Ausschnitt eines Wandbildes im Stil des Sozrealismus: Ein Mann hilft einer Frau in weißem Badeanzug in einen Mantel. 1 min
Das Wandgemälde von Gerhard Richter im Dresdner Museum zeigt Szenen um einen Badesee. Restauratorin Susann Förster erzählt im Audio von der Arbeit. Bildrechte: Andreas Rost/Gerhard Richter

Kunst Frühwerk von Gerhard Richter in Dresden ist wieder zu sehen

07. April 2025, 12:10 Uhr

Im Deutschen Hygiene-Museum Dresden wurde seit Dezember 2023 das Wandgemälde "Lebensfreude" von Gerhard Richter freigelegt. Es war Teil seiner Ausbildung an der Hochschule für bildende Kunst in Dresden. Später floh Richter aus der DDR. Das Bild wurde 1979 übermalt. Richter lehnte seine frühen Arbeiten ab und verweigerte über viele Jahre eine Freilegung. Doch dann durfte das Hygiene-Museum das Bild wieder zum Vorschein bringen.

In einem Treppenfoyer des Deutschen Hygiene-Museums Dresden ist eine zentrale, 19 Quadratmeter große Partie des monumentalen Wandgemäldes von Gerhard Richter wieder freigelegt. Die ursprünglich 63 Quadratmeter große Diplomarbeit des damaligen Studenten der Hochschule der bildenden Künste war 1956 entstanden: "Lebensfreude" lautet der Titel. Verschiedene Figurengruppen, heiter anmutende Szenen aus dem sozialistischen Alltag in der DDR hat der damals 24-jährige Künstler dort dargestellt.

Blick auf ein Wandbild: Kinder spielen um einen See, eine Frau trocknet sich ab, einer anderen wird ein Mantel angezogen.
Ungefähr ein Drittel des Wandgemäldes wurden freigelegt. Bildrechte: Andreas Rost/Gerhard Richter

Dresdner Museum erinnert sich

1979 wurde das Wandbild dann überstrichen und geriet nahezu in Vergessenheit. Dass das Wandbild nun in Teilen wieder freigelegt wurde, verdankt sich der Initiative von Museumsdirektorin Iris Edenheiser. Anlass für sie war unter anderem die Auseinandersetzung mit der Geschichte ihres Hauses in der DDR, die im vergangenen Jahr in der Sonderausstellung "VEB Museum" erzählt wurde.

"Der restauratorische Prozess der partiellen Freilegung von Gerhard Richters Wandbild 'Lebensfreude' ist jetzt zu einem wunderbaren Abschluss gekommen. Nicht abgeschlossen ist hingegen die kritische Auseinandersetzung mit den kunst- und zeithistorischen Schichten, unter denen das Bild ebenfalls verborgen war", meint Iris Edenheiser, Direktorin des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden. So soll das Publikum in Zukunft in einen offenen Dialog mit dem immer noch teilweise übermalten Bild treten mit Hilfe von Medienstationen oder Führungen durch das Gebäude.

Gerhard Richter überrascht mit Farben

Iris Edenheiser war nicht die Erste, die sich mit diesem Gedanken beschäftigte. Allerdings stieß eine Anfrage des Dresdner Hygiene-Museums 1994 bei Gerhard Richter auf Ablehnung. Denn von seinem Frühwerk aus der DDR hatte er, der 1961 in die BRD geflohen war, sich lange Zeit distanziert. 30 Jahre später scheint sich Richters Standpunkt offensichtlich geändert zu haben. Auf einen mit Bedacht formulierten Brief des Museums folgte relativ schnell das Ja des Künstlers.

Ein älterer Mann mit Brille in einem Atelier
Das offizielle Werk beginnt für Gerhard Richter erst nach seiner Flucht aus der DDR. Bildrechte: imago images/Becker&Bredel

Überrascht über die erneute Initiative war unter anderem Dietmar Elger, Leiter des in Dresden beheimateten Gerhard-Richter-Archivs. Für ihn war das Kapitel eigentlich abgeschlossen. Umso größer ist nun seine Freude angesichts des Ergebnisses: "Wir kannten das Bild. Da gibt es gute Fotos, aber nicht eines, das farbig gewesen wäre", erklärt Elger. "Von daher war die Farbigkeit eine große Überraschung, und diese spezielle Art des Farbauftrags in kleineren vertikalen Pinselstrichen und der Gesamteindruck ist eigentlich wunderbar", meinte der Archivleiter schon während der Restaurationsarbeiten.

Schwarz-Weiß-Bild eines Wandgemäldes von Menschen die fröhlich zwischen Bäumen und Wiesen sitzen und tanzen. Davor stehen Tische und der Raum wird von großen Deckenleuchten erhellt.
Bisher gab es nur Schwarz-Weiß-Fotos des Wandgemäldes. Bildrechte: Sammlung DHMD, Foto: Erich Auerbach

Kunst Schritt für Schritt freilegen

Über Monate hinweg haben sich Restaurator Albrecht Körber und seine Kollegin Susan Förster durch die zehn Farbschichten, die über Richters Wandgemälde liegen, durchgearbeitet. Zentimeter für Zentimeter haben sie die alte Farbe abgelöst. Dabei konzentrierten sie sich auf den Mittelteil des Wandbildes: eine Strandszene, die unter anderem eine Frauenfigur im Badeanzug zeigt und Kinder, die spielen. Das Musuemspublikum konnte ihnen dabei über die Schulter schauen, denn die Restaurierung erfolgte öffentlich in einer Schauwerkstatt. Finanziell ermöglicht wurde das Projekt, das 220.000 Euro kostete, von der Wüstenrot-Stiftung und der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung.

Richters frühes Wandbild freigelegt 4 min
Bildrechte: Andreas Rost/Gerhard Richter
4 min

Versteckt unter weißer Farbe versteckt sich im Dresdner Hygiene-Museum die Diplomarbeit von Gerhard Richter. Lange Jahre wollte der Künstler nichts davon wissen. Nun wird es freigelegt. Grit Krause berichtet.

MDR KULTUR - Das Radio Mo 07.04.2025 15:43Uhr 04:10 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/wandbild-gerhard-richter-museum-schauwerkstatt-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Dabei wurde das Restaurationsteam vom guten Zustand des Wandbildes überrascht. Immerhin sei es vor dem Übermalen 23 Jahre lang ungeschützt zugänglich gewesen. Der freigelegte Bereich weise lediglich historische Fehlstellen und einige Risse auf. Daher wurde am Bild selbst nichts bearbeitet, nichts retuschiert oder nachträglich eingefärbt.

Blick auf eine weiße Wand mit gleichmäßig verteilten bunten Rechtecken.
Zehn Farbschichten mussten vom Kunstwerk entfernt werden. Bildrechte: Andreas Rost/Gerhard Richter

Restaurationsarbeit war auch Forschungsprojekt

Die Methode, um die unterschiedlichen Schichten aus Wachsfarbe und Kunstharz abzulösen, hat das Restauratorinnen-Team gemeinsam mit der Hochschule für bildende Künste in Dresden entwickelt – Gerhard Richters einstiger Ausbildungsstätte.

Ein Mann und ein Roboterarm stehen vor einem Wandgemälde.
Die Methode zur Restauration wurde an der Dresdner Kunsthochschule entwickelt. Bildrechte: Andreas Rost/Gerhard Richter

Im Fachbereich Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung wurden die darüber befindlichen Farbschichten analysiert – gleichzeitig aber auch zur Maltechnik Gerhard Richters geforscht, wie Professor Ivo Mohrmann erläutert: "Richter selbst beschreibt in seinem Aufsatz von 1956, dass es ihm darauf ankam, eine Art flächige, ornamentale Wirkung zu erreichen. Wie ein Teppich, wie ein Gobelin sollte man sich diese Wandmalerei vorstellen, und wir waren froh, dass sich das bei der Freilegung auch bestätigt hat. Es war ein Stück weit auch der Versuch, von einer plakativen propagandaartigen Malerei wegzukommen zu dieser dekorativen Wirkung." In der Publikation "Gerhard Richter, Lebensfreude, 1956. Teilfreilegung eines verschwundenen Wandbildes im Deutschen Hygiene-Museum", die zeitgleich zum Abschluss der Restaurierungsarbeiten erscheint, kann man unter anderem das dann nochmal im Detail nachlesen.

Weitere Informationen

Adresse:
Deutsches Hygiene-Museum
Lingnerplatz 1
01069 Dresden

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, von 10 bis 18 Uhr

Zum Restaurationsprojekt ist das Buch "Gerhard Richter, Lebensfreude, 1956. Teilfreilegung eines verschwundenen Wandbildes im Deutschen Hygiene-Museum" erschienen. Die Publikation kann kostenlos an der Museumskasse angefragt und auf der Webseite der Wüstenrot-Stiftung bestellt oder digital heruntergeladen werden.

Redaktionelle Bearbeitung: tsa

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 07. April 2025 | 13:30 Uhr

Mehr aus der Region Dresden

Mehr aus Sachsen