die Menschen wollen ja nicht ständig ihre Häuser wieder aufbauen.
Gefahr auch ohne Fluss vor der Tür
Wer nahe am Wasser gebaut hat, der hat logischerweise ein höheres Risiko, einen Schaden zu erleiden. Das wird bei der Prämie oder dem Selbstbehalt immer mit eingepreist werden müssen, erklärt Anja Käfer-Rohrbach. Unterm Strich sei es da unerheblich, ob - wie aktuell - rund 50 Prozent der Leute versichert sind oder bei einer Pflichtversicherung dann 100 Prozent. Doch momentan wissen viele Menschen gar nicht, dass auch sie gefährdet sind.
Das Ahrtal war ein Starkregenereignis, keine Überschwemmung durch Flusshochwasser, so die Versicherungsexpertin. Bedeutet: Auch wer keinen Fluss vor der Tür hat, kann gefährdet sein. Wegen der höheren Meerestemperaturen verdampft deutlich mehr Wasser als früher. Zudem können wärmere Luftmassen mehr Wasser aufnehmen, was sie dann auch bei uns abladen. So geschehen zuletzt im Süden Deutschlands.
Wie können wir uns effektiv gegen Hochwasser schützen?
Auch bei lokalen Gewittern müssen wir künftig mit mehr Wasser rechnen. Bedeutet: Unsere Entwässerungssysteme müssten eigentlich größer dimensioniert sein, Flächen müssten entsiegelt werden, Flüsse renaturiert, Überflutungswiesen als solche erhalten bleiben, Deiche gewartet werden und so weiter. Die Liste ist lang.
Bauweise an den Klimawandel anpassen
Zwar gibt es beim Gesamtverband der Versicherer eine Übersicht, anhand derer man durch Eingabe der Adresse das Hochwasserrisiko für das eigene Haus abschätzen kann, aber das ist wirklich nur eine Schätzung. Konkrete Maßnahmen werden nicht vorgeschlagen und es geht eher um Flüsse als um Starkregen.
Anders in Österreich. Dort gibt es ein Portal, auf dem man das Risiko für das eigene Haus visualisieren kann. Wie hoch steigt das Wasser bei kleineren oder größeren Hochwasserereignissen? Das wirkt auf den ersten Blick wie ein grafisch schlecht gemachtes Computerspiel, aber das Wichtigste lässt sich ableiten, nämlich: Wie hoch würde das Wasser steigen, wenn … Mit diesen Informationen kann man dann Schutzmaßnahmen ergreifen, also Mauern bauen, ein Gebäude abdichten, andere Materialien verwenden, die auch wieder trocknen.
Welche Baumaterialien und Bau-Regelwerke brauchen wir?
Angesichts energetischer Sanierungen kann die Wahl der Dämmstoffe entscheidend dafür sein, ob ein Haus nach einem Hochwasser gerettet werden kann oder nicht.
Es gibt alternative Dämmstoffe, denen kann auch ein Wasserschaden nichts anhaben, da gebe ich das Geld nur einmal aus.
Auch sind Fertigteil- oder Fachwerkbauweisen vielleicht erst in höheren Geschossen anzuraten, wenn das Untergeschoss potenziell überflutungsgefährdet ist. Nur: Wer weiß das schon so genau? Der Ansatz "hier war noch nie was" kann ein fataler Irrtum sein; auch der Glaube, ich wohne in einem oberen Stockwerk zur Miete, wozu brauche ich eine Elementarversicherung? Das ist doch die Sache des Hauseigentümers!
Das stimmt für die Gebäudeversicherung, die eine Elementarkomponente haben sollte. Doch für den Fall, dass das Dach wegfliegt oder die Ziegel von Hagelkörnern komplett zerschlagen werden, sind gerade die oberen Stockwerke gefährdet. So geschehen vor einigen Jahren in Lehnstedt im Weimarer Land. Das Wasser lief an den Innenwänden durch die Häuser und ruinierte auch die Einrichtung. Eine Hausratversicherung, die solche Schäden mit abdeckt, war hier im wahrsten Sinne des Wortes elementar.
MDR (ifl)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 06. Juni 2024 | 16:40 Uhr