Kommentar zum AfD-Parteitag Euer Europa will ich nicht
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06. August 2023, 19:57 Uhr
Die AfD hat sich in Magdeburg sortiert – fünf Tage lang. Fünf Tage voller offen geäußerter Hetze, Menschenverachtung und Gewaltfantasien. Jetzt steht fest, neben einer fünfunddreißig Mann starken Europa-Wahlliste zieht die AfD mit einem Programm in den EU-Wahlkampf, das viele Fragen offen lässt. Ein Kommentar.
- Das "wahre Europa" soll statt der EU leben.
- "Bund europäischer Nationen" als Selbstbedienungsladen.
- "Festung Europa" gegen "Messermänner" und "Pädophile".
Die AfD geht mit einem Programm in den EU-Wahlkampf, das Fragen offen lässt. Darin bedient sich die Partei nicht nur rechtsextremer und antisemitischer Codewörter, sondern fordert auch die Auflösung der EU und ein sogenanntes "Europa der Vaterländer". Das wäre das Ende der EU wie wir sie kennen und darf so nicht passieren.
Das "wahre Europa" soll leben
"Die EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann", erklärte der rechtsextreme Landeschef der Thüringer AfD, Björn Höcke, schon am vergangenen Wochenende und brachte damit seine Partei auf Linie. Wie "das wahre Europa" genau aussehen soll, ist auch der AfD noch nicht so ganz klar. Das Programm "Europa neu denken" lässt bewusst viel Interpretationsspielraum. Hauptsache "Stecker ziehen", "Dexit", also einen deutschen EU-Austritt und EU-Auflösung, fordern die einen, Kompetenzrückbau die anderen.
Selbstbedienungsladen mit starker Führung
Die EU sei "nicht reformierbar" heißt es in der Präambel des AfD-Europaprogramms, daher strebe die Partei einen "Bund europäischer Nationen", an. Dieser Bund soll zwar irgendeinen Binnenmarkt parat halten, aber vor allem seine Außengrenzen sichern und ohne jegliche Vorgaben für die Nationalstaaten funktionieren. Die Vision der AfD: ein Selbstbedienungsladen, in dem der wirtschaftlich Stärkste, also Deutschland, den Ton angibt.
Dieser Selbstbedienungsladen zugunsten Deutschlands dürfte mit unseren europäischen Partnerstaaten nicht zu verwirklichen sein, selbst, wenn auch dort rechte oder rechtsextreme Parteien unisono an die Macht kämen.
Weg von den USA, hin zu Russland
Direkt und indirekt zweifeln viele Vertreterinnen und Vertreter der AfD offen die Souveränität des deutschen Staates an. Fremde Eliten würden über die Politik hierzulande entscheiden.
Von der USA will sich die Partei loslösen, dafür zurück in die Gas- und Ölabhängigkeit von Russland. Das verfängt nicht nur bei der Basis, sondern offenbar auch bei einer wachsenden Zahl von Unterstützerinnen und Unterstützern, die der AfD ein Umfragehoch bescheren. Radikale Umbrüche verkaufen sich gut.
Von Realpolitik hat sich die AfD längst verabschiedet. Der Öffentlichkeit präsentiert sich die AfD in geschlossener Eintracht. Kein Streit, keine Probleme? Wer sich an Versatzstücken von Verschwörungstheorien bedient und seine Aussagen jederzeit nach Gutdünken widerruft, so wie es eben gerade in den Kram passt, der braucht keine klaren Inhalte zu formulieren und auch keinen Konsens zu schaffen – nicht einmal in der eigenen Partei.
Radikales Auftreten gefragt
Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit hat die AfD auf ihrem Pfad der Radikalisierung längst über Bord geworfen. Sie war ein Ballast für die Redenschreiber und ein Stimmungskiller auf den Parteitagen. Wer heute in der AfD auffallen will, muss und will radikal auftreten.
Der aufgelöste gesichert rechtsextreme Flügel der AfD ist in der Bundespartei aufgegangen, die rechtsextreme Parteijugend fest in der Partei verankert. Flügelpositionen sind jetzt Parteiräson. So verwundert es kaum, dass in den Magdeburger Messehallen Aussagen Applaus erhalten, die schlichtweg verfassungsfeindlich sind.
"Pädophile", "Perverse" und "Messermänner"
Die Einstufung der AfD-Bundespartei als gesichert rechtsextrem ist nach diesen fünf Tagen von Magdeburg unausweichlich. Am Rednerpult werden sexuelle Minderheiten als "Pädophile" und "Perverse" bezeichnet, Flüchtlinge nennen viele der Delegierten pauschal "Messermänner", gegen die es sich in einer "Festung Europa" zu verteidigen gelte.
Baerbock und von der Leyen sollen "in den Knast", Merz und Habeck an "die Ostfront". Es brauche mehr völkerrechtswidrige Pushbacks, egal was der Europäische Gerichtshof sagt, meint eine Delegierte und wird dafür auf Platz neun der Europawahlliste gewählt.
Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit
Von "globalistischen Eliten", die einen großen Bevölkerungsaustausch geplant hätten, ist die Rede. Das ist antisemitisch, ausländerfeindlich und schlichtweg erfunden. In der AfD gehören Inhalte wie diese mittlerweile zum guten Ton. Das zu benennen ist nicht nur Aufgabe des Verfassungsschutzes, sondern auch der demokratischen Parteien und allen Mitgliedern unserer Gesellschaft, für die das Grundgesetz keine Verhandlungssache darstellt.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 06. August 2023 | 15:55 Uhr