Gesetzliche Krankenversicherung Lauterbach will Homöopathie als Kassenleistung streichen
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12. Januar 2024, 11:11 Uhr
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Finanzierung homöopathischer Mittel als Kassenleistung streichen. Die Wirksamkeit derartiger Mittel konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Die Streichung soll dazu beitragen, dass Defizit bei den gesetzlichen Krankenkassen zu reduzieren. CDU und Grüne kritisierten die Pläne als "Nebelkerze". Die Umsetzung bringe kaum Einsparungen.
- Karl Lauterbach (SPD) begründet seine Entscheidung mit fehlender wissenschaftlicher Evidenz.
- Durch die Maßnahme könnten dem Minister zufolge zwischen 20 und 50 Millionen Euro eingespart werden.
- Viele Krankenkassen übernehmen die Kosten für Homöopathie derzeit freiwillig.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Finanzierung homöopathischer Behandlungen durch gesetzliche Krankenkassen streichen. Der SPD-Politiker kündigte in Berlin an, er werde "in Kürze" eine entsprechende gesetzliche Regelung vorlegen. Zuvor hatte Lauterbach auf der Online-Plattform X erklärt, Homöopathie mache als Kassenleistung keinen Sinn. "Auch den Klimawandel können wir nicht mit Wünschelruten bekämpfen. Die Grundlage unserer Politik muss die wissenschaftliche Evidenz sein."
Minister rechnet mit Einsparungen von bis zu 50 Millionen Euro
Lauterbach zufolge werden die Kassen schätzungsweise 20 bis 50 Millionen Euro pro Jahr sparen. Zum Vergleich: Die Gesamtausgaben der Krankenkassen lagen im vergangenen Jahr voraussichtlich bei knapp 300 Milliarden Euro. Dem GKV-Spitzenverband zufolge haben die Krankenkassen im Jahr 2021 für homöopathische und anthroposophische Arzneimittel rund 22 Millionen Euro ausgegeben.
Die Krankenkassen sollten nicht Leistungen bezahlen, die medizinisch nichts bringen.
Lauterbach erklärte jetzt, es gehe nicht ums Geld, sondern ums Prinzip. "Die Grundlage dessen, was wir vergüten und empfehlen, muss der wissenschaftliche Sachstand sein." Alles andere müsse der Bürger selbst bezahlen oder sich dafür zusatzversichern. Bislang sei im Bereich der Homöopathie die Wissenschaft ignoriert worden. Lauterbach betonte: "Die Krankenkassen sollten nicht Leistungen bezahlen, die medizinisch nichts bringen."
Kritik von Union und Grünen
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge, kritisierte die Pläne. "Anstelle von grundsätzlichen Überlegungen zur Sanierung der Kassenfinanzen verliert sich der Minister nun im Klein-Klein", sagte der CDU-Politiker der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Die geplante Streichung der homöopathischen Leistungen sei "eine Nebelkerze, die von der offensichtlichen bisherigen Untätigkeit in dieser Legislaturperiode ablenken soll".
Ähnlich äußerte sich der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha. Der Grünen-Politiker sagte dem "Tagesspiegel", die Debatte sei angesichts der geringen Einsparmöglichkeiten unangemessen. "In dieser Situation diesen Konflikt aufzumachen, davor kann ich nur warnen". Viele Menschen würden der Homöopathie vertrauen, weil sie damit offensichtlich gute Erfahrungen machen würden. "Hingegen sind die Kosten der Kassen für diese Leistungen marginal", sagte Lucha. Höchstens zehn Millionen Euro würden dadurch eingespart. Die Finanzierungslücke beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) betrage dagegen für das laufende Jahr 3,2 Milliarden Euro.
Kassen und Apotheker sehen keine Ersparnis
Der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz, sagte, was die Finanzwirkung angehe, handele es sich mehr um eine symbolische Geste als um eine Maßnahme mit einem tatsächlichen Effekt.
Die Kosten für homöopathische Behandlungen als Kassenleistung sind im wahrsten Wortsinne homöopathisch.
Der Apothekerverband prognostizierte sogar eine Kostensteigerung. Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, sagte ebenfalls der "Rheinischen Post": "Die Kosten für homöopathische Behandlungen als Kassenleistung sind im wahrsten Wortsinne homöopathisch." Eine Abschaffung könnte aber dazu führen, dass alternative Therapien der Ärzte mit anderen erstattungsfähigen Arzneimitteln umgesetzt würden, die viel teurer seien.
Was ist Homöopathie? Begründet wurde die Homöopathie Ende des 18. Jahrhunderts durch den deutschen Arzt Samuel Hahnemann. Die Homöopathie folgt dem Grundsatz Ähnliches mit Ähnlichem zu heilen. Als Basis für diese Mittel können pflanzliche, mineralische und tierische Substanzen dienen. Diese Stoffe werden extrem verdünnt und häufig in Form von kleinen Milchzucker-Kugeln (Globuli) oder Tropfen verkauft. Die Mittel sollen dabei helfen, die Selbstheilungskräfte der Behandelten zu stärken. Trotz zahlreicher hochwertiger wissenschaftlicher Studien gibt es keine Belege für eine Wirksamkeit der Homöopathie, die über die eines Placebo-Effektes hinausgeht.
Kassenärztliche Vereinigung unterstützt die Pläne
Zuspruch bekam Lauterbach dagegen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Es sei richtig, die Homöopathie als Kassenleistung abzuschaffen, sagte KBV-Chef Andreas Gassen der "Rheinischen Post". "Während jede neue Leistung, die in den Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden soll, zu Recht einen umfangreichen Nutzennachweis durchlaufen muss, hat manche Krankenkasse gerne homöopathische Verfahren und Mittel, für die es keine ausreichenden Studienlagen gibt, im Sinne des Versichertenmarketings angeboten." Es stehe natürlich jedem frei, sich mit homöopathischen Mitteln oder Verfahren behandeln zu lassen. Das sollte aber auf eigene Kosten gehen.
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen begrüßte die Pläne ebenfalls. Dahmen sagte MDR AKTUELL, es sei richtig, den steigenden Krankenkassenbeiträgen den Kampf anzusagen. Allerdings würden homöopathische Einsparungen angesichts der klammen Kassen wenig helfen. Man brauche dringend strukturelle Reformen.
Viele Krankenkassen übernehmen freiwillig die Kosten
Viele Krankenkassen übernehmen derzeit freiwillig die Kosten für derartige Behandlungen. Sie bieten über ihre gesetzlichen Regelleistungen hinaus sogenannte Satzungsleistungen an, mit denen sie um Kundinnen und Kunden werben. Dazu zählen bei vielen Kassen auch homöopathische Arzneimittel.
dpa, KNA, AFP, epd, MDR (mbe/ala)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 11. Januar 2024 | 11:30 Uhr