Bundestagswahl Chrupalla: Die Ostdeutschen wollen keine Brandmauer mehr
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24. Februar 2025, 11:50 Uhr
Die AfD ist bei der Bundestagswahl zweitstärkste Kraft hinter der Union geworden – in Ostdeutschland hat sie sogar klar gewonnen. Die AfD stellt nun Forderungen. Die Union sucht dagegen einen anderen Koalitionspartner. Grünen und Linken kündigen an, in die Opposition zu gehen.
- Chrupalla: Die Ostdeutschen wollen keine Brandmauer mehr
- Merz will nicht mit der AfD, Spahn fordert Kurswechsel der SPD
- SPD Sachsen mahnt fachliche Entfernung zu Merz-CDU an
- Grüne kündigen an, in Opposition zu gehen
- Linken-Chef will in Opposition Mietendeckel durchsetzen
Die AfD ist bei der Bundestagswahl zweitstärkste Kraft hinter der Union geworden. In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hat die rechte Partei sogar deutlich gewonnen. Für eine Zweierkoalition reicht es für CDU/CSU nur mit der SPD, weil sie mit der AfD nicht gemeinsam regieren wollen. Was sagen die Politiker dazu?
Chrupalla: Die Ostdeutschen wollen keine Brandmauer mehr
Die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel hat von einem historischen Erfolg ihrer Partei gesprochen. Sie verweist auf das starke Abschneiden unter den Jungwählern und erklärt: "Das ist ein starker Indikator, dass wir die Partei der Zukunft sind." Die AfD habe beste Chancen in den nächsten Jahren die Union zu überholen. Sie wirft CDU/CSU erneut eine Blockade-Haltung wegen der Absage an eine Zusammenarbeit vor.
AfD-Chef Tino Chrupalla geht in Ostdeutschland von einer baldigen Regierungsbeteiligung aus. "Die Ostdeutschen haben ganz klar gesagt, sie wollen keine Brandmauer mehr", sagte der AfD-Bundessprecher.
Sachsens AfD-Chef Jörg Urban sagte im MDR, man sei zur Zusammenarbeit bereit, wenn es um positive Lösungen für Deutschland gehe. Hier brauche es eine politische Kehrtwende, die mit SPD und Grünen nicht möglich sei.
Merz will nicht mit der AfD, Spahn fordert Kurswechsel der SPD
CDU-Chef Friedrich Merz hat vor der Wahl wiederholt erklärt, dass er mit der AfD nicht koalieren will. Zudem gilt auch ein Unvereinbarkeitsbeschluss mit der in Teilen rechtsextremen AfD, über den er sich nicht hinwegsetzen kann. Merz hat nun beste Chancen Nachfolger von Olaf Scholz (SPD) zu werden – dieser bleibt aber als Bundeskanzler zunächst im Amt. Merz hat angekündigt, bis Ostern eine Regierung bilden zu wollen. Auf X schrieb er, Europa warte auf Deutschland. "Wir müssen jetzt wieder schnell handlungsfähig werden."
Als einzige Option für eine Zweierkoalition bleibt für die CDU nach dem Ergebnis der Bundestagswahl die SPD. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jens Spahn hat von der SPD einen Kurswechsel bei Themen wie Migration und Bürgergeld gefordert. Vor allem forderte Spahn am Montag im ARD-"Morgenmagazin" eine stärkere "Bekämpfung der illegalen Migration". Weiter notwendig seien in Deutschland "wieder Wachstum nach zwei Jahren des Schrumpfens" und "beim Bürgergeld das Gefühl, dass es wieder fair zugehen muss". Er sei sich sicher, dass viele Wählerinnen und Wähler der SPD "das genauso sehen".
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff warb für schnelle Koalitionsgespräche mit der SPD. Der CDU-Politiker sagte, Schwarz-Rot sei die Option, die sich die meisten Wähler in Deutschland wünschten. Die Parteien der Mitte hätten verstanden, worauf es ankomme. Wenn jetzt nichts passiere, werde es 2029 ganz kompliziert auf Bundesebene.
SPD Sachsen mahnt fachliche Entfernung zu Merz-CDU an
Bundeskanzler Olaf Scholz räumte seine Niederlage ein. Seine SPD fuhr das schlechteste Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte ein. Scholz will weder für ein Ministeramt in der neuen Regierung zur Verfügung stehen und auch nicht Verhandlungsführer der SPD in möglichen Gesprächen sein.
Es gibt keinen Automatismus, aber die demokratische Mitte muss natürlich versuchen, in diesen Zeiten auch zusammenzuarbeiten.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch betonte, eine Regierungsbeteiligung der SPD sei kein Automatismus. "Es gibt keinen Automatismus, aber die demokratische Mitte muss natürlich versuchen, in diesen Zeiten auch zusammenzuarbeiten." Er kündigte dazu eine Mitgliederentscheidung der SPD an.
Die Co-Vorsitzende der sächsischen SPD, Kathrin Michel, sagte im MDR, die einzige Möglichkeit sei eine Zweierkonstellation mit der Union. Wegen der fachlichen Entfernung zur Merz-CDU bei vielen Themen fehle ihr dazu die Fantasie. Da sei noch nichts entschieden, das sei kein Selbstläufer. Aber man brauche schnell eine stabile Regierung.
Grüne wollen offenbar in Opposition gehen
Nach über drei Jahren in der Bundesregierung gehen die Grünen im Bundestag in die Opposition. "Die Grünen kennen Opposition, die Grünen können Opposition und werden (...)auch diesen Auftrag annehmen", sagt Co-Parteichef Felix Banaszak in einer kurzen Erklärung vor der Parteizentrale in Berlin. Gemeinsam mit Co-Parteichefin Franziska Brantner macht er deutlich, dass an der Parteispitze trotz des für die Grünen enttäuschenden Ergebnisses von 11,6 Prozent keine personellen Konsequenzen gezogen werden sollen. Sie seien im November 2024 gewählt worden und wollten "das Amt auch in dieser Situation" weiter ausüben.
Die Co-Chefin der Thüringer Grünen, Ann Sophie-Bohm, sagte, unter den Ampel-Parteien hätten die Grünen am wenigsten verloren. Auch wenn es historisch das zweitbeste Ergebnis sei, habe man auf mehr gehofft.
Linken-Chef will in Opposition Mietendeckel durchsetzen
Linken-Chef und -Spitzenkandidat Jan van Aken betonte, dass sich CDU-Chef Friedrich Merz mit der Linken in der Opposition "warm anziehen" müsse. Man werde "eine wirklich starke Opposition sein". Auch vor großen Projekten scheue die Partei nicht zurück: "Wir haben es mal geschafft, als Linke den Mindestlohn durchzusetzen, ohne mitzuregieren. Das nehmen wir uns jetzt für den Mietendeckel vor."
Der Co-Parteichef der Linken in Sachsen-Anhalt, Hendrik Lange, führte den Erfolg seiner Partei auch auf die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD im Bundestag zurück. Viele Menschen hätten Angst vor einem Rechtsruck und sähen in der Linken einen Pol, der am meisten dagegen tun könne.
BSW will Ergebnis der Bundestagswahl überprüfen lassen
Das BSW will das Ergebnis der Bundestagswahl juristisch überprüfen lassen und es gegebenenfalls vor Gericht anfechten. Nur ein Bruchteil der Auslandsdeutschen habe an der Abstimmung teilnehmen können, erklärt Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht. Es stelle sich die Frage der Rechtmäßigkeit des Ergebnisses. Das BSW war mit 4,972 Prozent knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Laut Wagenknecht fehlten ihrer Partei rund 13.400 Stimmen, um in den Bundestag zu kommen.
Thüringens BSW-Co-Chefin Katja Wolf hat sich trotz des knapp verpassten Einzugs in den Bundestag zuversichtlich gezeigt. Wolf sagte MDR AKTUELL, das BSW sei erst vor einem Jahr gegründet worden. Dementsprechend sei es eigentlich nicht überraschend, dass man nicht sofort in den Bundestag einziehe.
Jetzt werde das BSW einen Plan entwickeln, um in vier Jahren in den Bundestag zu kommen. Sahra Wagenknecht müsse man die Chance geben, Luft zu holen und gegebenenfalls ihre Rolle neu zu definieren. Das BSW sei maßgeblich mit Wagenknecht verbunden. Sie werde dieser Verantwortung sicher auch weiter gerecht werden.
FDP muss sich neu aufstellen
Bei der FDP, die mit nur 4,3 Prozent aus dem Parlament fliegt, steht nun ein Wechsel an der Spitze an: Parteichef Christian Lindner schrieb am Abend auf X: "Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus." Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki erwägt, für den Chefposten seiner Partei zu kandidieren. "Ich bin heute Nacht von so vielen Menschen aus der Partei und von Unterstützern gebeten worden, die Führung der Partei zu übernehmen, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, im Mai zu kandidieren, um die Partei zusammenzuhalten und neu zu motivieren", sagt Kubicki zu "Bild".
Die FDP-Parteichefin in Sachsen-Anhalt, Lydia Hüskens, nannte das schlechte Abschneiden ihrer Partei eine große Enttäuschung. Auch eigene Wähler hätten wohl die FDP in der Ampel-Koalition als störend wahrgenommen. Es sei im Bund sehr schwer gewesen, mit SPD und Grünen zusammenzuarbeiten.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 24. Februar 2025 | 09:04 Uhr