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Einwohnerbeteiligung Sachsen: Bürgerentscheide zu Gewerbegebieten und Windrädern
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24. Februar 2025, 09:24 Uhr
Die Bundestagswahl am Sonntag hat für mehrere Tausende Menschen in Sachsen auch die Gelegenheit geboten, direkt für Themen und Projekte in ihrer Kommune abzustimmen. Denn in drei Gemeinden standen Bürgerentscheide an. In Radeberg und Arnsdorf ging es um den Fortgang zu Plänen eines großen Gewerbegebietes. In Hohnstein sollen die Bürger sagen, wie sie zu Windrädern stehen. Die Beteiligung war hoch. Die Verwaltungen haben damit konkrete Aufgaben von ihren Einwohnern erhalten.
Am Sonntag zur Bundestagswahl haben in drei Kommunen in Sachsen auch Bürgerentscheide stattgefunden. In Radeberg und Arnsdorf konnten die Wahlberechtigten über Gewerbegebiete von bis zu 135 Hektar innerhalb ihrer Gemeinden abstimmen. Konkret geht es nicht um Ja oder Nein zum großen Gewerbegebiet, sondern darum, ob die Gemeinderäte weiter überprüfen sollen, ob Flächen für ein Gewerbegebiet ausgewiesen werden können.
In Radeberg 61,07 Prozent der Bürger für eine Fortsetzung der Planungen zu einem möglichen Gewerbegebiet zwischen zu möglichen Gewerbegebieten zwischen Radeberg und Wallroda sowie zwischen Großerkmannsdorf und Kleinwolmsdorf gestimmt. Damit hat die Bevölkerung dem Stadtrat den klaren Auftrag erteilt, zu prüfen, ob und in welchem Umfang Gewerbeflächen in Radeberg realisiert werden können. Die Wahlbeteiligung lag bei 77,05 Prozent.
Radeberger Rathauschef verspricht transparente Planungen
Oberbürgermeister Frank Höhme zeigte sich erfreut über die hohe Beteiligung und das deutliche Votum: "Dieses Ergebnis ist ein starkes Signal für die wirtschaftliche Zukunft unserer Stadt." Die Bürgerinnen und Bürger hätten entschieden, "dass wir den nächsten Schritt gehen und fundierte Untersuchungen zu den möglichen Gewerbeflächen starten". Jetzt beginne der transparente Planungsprozess. Mit dem Ausgang des Bürgerentscheids wird der Stadtrat nun offiziell beauftragt, eine detaillierte Prüfung der Flächen durchzuführen. Dies umfasst laut Rathaus etwa gutachterliche Untersuchungen zur Umweltverträglichkeit, Infrastruktur und Wirtschaftlichkeit sowie die Beteiligung der Öffentlichkeit in weiteren Formaten.
Diese Phase werde voraussichtlich mehrere Monate in Anspruch nehmen, hieß es. Erst nach Vorliegen aller relevanten Informationen kann eine endgültige Entscheidung zur Realisierung eines Gewerbegebiets getroffen werden.
In Arnsdorf sieht das Ergebnis laut einem Bericht der "Sächsischen Zeitung" anders aus. Demnach haben sich 79 Prozent der Bürgern beteiligt. Knapp 60 Prozent wollen nicht, dass das gemeindeübergreifende Gewerbegebiete zwischen ihrem Ort und Radeberg entstehen. Sie haben das Vorhaben damit abgelehnt. Auf MDR-Anfrage war am Morgen nach der Bundestagswahl in der Gemeindeverwaltung zunächst niemand zu erreichen.
Darum geht's in Radeberg und Arnsdorf (zum Aufklappen)
- Es geht um zwei Gewerbegebiete, die die Stadt Radeberg und die Gemeinde Arnsdorf als interkommunales Projekt gemeinsam planen. Das könnte bis zu 135 Hektar Fläche betreffen.
- Vor einem Jahr hatte der Radeberger Stadtrat beschlossen, Bebauungspläne zu prüfen. Die eine Fläche umfasst auf Radeberger Flur ca. 34,2 Hektar und liegt zwischen Radeberg und Wallroda. Die andere Fläche von rund 22 Hektar Größe auf Radeberger Gemeindegebiet liegt zwischen der Stadt, Großerkmannsdorf sowie Kleinwolmsdorf.
- Die Kommunen wollen sich die Erschließungsprojekte vom Freistaat anteilig in sechsstelliger Höhe fördern lassen.
- Gegen die Erschließungspläne gibt es Bürgerproteste. Kritiker befürchten eine Überindustrialisierung sowie Zerstörung von Äckern und Natur. Zudem werden sich die genaue Größe und Gestaltung des Gewerbegebiets erst mit dem Bebauungsplan ergeben. Die Kritiker werfen den Kommunalverwaltungen mangelnde Transparenz vor und dass die tatsächlichen Auswirkungen für die Bürger noch nicht absehbar seien. Eine Bürgerinitiative in Radeberg wollte erzwingen, dass die Bürger direkt über die Gewerbegebiete abstimmen und reichten Unterschriften für Bürgerbegehren ein. So ein Bürgerbegehren lehnte der Radebeger Stadtrat mehrheitlich als nicht zulässig ab. Nun also der Bürgerentscheid.
- Auf dem Zettel dafür steht am Sonntag die Frage: "Sind Sie dafür, dass die Gemeinde Arnsdorf/die Stadt Radeberg die vorgesehenen Planungen zur Errichtung zweier interkommunaler Gewerbegebiete nicht weiterverfolgt?" Ein Ja hieße Stopp der umstrittenen Pläne, ein Nein hieße, dass die Pläne vorangehen.
Quellen: Große Kreisstadt Radeberg, Kommune Arnsdorf
Hohnsteiner mehrheitlich gegen Windräder
Erstmals hat es am Sonntag in Hohnstein im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge einen Bürgerentscheid gegeben. Es ging um den Bau künftiger Windkraftanlagen. Auf dem Zettel dazu wurde gefragt: "Soll die Stadt Hohnstein alle rechtlich zur Verfügung stehenden Maßnahmen und Möglichkeiten zur Verhinderung der Errichtung von Windkraftanlagen im Gemeindegebiet ergreifen?" 1.568 (76,1 Prozent) Einwohner stimmten mit Ja. Das bedeutet laut Bürgermeister Daniel Brade (Unabhängige Wählervereinigung): "für den Stadtrat, den Bürgermeister und die Stadtverwaltung damit eine klare Handlungsanweisung gegen die Errichtung von Windkraftanlagen im Gemeindegebiet der Stadt Hohnstein". Außerhalb des Stadtgebiets haben Verwaltung und Abgeordnete Einspruchsmöglichkeiten. Die Beteiligung am Bürgerentscheid lag bei 78,7 Prozent.
Darum geht's beim Bürgerentscheid in Hohnstein (zum Aufklappen)
- Die Stadt will wissen, wie die Bürger zu Windkraftanlagen stehen - sollten Investoren Bauanträge einreichen.
- Im Mitteilungsblatt vom 21. Februar 2025 schreibt der Hohnsteiner Bürgermeister Daniel Brade (Unabhäng. Wählervereinigung) dazu: "Auch wenn aktuell noch keine konkreten Bauvorhaben durch Investoren in der Planung sind, sollen sich die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Hohnstein zu Windkraftanlagen positionieren und dem Stadtrat für dessen Entscheidungen bei derartigen Bauanträgen die öffentliche Meinung der Einwohnerschaft vermitteln." Die eigentliche Bedeutung des Bürgerentscheides liege in der "politischen Bindungs- und Signalwirkung" für politische Akteure und mögliche Investoren.
Wie bindend ein Bürgerentscheid ist
Bei einem Bürgerentscheid ist die Abstimmungsfrage entschieden, wenn sie von der Mehrheit der gültigen Stimmen beantwortet wurde. Diese Mehrheit muss mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten betragen. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, hat der Stadtrat/Gemeinde zu entscheiden. So schreibt es die Sächsische Gemeindeordnung vor (§ 24 Abs. 3 SächsGemO).
Der Bürgerentscheid steht einem Beschluss des Stadtrates/Gemeinderates gleich. Die Verwaltung ist also daran gebunden. Zugleich löst ein erfolgreicher Bürgerentscheid eine Sperrwirkung aus: Er kann innerhalb von drei Jahren nicht durch einen Stadtrats- oder Gemeinderatsbeschluss geändert werden, sondern nur durch einen erneuten Bürgerentscheid.
200. Entscheid dieser Art in Sachsen
Mit den drei Bürgerentscheiden wird die Zahl von 200 Entscheiden dieser Art in der Geschichte des Freistaates Sachsens voll. "Es gibt spürbar mehr Bürgerbegehren. Die Hürden zu senken, war ein wichtiger Schritt für mehr Bürgermitsprache in den Kommunen", sagte Frank Rosberger, Sprecher der bundesweiten Initiative "Mehr Demokratie". 2022 hatte der Sächsische Landtag beschlossen, die Unterschriftenhürde für Bürgerbegehren von zehn Prozent auf fünf Prozent zu senken.
MDR (kk)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 24. Februar 2025 | 05:30 Uhr