Digitalisierung Warum es bei der Medienkompetenz in Schulen so langsam vorangeht
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von Hanna Kazmirowski, MDR SACHSEN-ANHALT
22. Dezember 2023, 11:02 Uhr
Schülerinnen und Schüler sollen mehr mit digitalen Medien arbeiten und über sie lernen. Doch dafür braucht es nicht nur die technische Ausstattung, sondern auch kompetente Lehrkräfte. Hat Sachsen-Anhalt genug davon? Viele Schulen und Institutionen zeigen sich engagiert, doch der digitale Wandel ist langsam.
- Schülerinnen und Schüler sind von digitalen Werkzeugen überzeugt.
- Medienkompetenz ist kein Schulfach.
- Der Bund fördert die Digitalisierung in den Schulen.
Die Zehntklässler Lennart und Amalia schleppen keine schweren Ranzen mehr in die Schule – die Zeit der Hefter und Blöcke ist für sie vorbei. Stattdessen bringen sie ihr Tablet mit. Denn sie gehören zur Tablet-Klasse des Elisabeth-Gymnasiums in Halle, einem Pilotprojekt der Schule in freier Trägerschaft. Seit der achten Klasse arbeiten sie nun schon digital: Microsoft-Office-Programme statt Papier, Datei-Ordner statt Hefter für jedes Schulfach. Ausgedruckte Arbeitsblätter gibt es trotzdem noch manchmal – für Klassenarbeiten und Sprachübungen zum Beispiel.
Tablet-Klassen als Vorbild für digitales Lernen
Da Lennart und Amalia nun täglich mit den digitalen Werkzeugen beschäftigt sind, schätzen sie ihre eigene Medienkompetenz gut ein: "Wenn ich mich mit Gleichaltrigen aus anderen Schulen unterhalte, dann wissen die meisten gar nicht, was die Programme sind. Also ich denke, es hat einen Vorteil, wenn man das jeden Tag macht", meint Amalia.
Auch Lennart ist vom digitalen Unterrichts-Modell überzeugt. Am Anfang sei er oft abgedriftet, weil er über das Tablet immer ins Internet gehen konnte. "Aber nach ein, zwei Monaten verliert man das Interesse daran und dann hört man damit auf." Diese Erfahrung gehöre laut den Lehrern des Gymnasiums auch zur Medienkompetenz.
Die Schülerinnen und Schüler würden mit dem Internetzugang umgehen lernen und dessen Chancen und Risiken erkennen. Die Geräte in der Schule zu nutzen, habe dahingehend einen erzieherischen Effekt.
Medienkompetenz parallel zum Lernstoff beibringen
Dass Medienkompetenz fester Bestandteil des Schulunterrichts sein soll, bedeute aber nicht, dass es dafür ein extra Fach gibt, stellt die Lehrerin und pädagogische Leiterin der Schule, Beate Höwer, klar: "Man darf es sich nicht so vorstellen, dass der Unterricht beginnt, alle den Laptop aufklappen und dann Medien-Erziehung dran ist."
Vielmehr seien alle Fachschaften daran beteiligt, das Thema je nach Möglichkeit und Bedarf nebenbei aufzugreifen und einzubauen.
Für das Elisabeth-Gymnasium ist klar, dass Medien und Digitalität nicht als Zusatz zu begreifen sind, sondern als natürlicher Bestandteil des normalen Unterrichts – auch wenn Medien-Bildung nicht die Hauptaufgabe der Lehrer sei, räumt Höwer ein. Sie und ihre Kollegen bilden sich sowohl untereinander als auch auf Tagungen weiter.
Aber auch die Schülerinnen und Schüler sollen in den digitalen Wandel eingebunden werden. So werten sie und die Schulleitung die Erfahrungen in der Tablet-Klasse gemeinsam aus. Abgeschlossen ist der Prozess noch nicht, erklärt Beate Höwer. Doch auf lange Sicht sei das Ziel, dass alle Schüler auf einem eigenen Tablet oder Notebook schreiben können – "Bring your own device", lautet das Motto.
Geld vom Bund fördert die Digitalisierung in den Schulen
Damit die Schulen überhaupt technische Geräte und digitale Infrastruktur anschaffen können, gibt es Finanzhilfen über den bundesweiten "DigitalPakt Schule". Während der Coronapandemie 2020 wurde dieser mit 500 Millionen Euro aufgestockt, davon flossen rund 14 Millionen nach Sachsen-Anhalt. Bis auf wenige Ausnahmen haben die Schulen laut dem Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung (Lisa) davon Gebrauch gemacht.
Um jeden Schüler mit einem eigenen Gerät auszustatten, reichten die Mittel aber nicht. Wie viele Tablets, interaktive Tafeln und WLAN-Router in Schulen bereits im Einsatz seien und wo es heute noch alte Polyluxe sind, lasse sich nicht mit genauen Zahlen beantworten.
Für die Ausstattung der Schulen sind die jeweiligen Schulträger verantwortlich – deren finanzielles und organisatorisches Engagement kann sich stark unterscheiden.
Weiterbildungen zwischen Technik und Pädagogik
Denn bestimmte Zusammenhänge, Systeme wie künstliche Intelligenz oder Algorithmen, die erschließen sich natürlich keinem, nur, weil er jeden Tag Instagram oder TikTok benutzt.
Technische Ausstattung allein heißt aber noch nicht, dass die Lehrkräfte und Schülerschaft mit digitalen Medien und sozialen Netzwerken umzugehen wissen. "Denn bestimmte Zusammenhänge, Systeme wie künstliche Intelligenz oder Algorithmen, die erschließen sich natürlich keinem, nur, weil er jeden Tag Instagram oder TikTok benutzt", erklärt Olaf Schütte, Geschäftsführer des Verbands junger Medienmacher (fjp>media e.V.).
Wenn Lehrerinnen und Lehrer mehr über die Chancen und Gefahren von Internetplattformen wüssten, könnten sie die Heranwachsenden darüber aufklären. "Da gibt es noch viel zu machen", kritisiert Schütte.
Manche Schulen nehmen Angebote nicht wahr
Das Bildungsministerium Sachsen-Anhalt hat erkannt, dass der bisherige Zustand in den Schulen unzureichend ist. Das hat es 2022 zugegeben, als es die sogenannten "Digitalassistenten" einführte. Deren Aufgabe ist es, Lehrkräfte bei der Digitalisierung ihres Unterrichts zu unterstützen. 100 Stellen sollen laut Ministerium dafür besetzt worden sein.
Darüber hinaus wird den Schulen eine "medienpädagogische Beratung" angeboten. Auf Abruf kommen die 15 Berater – die selbst Lehrerinnen und Lehrer sind – in die Schulen ihrer Region und bilden die dortigen Kollegen über konkrete Themen weiter.
"Sie kennen also die Realität und versuchen nicht, von oben irgendwas mit Medien zu installieren, was im Schulalltag gar nicht funktioniert", sagt Thomas Erling, der das Projekt beim Lisa beaufsichtigt.
Das Angebot an medienpädagogischen Weiterbildungen wächst also stetig. Das Problem sei laut Thomas Erling jedoch, die Schulen überhaupt erstmal dazu anzuregen. Verpflichtend ist nämlich keine der Fortbildungen. Das wäre aber sinnvoll, findet Olaf Schütte vom Verband junger Medienmacher.
Wir wissen aber auch, dass die Situation der Lehrkräfte sehr angespannt ist und man sie nicht zwingen kann, digitale Methoden umzusetzen.
"Wir wissen aber auch, dass die Situation der Lehrkräfte sehr angespannt ist und man sie nicht zwingen kann, digitale Methoden umzusetzen." Daher fordert er mehr Zeit-Kontingente für Lehrer, in denen sie sich bewusst mit den digitalen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen.
Extra Studiengang für Lehramt – mit nur 25 Plätzen
Damit künftige Lehrerinnen und Lehrer schon von Anfang an Medienkompetenz besitzen und vermitteln können, muss diese im Lehramtsstudium Thema sein.
Bisher ist das jedoch nicht der Fall. Um auf den steigenden Bedarf an Medienpädagogen zu reagieren, bietet die Hochschule Merseburg einen Kurs zum "Digital Coach" an und die Martin-Luther-Universität in Halle einen Ergänzungs-Studiengang in Medien-Bildung.
Den können allerdings nur 25 Lehramtsstudierende pro Jahr wählen. Für mehr fehlt der Uni das Geld. Das sei sehr bedauerlich, heißt es vom Lehrerbildungszentrum der Uni, denn es wäre gut, langfristig wenigstens eine Medienkompetenz-Fachkraft pro Schule zu haben. So würden in Zukunft vielleicht mehr Jugendliche so digital wie Amalia und Lennart lernen können.
MDR (Max Schörm)
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