Das MDR-Klima-Update | Freitag, 14. Janaur 2022 Warum wir auch im Winter über Hitzewellen reden müssen
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14. Januar 2022, 11:00 Uhr
Südamerika erwartet in den nächsten Tagen eine Hitzewelle. Die vergangenen sieben Jahren waren die heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Deshalb müssen wir auch im Winter über Hitzewellen reden und darüber, ob wir darauf vorbereitet sind.
Einen schönen guten Tag!
Am vergangenen Freitag hatte mein Kollege Florian Zinner Ihnen bereits geschrieben, dass der Deutsche Wetterdienst 2021 als elftes Jahr in Folge als "zu warm" bezeichnet hat. "Zu warm" klingt ziemlich harmlos, finde ich. "Heiß" hat der "Copernicus Klimawandeldienst" am Montag gesagt: EU-weit waren die vergangenen sieben Jahre die heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
Auch wenn wir Mitte Januar haben: Es soll heute um Hitze gehen. Den ersten Überblick, wie sich die Hitze auswirkt, gibt der MDR-WISSEN-Film.
Der Film erzählt, worauf sich heute geborene Kinder einstellen müssen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet ab 2030 jedes Jahr mit einer Viertelmillion Hitzetoten weltweit.
Im Film mit Eckart von Hirschhausen werden viele Auswirkungen von Hitze aufgezählt:
- Herz-Kreislauf-Probleme: Forscher sprechen bei Wetterwechseln auch von "Schlaganfallwetter"
- Mücken verbreiten immer mehr gefährliche Krankheitserreger.
- Anders als im salzigeren Atlantik oder Mittelmeer vermehren sich in einer wärmeren Ostsee Bakterien (Vibrionen) viel besser. Von 130 Bakterienarten sind zehn Prozent krankheisterregend. Eine Folge: mehr Infektionen.
- Pflanzen beginnen früher und länger zu blühen – Allergiker leiden. Besonders in Städten. Dort sind Pollen durch Feinstaub noch aggressiver.
Drei Viertel der Menschen in Deutschland wohnen in Städten. Sie sind besonders gefährdet: enge Gassen, Schluchten zwischen Hochhäusern, in denen sich die Hitze staut. Aber jede Stadt ist anders. Forschende sagen, Städte können einen Temperaturunterschied von bis zu zehn Grad Celsius haben.
Wie Hitzewellen das Leben der Menschen beeinflussen, lässt sich akut in Südamerika beobachten. Unsere Korrespondentin Diana Hörger, die in Rio de Janeiro für die ARD arbeitet und gerade in Paraguay unterwegs ist, habe ich gestern per E-Mail gebeten, uns ihre Eindrücke zu schicken.
Sie schreibt:
"Auf Argentinien, Uruguay und Paraguay und auf den Süden Brasiliens rollt eine historische Hitzewelle zu. In Argentinien und Umgebung herrschen Temperaturen zwischen 40 und 50 Grad Celsius. In Großteilen des argentinischen Gebiets wird vom Nationalen Wetterdienst wegen extremer Temperaturen gewarnt. Die Menschen werden gebeten, viel zu trinken und möglichst wenig körperlich anstrengende Tätigkeiten zu verrichten. Wahrscheinlich wird Buenos Aires die Marke der bisherigen Höchstwerte knacken. Bisher liegt sie bei 43,3 Grad im Jahr 1957."
Buenos Aires ist mit 13 Millionen Einwohnern eine der größten Städte Südamerikas. Und wohl ein typisches Beispiel, was auf uns zukommt: Denn die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten. Tendenz steigend. In einer neuen Studie haben Forschende Voraussagen erstellt, wie sich die Temperaturen in den Städten entwickeln.
Dabei haben sie 26 globale Klimamodellen berücksichtigt und Szenarien mit mittleren und hohe Emissionswerten verglichen. Ergebnis in Kürze: bei mittleren Emissionswerten +1,9 Grad bis 2100, bei hohen bis +4,4 Grad. Und ausführlich mit Link zur Studie in unserem Artikel.
Das Klima greift unsere Gesundheit an.
Ich hatte deshalb verschiedene Institutionen angeschrieben, die zu dem Thema forschen. Nicht alle hatten Zeit für einen Austausch. Das sind wir als Journalisten gewöhnt und das ist absolut nichts Schlimmes – auch weil das Thema tatsächlich komplex (vielleicht auch zu komplex für einen E-Mail-Newsletter) ist.
Eine Pressestelle hat gefragt, ob wir das Thema erst in einer späteren Ausgabe behandeln wollen. Klar, das geht natürlich und das werden wir sicher auch tun. Aber irgendwie fand ich den Nachsatz merkwürdig: "wenn es von der Jahreszeit her auch besser passen würde".
Haben Sie den Film "Don’t Look Up" gesehen? Daran musste ich bei dem Nachsatz denken: Wir sollten doch jederzeit über die großen Herausforderungen des Klimawandels reden können – nicht erst, wenn es irgendwie passt. Und wissen Sie, warum? Weil wir uns darauf vorbereiten müssen.
(Das soll auch gar keine Schelte für die Pressestelle sein, denn es war ja freundlich gemeint, zeigt aber auch, dass wir vielleicht noch nicht oft genug groß und weit genug denken.)
Die CO2-Emissionen sorgen dafür, dass sich die Temperaturen in 92 Ländern erhöhen. USA, China, die EU, Indien und Russland sind die fünf größten Emittenten. Rechnet man ihre Emissionen heraus, würde das auf 46 Prozent der Länder zutreffen.
Hitzewellen: Die Hausaufgaben
Warme Städte, Herzkreislauf-Probleme, gefährlichere Ostsee, Mücken und aggressivere Pollen: Weil wir wissen, was kommt, können wir uns darauf vorbereiten. Tun wir das?
In unserem MDR-WISSEN-Film "Krank vor Hitze" sagt ein Forscher aus Jena:
- "Es fehlt ein nationaler Hitzeschutzplan, mit konkreten Handlungsanweisungen für das Gesundheitswesen."
Eine Bund-Länder-Gruppe hat 2017 "Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen" veröffentlicht (PDF).
Viel passiert ist seitdem wohl nicht: Die Bundesärztekammer hat solche Pläne 2019 gefordert. Der Ärztetag im vergangenen Jahr.
Bislang sind weder Bund, Länder, Landkreise oder Kommunen verpflichtet, solche Hitzeschutzpläne zu erarbeiten und vor allem umzusetzen. Wer sie festschreiben will, muss nämlich auch dafür bezahlen.
- Will die Bundesregierung, dass die Länder solche Pläne ausarbeiten, muss sie das finanzieren.
- Will eine Landesregierung das, muss sie das den Landkreisen finanzieren.
- Will ein Kreistag, dass die Gemeinden seines Kreises das tun, ist er in der finanziellen Verantwortung.
Und dass Hitzeschutzpläne nötig sind, zeigen mindestens diese zwei Karten:
Wenn Sie sehen wollen, wie warm es in ihrem Landkreis oder in Ihrer Stadt wird. Das geht in der ARD-Klimakarte interaktiv.
Oder Sie gehen zur Rekis, einem Projekt an der TU Dresden. Dort gibt es eine Art "Hitze-Steckbrief" für jede Gemeinde als PDF zum Ausdrucken.
Schwierigkeitsstufe: Hitzeschutzplan
Neben dem Geld geht es aber bei Hitzeschutzplänen auch um eine andere Frage: die der Zuständigkeit. Ein Gesprächspartner sagte mir gestern, Hitzevorsorge sei das schwierigste Thema für Verwaltungen von Bund, Ländern, Kreisen und Kommunen.
Kreisfreie Städte wie Halle, Magdeburg, Erfurt, Gera, Dresden oder Leipzig haben es da wohl am einfachsten: Umweltamt, Bauamt, Gesundheitsamt, Energie- und Wasserversorger und Schulen gehören zu ihrer Verwaltungseinheit.
Denn Hitzevorsorge spielt in all diese Zuständigkeiten:
- Umweltämter sind für Grünflächen verantwortlich.
- Bauämter können Windschneisen zur Abkühlung bei der Stadtplanung festlegen.
- Gesundheitsämter können Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern informieren.
- Städtische Wasserversorger können Trink- oder Springbrunnen errichten.
- Schulen können ihre kühlen Aulen oder Sporthallen zur Verfügung stellen.
Aber eine Stadt wie Stendal zum Beispiel, die zum Altmarkkreis Stendal gehört, hat kein eigenes Umwelt- und auch kein Gesundheitsamt – dafür ist der Landkreis zuständig. Und beim Thema Schulen ist es ganz verzwickt: die Stadt Stendal kann über ihre Grundschulen verfügen – weiterbildende Schulen gehören zum Landkreis.
Die Stadt Stendal schreibt, man sei mit einem Krisenstab auf außergewöhnliche Ereignisse vorbereitet und es gäbe ein Stadtentwicklungskonzept mit dem "Teilthema Klima und Umwelt: Frisch- und Kaltluftschneisen von Bebauung freihalten, Versiegelung vermeiden, Regenwassermanagement, Neupflanzungen von robusten Pflanzen, die auch in Hitze und Trockenheit bestehen".
Um sich vorbeugend an die Klimafolgen anzupassen, seien finanzielle und personelle Ressourcen in den Kommunalverwaltungen notwendig. "Der Leitspruch 'Global denken und lokal handeln' muss mit Ressourcen untersetzt werden.
Der Altmarkkreis Stendal schreibt: "Spezielle Dokumente, Regelungen gibt es für diese Thematik derzeit nicht. Hitze und Dürre sind allgemein mit in der Gefährdungsanalyse des Landkreises aufgenommen. Grundthemen hierzu sind die Trinkwasserversorgung, Stromausfälle oder die erhöhte Waldbrandgefährdung."
Was jeder Einzelne bei einer Hitzewelle tun kann, dazu gibt das Bundesamt für Katastrophenschutz klare Empfehlungen. Aber Hitzewellen sind natürlich ein Problem, mit dem nicht der Einzelne fertig werden kann.
Auf einer Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) stehen die aktuelle Hitzewarnkarte und auch eine UV-Gefahrenkarte des Deutschen Wetterdienstes. Und dort gibt es auch konkrete Empfehlungen für ältere Menschen, für Familien mit Kleinkindern, für Pflegeeinrichtungen, Kitas und Schulen. Und: für Kommunen.
Fragen Sie doch mal Ihre Kommune, ob sie einen Hitzeschutzplan hat oder daran arbeitet! Erfurt, Dresden und Magdeburg werden bei der BzgA als Beispiele genannt.
Die Empfehlungen lesen sich aber sehr allgemein. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit wird da in seiner Broschüre deutlich konkreter. Sie nennt sich "Hitzeaktionspläne in Kommunen" (PDF) und enthält auch eine Toolbox für Kommunen.
Hitzeaktionspläne: Fällt Ihnen auf, wie merkwürdig das Wort "Hitzeaktion" klingt? Als würden wir alle auf eine Sommerfrische gehen oder uns auf eine Rabattaktion freuen. Dabei ist das Gegenteil der Fall!
Alles in allem wirkt die Hitzevorsorge in Deutschland auf mich wenig einheitlich und koordiniert. Vor allem weil die "schwächste" staatliche Verwaltungseinheit – die Kommune – dafür verantwortlich ist.
Und das ist der eigentliche Grund, warum wir auch im Winter über Hitzewellen reden müssen.
Ein schönes Wochenende.
Bleiben Sie uns gewogen, empfehlen Sie uns gern weiter.
Alles Gute
Marcel Roth
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