Ein Sportschütze zeigt 2009 eine Pistole und einen Revolver vor einem Waffenschrank mit drei Gewehren in einem privaten Haushalt.
Das aktuelle Waffenrecht in Deutschland funktioniert laut Waffenrechtsexperte Winkeldorf nicht mehr richtig. Bildrechte: picture alliance / dpa | Patrick Pleul

Waffenrecht Experte fordert komplette Erneuerung des Waffengesetzes

20. März 2023, 14:35 Uhr

Der Waffenrechtsexperte Lars Winkelsdorf hat ein komplett neues Waffengesetz gefordert. Der Fachdozent für Waffensachkunde erklärte bei MDR AKTUELL, das Waffengesetz in Deutschland gehe auf ein altes Nazi-Gesetz von 1938 zurück, das immer weiter verschärft worden sei. Nichts passe mehr zusammen. Aktuelle Fälle zeigten, dass es eine Bundeswaffenbehörde für Kontrollen und Prüfungen brauche.

Es ist eine eingeübte Prozedur, dass nach einem Amoklauf über eine Verschärfung des Waffenrechts diskutiert wird. Innenministerin Nancy Faeser etwa erklärte in den Tagesthemen, es sei Zeit für psychologische Eignungstests für Sportschützen und eine Prüfung des Verbots von halbautomatischen Pistolen.

Waffenrechtsexperte: Reaktionen nach Amoktaten kurzfristig und emotional

Waffenrechtsexperte Lars Winkelsdorf beobachtet solche Debatten seit 30 Jahren und glaubt nicht an die jetzt diskutierten Vorschläge. Sie seien anlassbezogen zu dem erfolgten Amoklauf. "Sie sind in erster Linie emotionale, kurzfristige Reaktionen. Die Probleme im Waffenrecht besteht aber bereits seit Jahrzehnten und werden durch solche emotionalen Reaktionen keinesfalls gelöst werden können."

Waffenbehörden oft überlastet

Winkelsdorf sagt, die Probleme lägen tiefer – nicht nur im Waffenrecht, sondern vor allem bei der Waffenkontrolle. Die ist Sache der Waffenbehörden. 541 gibt es davon in Deutschland, für jeden Landkreis eine. Auch in Bad Lauchstädt gibt es so eine Behörde, und die steht seit einer Woche in der Kritik. Trotz Warnungen habe sie nicht reagiert und so zugelassen, dass eine Frau von ihrem Ex-Partner mit seiner legalen Waffe erschossen wurde.

Ein Femizid, den auch Rüdiger Erben gern verhindert gesehen hätte – er ist parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt: "Es war offensichtlich schon lange klar, dass derjenige, der die Frau bedroht, Inhaber von Waffen ist. Und die Frau hat das auch vorgetragen."

Wenn man eine solche Konstellation habe, ergänzt Erben, dann gehöre die bedrohte Frau nicht ins Frauenhaus, sondern dann sei der bedrohende Ehemann zu entwaffnen. "Nach dem, was wir aktuell wissen, ist es keine Frage von Gesetzeslücken, sondern eher eine Nicht-Anwendung des Gesetzes. Es ist auch natürlich die Frage: Was hat die Waffenbehörde eigentlich mit der Erkenntnis gemacht?"

Viele Waffenbehörden sind überlastet, das zeigen Recherchen der Universität Leipzig mit dem Podcast-Radio detektor.fm. Komplizierte Gesetze erschweren die Arbeit, und es fehlt an Verfahren zum Austausch mit anderen Behörden. Fälle wie in Hamburg oder Bad Lauchstädt zeigen, dass es statt der 541 einzelnen Waffenbehörden eine Bundeswaffenbehörde bräuchte. Diese müsste für Kontrollen und Prüfungen ausreichend ausgestattet sein, sagt Lars Winkelsdorf.

Waffenrechtsexperte fordert komplette Erneuerung des Waffenrechts

Und auch beim Waffenrecht fordert Winkelsdorf ein mutigeres Vorgehen: "Das Waffenrecht insgesamt gehört deutlich entlastet. Wir haben tatsächlich ein altes Nazi-Gesetz von 1938, das immer weiter verschärft wurde, wo immer neue Ideen eingebracht wurden." Nichts passe mehr zusammen. "Wir sollten jetzt rangehen und durch Fachleute, durch Sachverständige ein komplett neues Gesetz auf die Füße stellen, mit komplett neuen Strategien dahinter. Denn dass wir hier alten Zöpfen der Nazis folgen, das macht überhaupt keinen Sinn mehr."

Doch von einer weitreichenden Reform des Waffenrechts, abseits von selektiven Verschärfungen oder Anpassungen, davon ist auch in der aktuellen Debatte nirgendwo die Rede.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 17. März 2023 | 17:09 Uhr

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