Insolventer Reiseveranstalter FTI-Betroffene berichten von Kostenexplosion bis extra aufgenommenen Kredit
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14. Juni 2024, 09:30 Uhr
Die FTI-Pleite wirbelt den Reisemarkt derzeit ordentlich durcheinander. Viele Pauschalreisende bangen um ihre Urlaube, andere auch um ihre gezahlten Gelder. Wir haben mit Betroffenen darüber gesprochen. Experten haben wir zudem befragt, welche Reiseleistungen nun abgesichert sind.
Betroffene kämpfen mit vielen Unsicherheiten
Der Reisekonzern FTI hat am Freitag, den 7. Juni auf seiner Homepage angekündigt, alle Buchungen bis einschließlich 5. Juli zu stornieren. Zuvor waren alle Reisen bis zum 10. Juni zunächst betroffen. "Alle Reisen mit Abreisetermin bis Freitag, 5. Juli 2024, werden von FTI umgehend aktiv storniert", erklärt das Unternehmen. Kunden mit in diesem Zeitraum liegenden Reiseterminen haben zumindest die Gewissheit, dass alles ersatzlos gestrichen wird und dass sie nach Ersatz Ausschau halten müssen, wenn der Urlaub nicht ganz ins Wasser fallen soll. Hier werden sie dann für Termine in den nächsten Wochen meist tiefer in die Tasche greifen müssen. Denn damit steigt die Nachfrage nun noch einmal stark an, was die Preise hochtreibt.
"Wir haben teilweise 30 bis 50 Prozent Preissteigerung drin", sagt Michael Riebel, Geschäftsführer eines Reisebüros in Leipzig. Daran sei aber nicht nur die Nachfrage schuld: Frühbucher-Rabatte gibt es kurzfristig natürlich mehr, Flugtarife sind nun meist teurer. "Man muss nehmen, was man kriegen kann und die Hotels können eigentlich verlangen, was sie wollen", so Riebel. Dennoch seien auch noch gute Angebote drin, aber im begrenzten Umfang und mit viel Suche und Glück.
Man muss nehmen, was man kriegen kann und die Hotels können eigentlich verlangen, was sie wollen.
Sollte man schon eine Ersatzreise buchen?
Für die, deren Reise noch in der Schwebe hängt, weil die Reise nach dem 5. Juli beginnt und noch nicht von FTI storniert wurde, kann das Buchen einer Alternativreise mit Flex-Option bei einem anderen Anbieter sinnvoll sein. Hier können Kundinnen und Kunden relativ problemlos und kostengünstig die gebuchte Reise innerhalb eines bestimmten Zeitraums wieder stornieren. Vorsicht: Die Konditionen sind jedoch von Anbieter zu Anbieter verschieden.
Michael Hummel von der Verbraucherzentrale Sachsen rät für alle noch nicht von FTI abgesagten Reisen: "Auf gar keinen Fall in Aktionismus verfallen und die Reise selber stornieren." Auch sollte man genau hinschauen, ob FTI auch der Veranstalter sei: "Wenn FTI nur als Vermittler tätig geworden ist, dann findet die Reise ganz normal statt."
Entschädigungen aus dem Deutschen Reisesicherungsfonds nur für Pauschalreisen
Seit November 2021 gibt es den Deutschen Reisesicherungsfonds, der Pauschalreisende im Falle einer Insolvenz des Reiseveranstalters entschädigen soll. "In der Branche geht man davon aus, dass im Fonds genügend Geld drin ist. Hundertprozentig wissen es nur die, die das betreuen", sagt Uwe Richter, Experte für Tourismusmanagement an der Hochschule Harz. 750 Millionen Euro seien im Topf. Gefüllt werde er von den großen Reiseveranstaltern. "Die Entgelte und Sicherheiten müssen alle Reiseveranstalter bezahlen, mit einem Umsatzvolumen von mehr als zehn Millionen Euro", so Richter. Alle anderen Reiseveranstalter könnten zudem freiwillig einzahlen, seien aber nicht verpflichtet.
Zum ersten Mal muss auf den Fonds nun zurückgegriffen werden, Kundendaten des immerhin drittgrößten Reisekonzerns in Europa müssen dazu erfasst werden. Ob der Fonds seine "Bewährungsprobe" bestehe, werde sich nun zeigen müssen, so der Tourismusexperte, ebenso wann Geld an die Betroffenen fließt. "Das ist momentan ganz schwer abzuschätzen. Es wird noch sicherlich ein paar Wochen brauchen, bis man da einen Überblick hat", schätzt auch Verbraucherschützer Michael Hummel die Lage ein. Für kommende Pauschalreisen ist nach Experten aber bereits absehbar, dass der Fonds aufgestockt werden muss. "Kosten für Pauschalreisen werden dadurch leicht steigen. Da reden wir jetzt von rund fünf Euro pro Person, nicht von 100", erklärt Reisekaufmann Riebel.
In der Branche geht man davon aus, dass im Fonds genügend Geld drin ist.
Beispiel 1: Kredit als Überbrückungsfinanzierung bis Reisesicherungsfonds greift
Eine Reise, mehrere Schicksale: Doreen Feldmann und Yvonne Pammler aus Chemnitz mussten bis letzten Freitag noch um ihren Urlaub zittern, der am 2. Juli beginnen sollte, wie sie dem MDR-Magazin Umschau erzählen. Die beiden 44-Jährigen hatten demnach mit ihren Familien bereits im November mit Frühbucherrabatt eine Reise in die Türkei für je drei Personen für jeweils rund 3.000 Euro gebucht. Am Freitag hatte FTI verkündet, nun auch alle Buchungen bis zum 5. Juli zu stornieren. Die Nachricht habe die beiden am Abend durch das Onlineportal "Check 24", wo sie die von FTI organisierte Reise gebucht hatten, per Mail erreicht. Schnell haben sie nach Ersatz gesucht. "Die Informationen stehen jetzt auch bei FTI auf der Seite, also buchen wir jetzt", erinnert sich Doreen Feldmann. FTI habe sie dann am Abend zudem per Mail informiert.
Yvonne Pammler hatte nach eigenen Angaben bereits den gesamten Reisepreis für die durch FTI stornierte Reise überwiesen. Doreen Feldmann hatte noch Glück im Unglück, bei ihr war bislang nur die Anzahlung von rund 600 Euro von der Kreditkarte eingezogen worden. Auch wenn sie diese über den Reisesicherungsfonds wieder bekommt, ist das Geld bis dahin weg. Beide mussten sich dennoch strecken, auch wenn sie noch einen gleichwertigen Urlaub zum nahezu selben Preis ergattern konnten. Yonne Pammler hat einen Kredit aufgenommen, um die nun noch schnell gebuchte Reise finanzieren zu können. "Bleibt ja nichts anderes übrig", sagt sie.
"Inzwischen bin ich wieder erleichterter, da es nun doch losgeht. Wir haben noch kurzfristig gebucht. Vorher war es ein totales Chaos. Die Ungewissheit war ganz schlimm", erklärt Doreen Feldmann. Auch Yvonne Pammler freut sich: "Zum Glück mussten wir bei dem neuen Angebot auf nichts verzichten". Die beiden sind mit ihren Familien damit noch glimpflich davon gekommen. Zahlungen für die von FTI stornierte Pauschalreise bekommen sie durch den Deutschen Reiseversicherungsfonds ersetzt. Wann wissen sie noch nicht. "Man hört überall was anderes", so Feldmann. Mal hieße es, das ginge schnell, mal, dass es Jahre dauere. "Der Reiseversicherungsfonds meldet sich bei uns", weiß Pammler zu berichten.
Zum Glück mussten wir bei dem neuen Angebot auf nichts verzichten.
Beispiel 2: Mutter zahlt 2.400 statt 1.100 Euro
Algis Schuhknecht aus dem in der Nähe von Leipzig gelegenen Schkeuditz hatte sich auf eine Auszeit an der Ostsee in einer Ferienwohnung gefreut. Sie hatte bei Bigxtra für 1.100 Euro gebucht, wie sie dem MDR-Magazin Umschau berichtet. Auch Bigxtra ist von der FTI-Pleite betroffen. Die letzte Zahlung sei am 1. Juni eingezogen worden. "Am 3. Juni erfolgte die Mitteilung über die Insolvenz", sagt die 53-Jährige, die mit ihrer schulpflichtigen Tochter verreisen wollte. Dabei sei sie auch informiert worden, dass sie keinen Anspruch auf Entschädigung habe, weil es sich nicht um eine Pauschalreise handele, sondern um eine Einzelleistung. "Da war ich geschockt", erinnert sie sich. Am Folgetag habe sie eine weitere Mail bekommen, mit dem Hinweis noch nichts zu unternehmen oder sich mit FTI in Verbindung zu setzen, weil noch versucht werde, "etwas zu regeln".
"Ich will in drei Wochen fahren. Wie kriege ich noch etwas so schnell und am liebsten auch dahin?", habe sie sich recht schnell gefragt. Im Hotel habe sie angerufen und gesagt, dass sie an der Buchung festhalten wolle. "Da sagte mir der Herr aber, dass ich gar nicht mehr im System bin und meine Buchung schon storniert ist", erinnert sie sich. Die Fereienwohnung sei zu dem Zeitpunkt noch vorhanden gewesen. "Aber 800 Euro teurer", habe man ihr auf Nachfrage mitgeteilt. "Dann habe ich schweren Herzens auf diese Ferienwohnung verzichtet und ein Hotelzimmer für 1.300 Euro genommen", sagt sie. Dabei habe sie viel weniger Platz und viel weniger Leistung, auch der Erholungsfaktor sei geringer. Die 1.100 Euro von der stornierten Ferienwohnung sind weg und müssen bei den Urlaubskosten dazugezählt werden. Sie muss es ja auch bezahlen. "Was mich so richtig wütend und frustriert macht, dass das alles so kurzfristig noch abgebucht wurde, als doch mit Sicherheit beim Reiseveranstalter klar war, dass er insolvent ist", ärgert sie sich.
Was mich so richtig wütend und frustriert macht, dass das alles so kurzfristig noch abgebucht wurde, als doch mit Sicherheit beim Reiseveranstalter klar war, dass er insolvent ist.
Hier springt der Deutsche Reisesicherungsfonds nicht ein "Wenn ich nur Einzelleistungen gebucht habe wie Hotel, Flug und Mietwagen, dann falle ich nicht unter die Insolvenzabsicherung der Pauschalreise", so Verbraucherschützer Hummel. Das müsse dann dem Insolvenzverwalter mitgeteilt werden, um das Geld einzufordern. Aussichten auf Entschädigungen seien hier gering: "Wenn ich Glück habe, bekomme ich dann in mehreren Jahren vielleicht fünf Prozent."
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 11. Juni 2024 | 20:15 Uhr