Gitte Zschoch, Generalsekretärin des Instituts für Auslandsbeziehungen, steht am Mikro und spricht 7 min
Gitte Zschoch ist die Generalsekretärin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa). Bildrechte: picture alliance/dpa | Felix Hörhager

"Publik machen" Online-Ausstellung bringt DDR-Kunst nach über 30 Jahren wieder ins Licht

18. Juli 2024, 15:40 Uhr

Erstmals seit 30 Jahren gibt es Einblicke in die Arbeit des Zentrums für Kunstausstellungen (ZfK) der DDR. Die Auswahl der digitalen Ausstellung zeigt: Beim Thema Kunst in der DDR kommt man mit Vereinfachungen nicht weit. Zu sehen sind 160 Arbeiten von 40 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Helga Paris, Max Uhlig, Hans Ticha oder Werner Tübke. Im Gespräch dazu Gitte Zschoch, Generalsekretärin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa), das hinter der Ausstellung steckt.

Erstmals gibt es Einblicke in die Geschichte und Arbeit des Zentrums für Kunstausstellungen (ZfK) der DDR. Das ZfK wurde 1990 aufgelöst und in Teilen mit der bestehenden grafischen Sammlung des ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) zusammengeführt. Nun werden Werke der Sammlung online präsentiert.

Rund 10.000 Werke von 630 Künstlerinnen und Künstlern aus der DDR bewahrt das ifa seit 30 Jahren im Lager auf, sagte die Generalsekretärin des Instituts, Gitte Zschoch, MDR KULTUR. Unter dem Titel "Publik machen" zeigt es nun in einer Online-Ausstellung auf der digitalen Plattform Agora 160 Werke von 40 Künstlerinnen und Künstlern. Es sei ein erster, jedoch vielfältiger Einblick in das gewaltige Konvolut. Darunter befänden sich Aquarelle, Fotografien, Tusche-Zeichnungen, Druckgrafiken, Lithografien und Künstlerbücher. Die digitale Ausstellung ist eine Kooperation mit der Wüstenrot Stiftung.

Über das Zentrum für Kunstausstellungen in der DDR (zum Ausklappen)

Das 1973 als staatliche Einrichtung gegründete ZfK unterstand dem Ministerium für Kultur der DDR. Mit rund 80 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Abteilungen zur Bildenden Kunst, dem Kunsthandwerk, der Plakatkunst und dem Bühnenbild war das ZfK interdisziplinär aufgestellt. Die Aufgaben des Zentrums ähnelten denen des ifa – beide Institutionen organisierten Kulturaustausch anhand von Ausstellungen im Ausland und luden internationale Kunst und Künstler:innen in die DDR bzw. BRD ein.

schwarz weiß Foto von Helga Paris aus der Serie Berliner Kneipen von 1974: Eine dicke Frau steht am Tresen, im Hintergrund rauchen Männer, an der Wand steht: 25 Jahre DDR
Foto von Helga Paris aus der Serie "Berliner Kneipen" von 1974 Bildrechte: Helga Paris

Systemkonforme DDR-Kunst und Widerstand

Die jetzt öffentlich gemachten Werke spannen einen historischen Bogen von 1919 bis 1988, so Zschoch. Fotografien von Helga Paris seien dabei, Werke von Carlfriedrich Claus, einem Mitbegründer der visuellen Poesie, oder Konkrete Kunst von Horst Bartnig. Neben bekannteren Namen wie Max Uhlig, Hans Ticha oder Werner Tübke tauchen auch weniger bekannte auf, wie zum Beispiel Karla Woisnitza: Die heute 71-Jährige Künstlerin gehörte jedoch zu den wichtigsten Vernetzerinnen der nonkonformen Kunst-Szene der DDR.

Mit der Auswahl wolle man verdeutlichen, dass es im Hinblick auf Kunst in der DDR keine Vereinfachungen geben dürfe. Es sei sehr unterschiedlich gewesen, wie die Künstler gearbeitet haben: Es habe welche gegeben, die systemkonform blieben, andere hätten entgegen aller Widerstände ihren Platz dazwischen gefunden. Die Ausstellung zeige außerdem, dass Kunst in der DDR auf gemeinsamen Traditionen fußte, vielschichtig in die Gesellschaft hineinwirkte und mit systemübergreifenden Stilen verbunden sowie international vernetzt war.

Kunst: ein Foto von Matthias Hoch: zu sehen ist ein herunter gekommener Kiosk mit der aufschrift "Information"
Kunst aus dem Bestand des ZfK, gezeigt in der digitalen Ausstellung des ifa: Matthias Hoch - Dresden-Neustadt, 1988 Bildrechte: Matthias Hoch

Kunstbetrieb – Unterschiede zwischen Ost und West?

Das ifa befasse sich auch mit Fragen der Wahrnehmung dieser Künstler. Hat man ein differenziertes Bild von ihnen oder ist es eher stereotyp? Wie findet Kunst aus der ehemaligen DDR ihre Stellung im Kunstbetrieb? Das beschäftige auch junge Künstler. Gitte Zschoch, die aus Borna stammt, erinnert in den Zusammenhang an die Elitenforschung: Wie viele Menschen, die in der DDR geboren wurden, befinden sich heute in Führungspositionen? Ähnliche Debatten gebe es auch in der Kunst: Wer ist an den Museen und was zeigen die für Kunst und in welcher Art und Weise? Da sei eine Diskussion im Gang und dazu werde es in diesem Jahr noch ein Symposium geben – in Kooperation mit dem ifa.

Symposium zur Kunst und Künstler aus der ehemaligen DDR Am 8. und 9. November 2024 veranstaltet der Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart in Berlin ein Symposium unter dem Titel: "Der Westen musste nicht im Osten ankommen!". Anlässlich des 35. Jahrestags der Öffnung der Berliner Mauer reflektiert die Tagung, wie die Transformation der Kunstszene nach 1989/1990 sowohl individuell als auch kollektiv erlebt wurde. Dabei soll es u. a. zu einem Austausch kommen zwischen Zeitzeugen der 90er-Jahre und jüngeren Akteuren.

Ein Symposium unter der Schirmherrschaft von Carsten Schneider, Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland – in Kooperation mit dem ifa (Institut für Auslandsbeziehungen)

Eine Zeichnung von einer Frau mit dunklen Locken und nackter Brust, darüber der Schriftzug Mitteilungen 5, darunter der Schriftzug Zentrum für Kunstausstellungen der DDR
"Mitteilungen" des Zentrums für Kunstausstellungen der DDR von 1981, aus dem Bestand des ifa (Institut für Auslandsbeziehungen). Bildrechte: Archiv Schirmbeck

Vorteile einer digitalen Ausstellung im Netz

Zu sehen ist die Ausstellung "Publik machen" auf der digitalen Sammlungsplattform "ifa Agora" unter der Rubrik "Kontexte". Aufgrund des Onlineformats könne sich jeder von überall zuschalten und die Kunstwerke anschauen, so Zschoch. Die Arbeiten seien hochwertig digitalisiert und viele von ihnen bislang so gut wie nie an die Öffentlichkeit gekommen. Manchmal könne man sich regelrecht verlieren.

So gebe es von Helga Paris in der Ausstellung zwar nur ein paar Arbeiten, doch wenn man auf ihren Namen klicke, könne man noch viel mehr sehen: Weil das ifa Werke von Künstlern, die diese in weltweiten Tourneeausstellungen seit 1971 gezeigt haben, institutionalisiert hat.

Quellen: Gitte Zschoch, Pressemitteilung des ifa
Redaktionelle Bearbeitung: jb, sg

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur Kompakt | 18. Juli 2024 | 08:30 Uhr

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