MDR-Recherchen "Sächsische Separatisten": Waffendeals mit Sprengstoffexperten in Österreich
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07. Februar 2025, 13:56 Uhr
Der mutmaßliche Rädelsführer der „Sächsischen Separatisten“ soll mit Militärausrüstung und Waffenteilen gehandelt haben. Ein Geschäft sticht dabei besonders hervor: der Verkauf eines Schalldämpfers nach Österreich. Der Abnehmer soll ein Sprengstoffexperte sein, der auch das österreichische Innenministerium berät.
- Beim Handel mit Waffen soll der Rädelsführer der Gruppe mit einem österreichischen Sprengstoffexperten gehandelt haben
- Dieser soll auch das österreichische Innenministerium als Sachverständiger beraten
- Er gilt als langjähriger Freund eines bekannten Neonazis aus Österreich
Nach Informationen von MDR Investigativ handelte der mutmaßliche Rädelsführer der “Sächsischen Separatisten” mit Militärausrüstung und Waffenteilen. Wie bereits im Dezember bekannt wurde, soll er über Plattformen wie Ebay-Kleinanzeigen oder den Telegram-Kanal “Völkischer Flohmarkt” Ausrüstungsgegenstände verkauft haben. Nach Einschätzung der Ermittlungsbehörden nutzte er Gewinne auch für die Finanzierung der “Sächsischen Separatisten”.
Sprengstoffexperte mit Beziehungen zur Regierung in Österreich
Laut Recherchen des österreichischen Magazins Datum sowie MDR Investigativ soll Jörg S. bei mindestens einem Geschäft auch einen Abnehmer in Österreich gehabt haben: Den 63-jährigen Alfred K. aus Krems in Niederösterreich. Diesem habe er einen Schalldämpfer verkauft, der zuvor an eine Deckadresse in Polen geliefert worden sein soll. Außerdem gehen die Ermittler davon aus, dass Alfred K. für Jörg S. einen Beschusstest von Platten für militärische Schutzwesten vermittelte.
Der Mann soll ein Sprengstoffexperte sein, der auch das österreichische Innenministerium als Sachverständiger berät. Schalldämpfer sind nach dem österreichischen Waffengesetz verbotene Gegenstände. Wie in Deutschland gibt es Ausnahmen beispielsweise für Jäger, die regelmäßig auf die Jagd gehen und eine gültige Jagdkarte besitzen. Offen bleibt jedoch die Frage, wieso der Sprengstoffexperte Alfred K., der Kontakte in das österreichische Innenministerium hat, einen Schalldämpfer ausgerechnet von einem deutschen Rechtsextremisten kaufte.
Ferner soll Alfred K. laut der Ermittler im Herbst 2023 für Jörg S. einen Beschusstest von schusssicheren Platten russischer Machart organisiert haben, die dieser anschließend verkaufen wollte. Die 200 Stück, die sich damals im Besitz von Jörg S. befunden haben sollen, hatten laut Ermittlern einen Verkaufswert von rund 50.000 Euro. Ob es wirklich zum Verkauf kam, bleibt unklar.
Vater von Jörg S. ist bekannter Neonazi
In Behördenakten, die das Magazin Datum und der MDR einsehen konnten, wird K. als langjähriger Freund des Vaters von Jörg S. sowie als Vertrauter der Familie S. dargestellt. Beim Vater von Jörg S., Hans Jörg S. jun., handelt es sich um einen namhaften österreichischen Neonazi und ehemaligen Kameradschaftsführer, der 1995 vom Landgericht Wien wegen des Straftatbestands der nationalsozialistischen Wiederbetätigung zu acht Jahren Haft verurteilt wurde, die er bis 1999 verbüßte.
Als Kameradschaftsanführer organisierte er in den 1980ern und 1990ern beispielsweise verbotene Wehrsportübungen. Dabei wurde auch trainiert, wie man Gegnern die Kehle durchschneidet oder mit einem Messerstich in eine Niere tötet.
Wer sind die "Sächsischen Separatisten"? Die„Sächsische Separatisten“ sind eine rechtsterroristische Vereinigung. Sie bestehen aus 15 bis 20 Personen, deren Ideologie von rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen geprägt ist. Sie sollen sich auf einen Zusammenbruch Deutschlands vorbereitet haben, um dann mit Waffengewalt Gebiete zu erobern.
Alfred K. leitet Kurse zum Umgang mit Sprengstoff
Alfred K. wiederum wurde 1983 als 17-Jähriger festgenommen, nachdem er gemeinsam mit einem anderen Jugendlichen versuchte in seinem Heimatdorf einen Weinkeller aufzusprengen. Bei der anschließenden Durchsuchung seines Zimmers in der elterlichen Wohnung fanden die Beamten einschlägige Neonaziliteratur. Über seinem Bett prangte ein SS-Schwur, wie in einem Zeitungsartikel aus der damaligen Zeit nachzulesen ist. K. ist mittlerweile zu einem gefragten Sprengstoffexperten geworden, der nicht nur in zahlreichen Fernsehsendungen aufgetreten ist. Auch in das österreichische Innenministerium scheint er gut vernetzt zu sein.
Dieses führt K. auf einer Liste von Personen und Organisationen, die Lehrgänge zur sicheren Durchführung von Explosionen abhalten dürfen. Er hat außerdem mehrfach einschlägige Kurse gemeinsam mit einem Referenten des Innenministeriums aus der Abteilung für Sicherheitsverwaltung gehalten.
Gleichzeitig wird Alfred K. mehrfach in den Behördenakten zu den “Sächsischen Separatisten” genannt, die Datum und der MDR einsehen konnten. Einem Informanten des FBI offenbart Jörg S. im Oktober 2022, dass er einen legalen Kurs im Umgang mit Sprengstoff absolviert habe. Die Ermittler schlussfolgern, dass er aufgrund des Verhältnisses zu Alfred K. grundsätzlich die Möglichkeit dazu gehabt habe. Während der Ermittlungen wurde Jörg S. länger abgehört, wie aus den Unterlagen hervorgeht.
Weitergabe eines Schalldämpfers
In einem aufgezeichneten Gespräch mit Alfred K. äußert Jörg S. im August 2023 sein Interesse an einem Schießtraining „in der Bewegung“ in Österreich. Im Oktober 2023 erklärt Jörg S. seiner Freundin in einem abgehörten Gespräch, dass er einen Schalldämpfer, den sie über eine Deckadresse besorgt haben soll, an Alfred K. weitergegeben habe. Dieser finde ihn gut und werde ihn testen und weiterverkaufen.
Alfred K. äußerte sich auf Anfrage des MDR nicht. Dem Datum-Magazin antwortete er jedoch telefonisch, dass er keine Fragen zu den „Sächsischen Separatisten“ und seiner möglichen Verbindung zu ihm beantworten wolle. Er begründet das damit, dass die Behörden ihn mit solchen Fragen noch nie konfrontiert hätten. Eine Stellungnahme zum Vorfall von 1983 lehnt er mit dem Hinweis ab, dass dieser schon mehr als 40 Jahre her ist. Martin Kohlmann, Anwalt des Beschuldigten Jörg S., lässt eine Anfrage von Datum und MDR Investigativ unbeantwortet.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | exactly "Sächsische Separatisten" – Militante Rechte rüsten auf | 13. Januar 2025 | 18:00 Uhr