Kristin Schwietzer zum Thema Abschiebungen
Können mehr Abschiebungen die Gefahr, die durch islamistische Gefährder ausgeht, minimieren? Bildrechte: Collage: IMAGO/Gustavo Alabiso / ARD-Hauptstadtstudio/Reiner Freese / MDR

Unter der Lupe – die politische Kolumne Es braucht mehr als nur politische Reflexe

08. Juni 2024, 05:00 Uhr

Mehr als eine Woche nach der Messerattacke auf einen Polizeibeamten wird im politischen Berlin darum gerungen, wie man künftig solche Taten verhindern kann. Schnellere Abschiebungen, Änderungen am Asylrecht – der Bundeskanzler spricht plötzlich von rigorosen Rückführungen auch nach Afghanistan und Syrien. Doch was davon ist wirklich machbar?

Was bleibt nach dem Attentat von Mannheim? Ein politischer Aufschrei und die Erkenntnis, dass Deutschland viel zu wenig dafür getan hat, islamistische Gefährder zu erkennen und ihre Strukturen zu unterbinden.

Ausländische Straftäter rigoros abschieben. Dieser Reflex war zu erwarten. Dass jetzt fast alle Parteien nach einem härteren Vorgehen rufen, ist nach dieser schrecklichen Tat menschlich mehr als verständlich und politisch nachvollziehbar. Schließlich will niemand kurz vor der Europawahl und den Kommunalwahlen Rechtspopulisten das Feld überlassen.

Wie verhandeln mit den Taliban?

Doch das Mittel der Wahl dürfte vorerst maximal der Abschreckung dienen. Abschiebungen nach Syrien oder Afghanistan, wie soll das so schnell gehen? Beide Länder gelten als unsicher, vom Krieg zerstört, in den Händen von brutalen Machthabern, Assad in Damaskus und die radikal-islamistischen Taliban in Kabul.

Wie will man mit jenen verhandeln, die nur ihre eigenen Regeln akzeptieren? Rückführungsabkommen schließen, Abschiebeflüge organisieren und das alles mit einem freundlichen Händeschlag? Wohl kaum.

Rückführungen über Transitländer

Die Alternative: Rückführungen über Drittstaaten. Heißt: Kriminelle Straftäter aus Afghanistan könnten über den Landweg durch Pakistan zurückgebracht werden. Dafür müsste man dann mit anderen unsicheren Partnern verhandeln.

Immerhin, der Vorschlag erscheint zumindest praktikabel. Die Bundesinnenministerin will das prüfen lassen. Schon bei der Formulierung aber dürfte jedem klar sein, dass es die eine schnelle Lösung nicht geben wird. Was also ist machbar?

Mehr Kontrolle, mehr Rückführungen, mehr Integration

Machbar ist: Ein strenges Grenzregime, engmaschige Kontrollen und konsequente Rückführungen, wenn nötig und möglich. Dafür braucht es mehr als nur Ankündigungen. Es braucht auch die Bereitschaft, mehr Länder zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, bei den Maghreb-Staaten etwa. Da standen Teile der SPD und der Grünen zuletzt noch auf der Bremse.

Es braucht aber auch mehr Personal für Polizei und Verfassungsschutz, um die islamistische Szene in Deutschland besser kontrollieren und Vereinigungen notfalls auch verbieten zu können. Und nicht zuletzt braucht es auch mehr Unterstützung für die Kommunen, die seit Monaten und Jahren vor einer enormen Integrationsaufgabe stehen.

Keine leeren Versprechungen

Die Tat von Mannheim hat die Bundespolitik aufgerüttelt. Die Antworten aber sollten im Wahljahr keine reinen Reflexe bleiben. Vor allem aber müssen sie machbar sein. Die 180-Grad-Wende der SPD beim Thema Abschiebungen nach Afghanistan müssen die Grünen erst noch verdauen.

Der Ärger ist schon vorprogrammiert. Die Menschen in unserem Land haben ein feines Gespür dafür, was geht und was nicht. Sie wünschen sich Kontrolle und Sicherheit. Dafür tragen Bund und Länder bei der Migrationspolitik gemeinsam die Verantwortung.

Abseits der Debatte, ob es hilfreich ist, Länder wie Syrien oder Afghanistan zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, haben es alle Parteien, die in Regierungsverantwortung sind, schon jetzt in der Hand, mehr zu tun, damit sich solche Taten nicht wiederholen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 06. Juni 2024 | 19:30 Uhr

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