Digitalisierung Wie es um die Nationale Bildungsplattform des Bundes steht
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01. Januar 2025, 05:00 Uhr
Es war eine große Idee des Bundesbildungsministeriums: die Nationale Bildungsplattform. Online sollten Lehrmaterialien liegen und ganze Kurse, Nutzer sollten ihre Zeugnisse dort verwalten können – von der Grundschule, Uni bis zur beruflichen Weiterbildung. Seit mehr als drei Jahren läuft das Projekt. Das Bildungsministerium hat dafür 630 Millionen Euro veranschlagt. Mittlerweile heißt die Nationale Bildungsplattform "Mein Bildungsraum" und seit Sommer ist eine Agentur in Leipzig dafür zuständig.
- Auf der Plattform "Mein Bildungsraum" sollen Zeugnisse digital zugänglich sein.
- An diesen Plänen hagelt es Kritik aus Zivilgesellschaft und Politik.
- Es bleibt unklar, ob aus der großen Idee einer Nationalen Bildungsplattform noch was wird.
Gelernt wird erst einmal nichts auf der Plattform "Mein Bildungsraum". Bei der Agentur für Sprunginnovationen in Leipzig (kurz: SPRIND), einer bundeseigenen GmbH des Bildungs- und des Wirtschaftsministeriums, heißt es zwar, Bildung sei die Mutter aller Sprunginnovationen. Aber was die SPRIND bei "Mein Bildungsraum" nun macht, ist eher Bildungsverwaltung.
Johannes Koska von der SPRIND sagt, bei Bildung würden alle an Pädagogik denken, aber das sei ein Fehler. Denn das deutsche Bildungssystem sei um formale Abschlüsse gebaut. Deshalb sei ganz klar, was zuerst digital werden müsse, sagt Koska von der SPRIND. "Das sind Zeugnisse. Das müssen wir einfach so nüchtern anerkennen. Und wenn es einem aber gelingt, den Zeugnisstrang erstmal in der Schule zu digitalisieren und den Schülern die Möglichkeit zu geben, sich schnell und einfach überall zu bewerben, auch international, verändert man auf einmal, wie die Datengrundlage in der Bildung ist, wie die Strukturen in der Bildung sind."
Kritik an "Mein Bildungsraum"
Geht es nach Koska, hat die SPRIND bis Ende 2025 Abiturzeugnisse in der Hälfte der Bundesländer digitalisiert. Ist das der große Wurf im Bildungssystem? Wohl kaum, sagt Anne Sophie Waag vom Verein Wikimedia. Sie wünscht sich eine Bildungsinfrastruktur für Inhalte und Angebote. Doch: "Das sind die Teile, die gar nicht weiterentwickelt werden. Stattdessen haben wir jetzt noch eine weitere Wallet, irgendeine weitere Zeugnisablage, wo es sogar schon verschiedene Gegenmodelle gibt. Also hier fragen wir uns, wie sinnvoll die Entscheidung so ist."
Wikimedia, mit 100.000 Mitgliedern eine der größten zivilgesellschaftlichen digitalen Stimmen, hatte bereits 2022 die Nationale Bildungsplattform in einer Studie kritisiert. Dass die SPRIND digitale Zeugnisse entwickelt, kritisiert auch die Bundestagsabgeordnete Petra Sitte von den Linken aus Halle.
Sie sagt, das hätte längst erledigt sein müssen – und nicht von einer GmbH des Bundes, sondern vom Bundesbildungsministerium selbst. "Also, da kann ich nur sagen, das ist eine ministerielle Selbstaufgabe. Jetzt sollen durch die SPRIND Bund-Länder-Gespräche und Dialoge geführt werden. Es soll mit der Zivilgesellschaft gesprochen werden. Das heißt, es soll um gemeinsame Lösungen für Politik, Verwaltung, Kommunen und Schulen gehen. Auch das wäre nach meinem Verständnis ministerielle Kernaufgabe gewesen." Sitte kritisiert auch, dass die Technologien, an denen die SPRIND arbeitet, nicht bahnbrechend seien – dabei sei der Auftrag der SPRIND, ausschließlich disruptive Technologien zu entwickeln.
Was wird aus der Nationalen Bildungsplattform?
Ist die große Idee der Nationalen Bildungsplattform, die nun "Mein Bildungsraum" heißt, damit gestorben? Das weiß auch Christoph Richter, Bildungsinformatiker an der Uni Kiel, nicht, der 2022 an der Wikimedia-Studie mitgearbeitet hatte. Vielleicht habe die Nationale Bildungsplattform zu viel gewollt, sagt Richter. Jetzt fehle eben das große Ganze. "Zugleich wird damit aber auch eine wichtige Chance vertan, sich mit der Frage zu befassen, wie ein zukunftsfähiges, gemeinwohlorientiertes und digital gestütztes Bildungssystem tatsächlich aussehen könnte."
Bemerkenswert bei digitalen Zeugnissen ist auch: Sie sind bereits im Online-Zugangsgesetz geplant. Die Lösung für alle Länder entwickelt dafür die Landesregierung von Sachsen-Anhalt. Auf MDR AKTUELL-Anfrage schreibt das Bildungsministerium in Magdeburg, das sich das System in Entwicklung und Einführung befinde. 2021 hieß es, Abizeugnisse sollten ab 2023 digital ausgestellt werden können. Nun versucht es die SPRIND – ein neuer und weiterer Akteur neben den 16 Bundesländern und dem Bund.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 01. Januar 2025 | 14:10 Uhr