VNG Vorstandschef Ulf Heitmüller im Interview beim Nachrichtenradio MDR AKTUELL
VNG Vorstandschef Ulf Heitmüller im Interview beim Nachrichtenradio MDR AKTUELL. Bildrechte: MDR / Mike Heerdegen-Simonsen

Interview Gashändler VNG: Mit vollen Speichern wieder in die Gewinnzone

27. August 2023, 10:08 Uhr

Ulf Heitmüller leitet Ostdeutschlands umsatzstärkstes Unternehmen: die VNG. Der Gashändler kauft Gas ein, speichert und transportiert es über Tochtergesellschaften weiter, um es an Stadtwerke, Industriekunden und Kraftwerksbetreiber weiterzuverkaufen. Wegen der rasant gestiegenen Gaspreise musste die VNG vor einem Jahr mit Hilfe der eigenen Aktionäre und mit staatlichen Geldern gerettet werden. Im Interview blickt Vorstandsvorsitzender Ulf Heitmüller wieder optimistisch in die Zukunft.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

MDR: Noch ist es sommerlich warm. Aber der Winter naht und damit die Heizperiode. Wie gut gefüllt sind Ihre Gasspeicher?

Ulf Heitmüller: Sehr gut. Wir haben bundesweit ungefähr einen Füllstand von 92 Prozent. Das ist oberhalb dessen, was wir vergangenes Jahr hatten, wo wir ja einigermaßen gut durch den Winter gekommen sind. Von daher sind die Voraussetzungen für den nächsten Winter gut.

Das heißt, wir müssen kein Gas mehr sparen?

Soweit würde ich nicht gehen. Es ist schon möglich, dass ein sehr kalter Winter zu einer Mangellage führen kann. Es ist ja nicht wieder so wie vor dem Wegfall der russischen Gaslieferungen. Von daher ist weiterhin Obacht angesagt.

Aber Sie sind entspannter als vor einem Jahr.

Ja, klar. Vor einem Jahr war die Lage extrem unsicher. Wir hatten eine wahnsinnige Dynamik in den Gasmärkten. Wir haben da Preisspitzen gesehen, die Faktor zehn bis fünfzehn oberhalb dessen waren, was wir sonst gezahlt haben. Das war eine dramatische Situation. Das ist jetzt nicht mehr so.

Die Gaspreise sind in den vergangenen Monaten stark gesunken. Wird es noch weiter nach unten gehen?

Preisvorhersagen sind schwierig. Generell kann man sagen, hat sich die Situation der Preisfindung deutlich geändert. Flüssiges Erdgas, das per Schiff nach Europa gebracht wird, hat heute einen viel größeren Einfluss auf den Endpreis. Und damit sind wir viel stärker an die globale Preisfindung gebunden. Es ging kürzlich die Frage durch die Presse, ob es in Australien zu Streiks in der Flüssiggasproduktion kommen könnte. Und dann sind bei uns die Preise im Handel teilweise um ein Drittel nach oben geschossen. Also wir haben eine ganz andere Dynamik in den Märkten, als vor der Unterbrechung der russischen Gaslieferungen.

Früher war Russland einer Ihrer Hauptlieferanten. Die wichtigsten Pipelines sind zerstört. Woher bekommen sie Ihr Erdgas heute?

Wir haben früher natürlich auch nicht nur von den Russen Gas gekauft, sondern wir hatten einen Mix. Allerdings waren die Russen schon ein wesentlicher Bestandteil dieses Mixes. Der ist weggefallen. Dementsprechend haben wir reagiert und geschaut, was wir international an zusätzlichen Quellen erschließen können. Darüber hinaus haben die Norweger deutlich mehr Gas geliefert. Und so haben wir im Grunde genommen durch Diversifizierung und dem Einkauf an Spot-Märkten das Gas beschaffen können.

Das klingt sehr nüchtern, als wäre es gar kein Problem gewesen. Wie schwierig war es denn tatsächlich? Sie mussten ja schon einige Mengen an russischem Gas ersetzen.

Es gab einfach die Notwendigkeit, Gas nach Deutschland zu bringen. Und da bin ich sehr stolz darauf, wie Deutschland hier zwischen der Industrie, der Energiewirtschaft und der Politik auf verschiedensten Ebenen agiert hat. Wir haben es letztlich hinbekommen, entsprechende Volumina zusätzlich zu bekommen. Aber auch der Verbraucher hat geholfen. Wir erinnern uns an die Sparaufrufe, die gefruchtet haben. Der andere Aspekt ist die finanzielle Situation der VNG. Wir haben die wegfallenden Mengen mit deutlich teurerem Gas ersetzen müssen. Und das hat natürlich eine Riesenlücke in unsere Kassen gerissen. Und hier hat das Zusammenspiel der Politik und unserer Anteilseigner dazu geführt, dass wir das Unternehmen stabilisieren konnten. Wir konnten diese Verluste aufnehmen und waren in der Lage, Gas zuzukaufen zu hohen Preisen. Aber so haben wir die Versorgung in Deutschland sichergestellt.

Aber wie nah standen Sie am Abgrund? Es gibt ja auch Gasgroßhändler, die musste der Staat übernehmen.

Das ist richtig. Die Uniper ist so ein Fall, die Sefe im Prinzip auch. Zwei der ganz großen Gashändler sind jetzt in staatlicher Hand. Bei uns war es so, dass wir auch Staatshilfe nach dem Energiesicherungsgesetz beantragen mussten, weil wir nicht sicher sein konnten, dass wir aus der schwierigen Situation rauskommen. Am Ende hat uns dieses Zusammenspiel gerettet: Eine Einigung mit unserem Vorlieferanten, ein Teil staatliche Hilfe und eine deutliche Kapitalerhöhung durch unsere Anteilseigner. Und letztlich hatte unsere Belegschaft einen wahnsinnigen Anteil daran, dass das Geschäft weiterging, dass wir in der Lage waren, in anderen Geschäftsbereichen noch gutes Geld zu verdienen. Zusammengefasst: Wir waren schon nah an der Kante dran. Heute sage ich: Strich drunter, es hat funktioniert. Wir sind sauber rausgekommen und stehen wieder im Markt.

Der verstaatlichte Gashändler Uniper macht wieder Gewinn. Das hat einige erstaunt. Wie ist es bei Ihnen?

Mich hat das nicht erstaunt. Es ist ja die Zielsetzung von so einem Unternehmen, Gewinne zu machen.

Aber es ging recht schnell. Kaum gerettet, schon wieder profitabel.

Ja, aber die Ursache der Probleme war ja recht singulär. Es lag an einzelnen Verträgen. Und wenn man dafür eine Regelung gefunden hat, dann ist man auch in der Lage, wieder Gewinne einzufahren. Auch wir als VNG werden 2023 wieder in die Gewinnzone kommen. Wir haben durch die Bank in allen Geschäftsbereichen wieder gute Ergebnisse. Von daher sind wir auf einem wirklich guten Weg. Das ist auch notwendig, denn wir wollen Investitionen tätigen. Und dafür brauchen wir Gewinne, damit wir diese finanzieren können.

Sie sind ja das umsatzstärkste Unternehmen in Ostdeutschland, gehören mehrheitlich aber einem westdeutschen Unternehmen, der EnBW. Es gibt immer wieder Sorge, dass Sie Leipzig verlassen könnten. Wie sicher ist Ihr Standort?

Was den Verbleib in Leipzig angeht, gibt es gar keine Diskussion.

Wir haben viel über Erdgas gesprochen. Aber Erdgas ist ein endliches Geschäft. Die Europäische Union will klimaneutral werden, und irgendwann wird es ohne Erdgas gehen müssen. Was machen Sie dann als Gasgroßhändler?

Auch unser Ziel ist es, bis 2045 klimaneutral zu sein. Wir haben 2022 gesehen, dass diese Wirtschaft mit Strom allein nicht funktionieren wird. Wir brauchen Moleküle im Energiesystem, die klimaneutral sein müssen. Wir werden in den nächsten Jahren deshalb massiv in grünen Wasserstoff und Biogas investieren. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass das Thema Erdgas uns noch einige Jahre begleiten wird. 2045 ist ein klar gesetztes Enddatum. Aber in der Zwischenzeit ist es unsere Aufgabe, unsere Kunden mit Erdgas zu versorgen. Und dann haben wir eine regionale Rolle zu spielen. Wir sind ein wichtiger Arbeitgeber in Ostdeutschland. Und wir sind als Gasnetzbetreiber auch dafür verantwortlich, dass die notwendige Energieinfrastruktur, um Ostdeutschland mit Arbeitsplätzen zu versorgen, um Wachstum zu generieren, um Strukturwandel zu ermöglichen, dass diese Infrastruktur bereitgestellt wird.

Jetzt haben Sie grünen Wasserstoff angesprochen. Momentan rechnen sich Investitionen darin aber nur durch die Unterstützung des Staates. Sämtliche grüne Wasserstoffprojekte, die ich kenne, bekommen eine Förderung. Die Herstellung ist teuer, manche sagen, grüner Wasserstoff sei der Champagner der Energiewende. Wo sehen Sie überhaupt Anwendungsmöglichkeiten? Wird grüner Wasserstoff auch in der Gasheizung beim Endverbraucher ankommen?

Wasserstoff wird insgesamt eine wesentliche Rolle spielen. Wir haben Industriebereiche, in denen man nicht in der Lage sein wird, die Prozesse nur mit Strom darzustellen. Außerdem glaube ich, dass Wasserstoff bei der Bereitstellung von Strom eine Rolle spielen wird, wenn eben nicht die Sonne scheint und nicht der Wind weht. Wie speichert man diese erneuerbaren Energien? Da ist Wasserstoff eine hervorragende Möglichkeit. Und was den Wärmemarkt betrifft: Ich glaube, da gibt es momentan keine einzelne Antwort. Man muss im Laufe der Zeit evaluieren, was wirklich sinnvoll ist, ob Wasserstoff in den Heizungssystemen landet oder nicht. Das kann man jetzt noch nicht klar erkennen.

Sie sagten, Erdgas werde noch einige Jahre benötigt. Aber irgendwann werden grüne Gase es ersetzen. An der Ostsee gibt es eine intensive Debatte darüber, ob man die zusätzlichen Flüssiggas-Terminals überhaupt noch benötigt. Ginge es vielleicht auch ohne?

Jede Infrastruktur, die uns in die Lage versetzt, zusätzliches Gas nach Deutschland zu bringen, steigert die Versorgungssicherheit. Man muss dann immer abwägen, welche lokalen Themen dagegensprechen. Dass Bürger ihre Sorgen zum Ausdruck bringen, ist völlig in Ordnung. Am Ende muss die Politik abwägen, was für sie das Wichtige ist. Ich würde sagen, wir müssen von der Haltung wegkommen, dass die Auslastung der Terminals das Maß aller Dinge ist. Diese Infrastruktur, die wir da bauen, ist auch ein Stück weit eine Versicherung für uns, falls wieder Schwierigkeiten auftreten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 27. August 2023 | 08:16 Uhr

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