Ruhestand und Gesundheit Spätere Rente bedeutet früheren Tod
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12. Mai 2023, 16:12 Uhr
Wenn Menschen später in Ruhestand gehen, zahlen sie länger in die Rente ein. Klingt gut, hat aber auch Nebenwirkungen: Ein höheres Renteneintritts-Alter bedeutet mitunter eine geringere Lebenserwartung.
Wer später in Rente geht, lebt potentiell kürzer. Auf diese knappe Formel lässt sich das Ergebnis einer deutsch-spanischen Studie zusammenfassen, die untersucht hat, ob es zwischen Sterblichkeit und Renteneintrittsalter einen Zusammenhang gibt. Cristina Bellès-Obrero, Sergi Jiménez-Martìn und Han Ye von den Universitäten Mannheim und Barcelona weisen in ihrer Forschungsarbeit empirisch nach, dass ein späterer Renteneintritt die Sterblichkeit erhöht.
Wie das? Dazu muss man sich erst einmal folgendes anschauen: Auf der einen Seite prognostiziert zum Beispiel die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dass bis 2050 doppelt so viele Rentenbezieher auf einen Arbeitnehmer kommen wie heute. Die Politik versucht deshalb Anreize dafür zu geben, dass die Menschen länger arbeiten. Aber hat das längere Arbeitsleben eigentlich Auswirkungen? Genau das hat das Forschungsteam untersucht und Sozialversicherungsdaten aus Spanien analysiert, anhand von Daten von vor und nach der Rentenreform 1967.
Spanien 1967: Das Renteneintrittsalter steigt von 60 auf 65 Jahre
Das war das Jahr, in dem Spanien das Alter für den Vorruhestand angehoben hat: Wer vor dem 1. Januar 1967 eingezahlt hatte, durfte weiter mit 60 Jahren freiwillig in Rente gehen. Wer nach dem Stichtag erstmals in die Rentenkasse einzahlte, konnte erst mit 65 Jahren freiwillig eine Rente beantragen.
Sterbe-Risiko steigt bei bestimmten Gruppen
Die Auswertung der Daten zeigte: Das Risiko, im Alter zwischen 60 und 69 Jahren zu sterben, war bereits bei einem um ein Jahr nach hinten verzögertem Renteneintritt 4,2 Prozentpunkte höher als bei regulärem Renteneintritt. Außerdem zeigte sich: Auch die Arbeitsbedingungen in den letzten Beschäftigungsjahren spielten bei verzögertem Renteneintrittsalter eine Rolle für die Lebenserwartung. Körperliche und psychosoziale Belastung, der Selbstwert bei der Arbeit und das Qualifikationsniveau sind dabei entscheidende Faktoren. Wird Arbeitnehmern mit schwerer körperlicher Belastung und gleichzeitig hoher psychischer Belastung das Recht auf eine Frühverrentung genommen, kann das zum vorzeitigen Tod führen. Erfolgserlebnisse und Anerkennung am Arbeitsplatz dagegen nicht. Dagegen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, im Alter zwischen 60 und 69 Jahren zu sterben, wenn der Renteneintritt bei Arbeitern mit niedrigem Qualifikationsniveau um ein Jahr verschoben wird.
Kein Patent-Rezept für optimalen Ruhestand-Start
Aber was heißt das nun für den Ausstieg aus dem Arbeitsleben? Das Forschungsteam schließt daraus, dass es keine einheitliche Pauschallösung für den Ruhestand gibt: "Eine Politik, die den Zugang zum Vorruhestand generell abschafft, kann die sozioökonomischen Ungleichheiten bei der Lebenserwartung verschärfen." Oder sie sorgt dafür, dass Menschen andere Wege aus dem Erwerbsleben suchen, wie man aus den Daten aus Spanien ablesen kann: Viele Menschen in Spanien umgingen die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters, indem sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder eine Teilrente nutzten, bevor sie dann die eigentliche Rente zum regulären Zeitpunkt beantragten.
Die Studie zeigte auch: Bei Menschen, die eine Teilrente beantragen konnten, war die Sterblichkeitsrate niedriger. Dies zeigt aus Sicht der Forscher, dass ein schrittweiser Übergang in den Ruhestand den negativen Auswirkungen eines längeren Arbeitslebens entgegenwirkt. Die deutsch-katalanische Forschungsgruppe sagt: "Eine allmähliche Absenkung der Arbeitsstunden am Ende des Berufslebens ist ein guter Weg, um die Herausforderungen der alternden Bevölkerung für den Arbeitsmarkt zu bewältigen und gleichzeitig die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen."
Links/Studien
Die Studie lesen Sie hier im Original.
lfw
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 04. Mai 2023 | 11:20 Uhr