Wohnungssuche Recht auf Wohnungstausch: Voraussichtlich keine Mehrheit im Bundestag

18. Oktober 2023, 13:17 Uhr

Ein Recht auf Wohnungstausch bei garantiert gleichen Mieten – das will die Linkspartei in Deutschland durchsetzen. Doch ihr Vorschlag findet keine Mehrheit. Dabei ist in Österreich der Wohnungstausch seit 1982 gesetzlich geregelt und wird von Mietern auch genutzt.

Die Politik diskutiert gerade das Modell des Wohnungstausches. Dabei sollen vor allem ältere Menschen, deren Wohnung nach dem Tod des Ehepartners zu groß geworden ist, mit Familien tauschen, deren Wohnung zu klein ist. Der Tausch erfolgt in der gleichen Stadt oder sogar im gleichen Viertel.

Im Fokus stehen dabei Familien wie die Ewerts aus Berlin. Sie leben zu viert in einer Zweizimmerwohnung. Die Zwillinge sind dreieinhalb Jahre alt. Seit deren Geburt suchen die Eltern händeringend eine größere Wohnung. Denn derzeit haben die beiden Mädchen ihre Betten im Schlafzimmer der Eltern. Auch das Wohnzimmer ist eher eine Mischung aus Eltern-, Kinder- und Spielzimmer.

Die Eltern verfügen über ein gutes Familieneinkommen. Sie wären bereit, bis zu 1.600 Euro warm für eine Vierzimmerwohnung auszugeben. Trotzdem hatten sie auf dem regulären Wohnungsmarkt bisher keine Chance. Dabei ließen sie nichts unversucht. "Angeschrieben haben wir bestimmt 300 Wohnungen", sagt Familienvater Ricardo Ewert. "Am Anfang hat man das auch noch in der Familie diskutiert, ob einem die Wohnung gefällt, die Lage, die Ausstattung. Jetzt heißt es nur noch: sehen, anschreiben und hoffen, dass man dann zu den vielleicht zehn Prozent gehört, die dann eingeladen werden."

Potential von zwei Millionen Wohnungen

43 Millionen Wohnungen gibt es in Deutschland. Sechs Prozent gelten als groß, haben also mindestens drei Wohnräume mehr als Bewohner. Das sind etwa zwei Millionen Wohnungen, die potentiell getauscht werden könnten. Die Linkspartei sieht hier zumindest eine Chance für Familien in Großstädten, die derzeit einfach keine bezahlbare Wohnung finden. Mehrere dieser Tausch-Plattformen gibt es bereits. Eine der größten heißt "tauschwohnung.com". Geschäftsführer John Weinert erklärt das Prinzip dahinter: "Ob es die WG ist, die sich auflöst, oder die Partnerschaft, die jetzt ohne Kinder dasteht, oder die ältere Seniorin, die nach dem Tod des Mannes in einer zu großen Wohnung lebt – unser Wunsch ist es, Jung und Alt miteinander im Tausch zu verbinden, weil wir das auch erleben, dass gerade die älteren Leute in den großen Wohnungen sind und die jungen Familien in den zu kleinen Wohnungen."

Wohnungstausch in der DDR gesetzlich festgeschrieben

Die Idee ist nicht neu: Schon zu DDR-Zeiten war der Wohnungstausch nicht nur gesetzlich festgeschrieben, sondern auch gelebte Realität. Noch in den 1980er-Jahren wohnten vor allem junge Familien extrem beengt. Um ältere Menschen zu einem Wohnungstausch zu bewegen, gingen damals Beauftragte der Städte und Gemeinden direkt zu den Senioren nach Hause, um diese zum Tausch zu bewegen. Mehrere hundert Wohnungen wurden so im Jahr in ostdeutschen Städten getauscht.

Aktuelle Studie zeigt kaum Erfolg beim Wohnungstausch

Welchen Erfolg hat der Wohnungstausch heute in Städten, wo er bereits mit kommunaler Unterstützung praktiziert wird? Harald Simons von der HTWK Leipzig hat das – im Auftrag des Bundesbauministeriums – bei sechs Tauschanbietern untersucht. Das Resultat ist ernüchternd: "Insgesamt ist die Zahl der Tauschfälle, die tatsächlich realisiert wurden, enttäuschend niedrig. Um es in Zahlen ausdrücken, ist das einfach gar nichts. Das ist ungefähr so wie ein Stück Zucker im Bodensee."

Der Studie zufolge steht der politische wie auch finanzielle Aufwand in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Wirkungen auf dem Wohnungsmarkt. So wurde zum Beispiel in Frankfurt am Main der Wohnungstausch zwar mit bis zu 7.500 Euro gefördert, so Simons. Tauschfälle gab es aber nur vier. In München seien es sechs gewesen. Die Stadt Potsdam hat sogar eine ähnliche Methode wie damals in der DDR praktiziert, aber es gab aufgrund dessen keinen einzigen Wohnungstausch. "In Potsdam hat man insgesamt 700 Gespräche mit älteren Herrschaften in großen Wohnungen geführt und denen versucht, das schmackhaft zu machen. Das war eine direkte Ansprache und das Ergebnis war genau null", so Simons.

Kaum Tauschbereitschaft bei Senioren

Auf der privaten Plattform "tauschwohnung.com" werden zwar, so Geschäftsführer Weinert, bis zu 1.000 Wohnungen im Jahr getauscht, aber auch hier passen Nachfrage und Angebot nicht zusammen. "Denn etwa 60 Prozent der Menschen wollen sich bei uns auf der Plattform vergrößern", sagt Weinert. "Lediglich 30 Prozent wollen sich verkleinern. Das heißt, wir brauchen mehr Leute mit großen Wohnungen auf unserer Plattform."

Nach Wohnungstausch geht Miete nach oben

Dass es kaum Senioren gibt, die ihre zu große Wohnung tauschen wollen, das hat auch Tabea Rühl aus Leipzig erfahren. Die junge Mutter lebt mit ihrem fünf Monate altem Sohn in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Schon Monate vor der Geburt hatte sie ihre Wohnung gegen eine größere auf der Plattform zum Tausch angeboten. Der Grund:  Sie wollte so schnell wie möglich mit dem Vater ihres Babys zusammenziehen.

Doch große Wohnungen gebe es kaum, so das Fazit der jungen Mutter, und wenn, seien sie zu teuer. Sie zeigt uns eine Drei-Zimmer-Wohnung, die für sie in Frage gekommen wäre. Das Problem: "Die Miete ist aktuell noch bei 968 Euro kalt, soll aber nach dem Tausch mindestens mal um 100 Euro angehoben werden", sagt Rühl. "Die Hausverwaltung bekundete schon, jährlich weiter zu erhöhen. Für 80 Quadratmeter wird uns das einfach zu teuer." Denn warm würde die Drei-Zimmer-Wohnung nach dem Tausch dann schon knapp 1.300 Euro kosten.

Auch Ricardo Ewert und seine Familie aus Berlin haben sich schon auf Wohnungstauschportalen umgeschaut. Doch auch sie hatten bisher keinen Erfolg. Eine Ursache sei, so Ewert, dass der finanzielle Anreiz für ältere Menschen fehlt, ihre Wohnungen mit noch günstigen Mietverträgen zu tauschen: "Die Mama eines Arbeitskollegen von mir wohnt in einer Fünf-Zimmer-Wohnung allein. Aber ein Tausch würde sich für sie trotzdem nicht lohnen. Wenn sie in eine Zwei-Zimmer-Wohnung zieht, zahlt sie mehr als jetzt. Das ist also total unrealistisch."

Aktuelle Stimmen zum Thema Wohnungstausch: Positionen der großen Parteien

Linke will Wohnungstausch bei gleichbleibenden Mieten

Beim Wohnungstausch können die Vermieter von beiden Parteien neue Mietverträge verlangen und dabei die Miete kräftig anheben. Das will die Linkspartei ändern. "Man tauscht nicht nur die Wohnung, sondern man tauscht auch die alten Mietverträge", fordert Caren Lay von den Linken. "Es ist also ein Tausch zu günstigen Konditionen, in dem die alten guten Mietverträge mit günstigen Mieten auch erhalten bleiben. Deswegen muss dieses Recht auf Wohnungstausch her und zwar als Recht, in den alten Mietvertrag einzusteigen."

CDU, FDP und AfD gegen einen Anspruch auf Wohnungstausch

Anfang Oktober hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung zum Thema Wohnungstausch durchgeführt. Im Zentrum der Anhörung stand die Frage, in welchem Rahmen ein Rechtsanspruch auf Wohnungstausch eingeführt werden kann. Für die CDU wäre ein gesetzlicher Anspruch auf Wohnungstausch "ein schwerwiegender Eingriff in die Privatautonomie und in das Eigentumsrecht", so Jan-Marco Luczak dem MDR gegenüber.

Auch die FDP sieht im Wohnungstausch kein Potential, Wohnraum zu schaffen. "Nur wenn wir mehr, schneller und günstiger bauen, werden wir die Wohnkosten unter Kontrolle bringen", sagt der bau- und wohnungspolitische Sprecher Daniel Föst dem MDR.

Die AfD lehnt den Vorschlag der Linken ebenso ab. Es dürfe nicht sein, "dass die falsche Bau- und Migrationspolitik der Bundesregierung, die zu der massiven Wohnungskrise geführt hat, jetzt auf dem Rücken von Vermietern und Mietern ausgetragen wird“" so Marc Bernhard, baupolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion.

SPD für ein Recht auf Wohnungstausch

Die mietenpolitische Expertin der SPD-Bundestagsfraktion, Zanda Martens, begrüßt hingegen den Vorschlag der Linken. Ein Recht auf Wohnungstausch würde zwar in die Vertragsfreiheit der Vermieter eingreifen, so Martens, aber derartige Eingriffe seien im Mietrecht "schon geläufig, verhältnismäßig und auch zulässig". Die Politik müsse sich nur entscheiden, sagt sie: "Sind wir nun für die unbeschränkte Vertragsfreiheit der Vermieter oder für bezahlbaren, angemessenen Wohnraum für die Mieter in ihrer Wohnungsnot?"

Grüne setzen eher auf gemeinnützigen Wohnungsbau

Die Grünen wollen zwar grundsätzlich den Wohnungstausch vereinfachen, setzen aber eher auf die Förderung von gemeinnützigen Wohnungsbau. Der Blick nach Österreich zeige, so das Argument, dass Wohnungstausch dann funktioniert, wenn es genügend sozialen und gemeinnützigen Wohnraum gibt. Deshalb solle der gemeinnützige Wohnungsraum durch steuerliche Förderung und ein staatliches Investitionszuschussprogramm für Wohnungsbau gestärkt werden und 2024 an den Start gehen.

Blick zum Nachbarn: Recht auf Wohnungstausch in Österreich

Ein Land, das den Wohnungstausch seit 1982 gesetzlich geregelt hat, ist unser Nachbar Österreich. Vor allem in der Stadt Wien wird dieses Recht auch rege von den Mietern genutzt. Die 69-jährige Evelyn Novotny hat schon dreimal in ihrem Leben getauscht, jedes Mal hat sie sich dabei verkleinert. Zuletzt hat sie in derselben Wohnanlage ihre Zwei-Zimmer- gegen eine Ein-Zimmer-Wohnung getauscht. Ausschlaggebend für sie war vor allem eine Kostenersparnis von etwa 200 Euro. "Es sinkt ja nicht nur die Miete", sagt die Rentnerin, "auch Strom- und Heizkosten sinken. Gerade in der  jetzigen Zeit, wenn man allein ist, ist das ein wichtiger Anreiz zum Tauschen."

Großer Anteil von kommunalem und gemeinnützigen Wohnungsbau

Dass der Wohnungstausch der Rentnerin so unkompliziert lief, liegt weniger am Gesetz, sondern vor allem daran, dass der Vermieter ihrer Wohnanlage ein gemeinnütziges Unternehmen ist, das nicht gewinnorientiert arbeitet. Anders als in Deutschland gibt es neben dem privaten Sektor in Wien einen erheblichen Anteil von kommunalem, aber auch gemeinnützigem Wohnungsbau. Für Ernst Bach, Direktor eines solchen Unternehmens, ist das der wesentliche Grund, warum der Wohnungstausch in Wien nahezu alltäglich ist.

"Wir haben das kommunale Unternehmen 'Wiener Wohnen', das in Wien etwa 230.000 Wohnungen hat. In etwa haben die Gemeinnützigen nochmals so viel", erklärt Bach. "Das heißt, wir haben sozusagen 50 Prozent kommunalen oder gemeinnützigen Wohnbau, also regulierten Wohnbau, wo wir irgendwo mit der Miete in der Größenordnung bei 7,50 bis 8 Euro brutto liegen." Die Eigentümerstruktur ist in Wien also anders als in Deutschland. Auch die Mieten scheinen homogener zu sein, so dass der finanzielle Anreiz für Senioren wie Evelyn Novotny, sich mit einem Wohnungstausch zu verkleinern, entsprechend größer ist. 

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 10. Oktober 2023 | 20:15 Uhr

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