Sicher anschließen Städte brauchen deutlich mehr Fahrradstellplätze
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22. August 2023, 08:00 Uhr
In vielen Städten ist man mit dem Rad sehr schnell an seinem Ziel. Das entlastet den Straßenverkehr, ist klimafreundlich und gesund. Doch es entsteht ein neues Problem. Städte und Kommunen kommen kaum mit dem Bau von sicheren Abstellplätzen hinterher. Auch Fahrradparkhäuser gibt es noch zu wenige.
- In Leipzig sollen in diesem Jahr noch mehr als 200 abschließbare Fahrradboxen installiert werden.
- Erfurt verfehlt das im Radentscheid festgelegte Ziel zum Bau von 600 Fahrradbügel pro Jahr.
- Beim Thema Fahrradparkhaus gehen die Planungen voran: in Leipzig, Dresden, Eisenach und Weimar sollen diese entstehen.
Wenn immer mehr Menschen das Fahrrad als leises, schnelles und umweltfreundliches Fortbewegungsmittel nutzen, braucht es nicht nur mehr Platz für sichere Radwege auf den Straßen, sondern auch zum Abstellen. Wie ist die Situation in den Städten in Mitteldeutschland?
Leipzig: Geplante Fahrradboxen lassen auf sich warten
In Leipzig hat der Radverkehr nach Angaben der Stadt von 2017 bis 2021 um 25 Prozent zugenommen. Im Zeitraum 2013 bis 2021 stieg die Zahl der Radfahrerinnen und Radfahrer sogar um mehr als 100 Prozent. Die Zahl der Fahrradstellplätze ist im gleichen Zeitraum nicht mitgewachsen.
Die Stadt Leipzig hebt in ihrer Mobilitätsstrategie die Wichtigkeit von sicheren Abstellmöglichkeiten hervor. Dennoch kommt der Ausbau nur langsam voran. Auf Anfrage teilte die Stadt mit, in den vergangenen Jahren seien neun überdachte Anlagen mit 54 Anlehnbügeln an den S-Bahnhaltestellen Essener Straße, Thekla und Gohlis sowie an der Tram-Endhaltestelle Landsberger Straße installiert worden.
Die geplanten 208 abschließbaren Fahrradboxen konnten jedoch nicht wie geplant bis Mai dieses Jahres gebaut werden. Nach Angaben des Verkehrsamts "erbrachte eine erste Ausschreibung kein realisierbares Ergebnis". Eine zweite Ausschreibung sei erfolgreich gewesen, ein Zuschlag bereits erteilt worden. Man rechne mit der Fertigstellung bis Ende Oktober 2023. Die Fahrradboxen bieten Sicherheit – jedes Fahrrad steht in einer abschließbaren Box, es kann kein Akku eines E-Bikes oder ein anderes Teil des Rades gestohlen werden. Zudem sind die Räder vor der Witterung geschützt.
Im Stadtgebiet stellt das Verkehrsamt außerdem Fahrradbügel auf, unter anderem auf Anregung aus der Bevölkerung an die Stadtbezirksbeiräte. Wie viele davon konkret in den letzten Jahren aufgestellt wurden, teilte das Amt nicht mit.
Magdeburg baut zielgerichtet aus
Magdeburg hatte sich im Juni 2022 das Ziel gesetzt, bis 2030 jährlich 500 neue Abstellanlagen für Fahrräder zu bauen, insbesondere dort, wo es bisher kaum öffentliche Abstellmöglichkeiten gibt. Auf Anfrage teilte die Stadt mit, im vergangenen Jahr habe das Tiefbauamt über die gesamte Stadt 310 Fahrradbügel montiert, das entspreche somit Abstellplätze für 620 Fahrräder. In diesem Jahr seien 100 gebaut worden, unter anderem in der Neustadt, der Altstadt und dem Stadtfeld. Weitere rund 150 Fahrradbügel seien in Planung und sollten noch in diesem Jahr an verschiedenen Standorten montiert werden.
Zudem wurde im Juli beschlossen, Fahrradboxen in der Stadt zu installieren. Hier habe man vor allem Fahrradtouristen im Blick, die ihre Räder und Gepäck sicher verschließen können. Fördermittel mit einer Quote von 90 Prozent der Gesamtkosten seien bereits bewilligt worden. An zwei Standorten sollten jeweils zehn Boxen gebaut werden, für einen weiteren Standort fehle noch eine Sondernutzungserlaubnis.
Erfurt weist Erfolge aus und spricht von Hindernissen
In der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt hatte ein Radentscheid Druck auf die Stadt ausgeübt in Sachen Investitionen in die Fahrradinfrastruktur. Im Juni 2021 nahm der Stadtrat den Radentscheid an – darin werde unter anderem die Installation von 600 Abstellanlagen pro Jahr gefordert.
Auf Anfrage teilte der Radverkehrsbeauftragte der Stadt Erfurt, Dirk Büschke, mit, im vergangenen Jahr seien Abstellmöglichkeiten für 38 Fahrräder hinzugekommen, unter anderem in der Magdeburger Allee und am Geraradweg. Zusätzlich seien Parkplätze für Lastenräder in der Albrechtstraße und Lassallestraße gebaut worden. Zwei sogenannte Bikeports, an denen bis zu zehn Fahrräder angeschlossen werden können, sind Bürschke zufolge im November 2022 erstmals aufgestellt worden. Da häufig kein Platz auf Gehwegen für Abstellanlagen sei, würden die Ports in Form eines überdimensionierten Fahrrads oder Autos auf Parkplätzen errichtet.
Bürschke verweist auch auf 577 gebaute Fahrradabstellplätze – die allerdings die Kommunale Wohnungsgesellschaft für ihre Mieterinnen und Mieter gebaut hat – und rechnet vor, dass man die 600er-Marke somit erreicht habe. Dass es nicht schneller vorangehe, begründet er mit der planerischen Komplexität, da beispielsweise Denkmalschutz, Barrierefreiheit, Rettungswege und unterirdische Leitungen bedacht werden müssten und zusätzlich personelle Engpässe in der Bauausführung und der Verwaltung vorkämen.
Im Großen und Ganzen schätzt Bürschke die Lage in Erfurt als gut ein. Die Parkhäuser am Bahnhof hätten freie Kapazitäten, mehr könnte vor Schulen und Kitas gemacht werden. Aber insgesamt müsse mehr auf qualitative Abstellplätze geachtet werden. Nächste Projekte sind etwa an Sportplätzen sowie in der Altstadt und am Fernbusbahnhof geplant.
Ein Zeichen für mehr Engagement für den Radverkehr hat das Thüringer Kabinett gesetzt. In dem Referentenentwurf zur Neufassung der Bauverordnung ist vorgesehen, dass bei Neubauten Fahrradabstellplätze verpflichtend installiert werden sollen.
Jena stellt neues Konzept vor
In der Studentenstadt Jena werde in dieser Woche das neue Radverkehrskonzept erwartet, berichtet der ADFC. Von der Stadt heißt es, in dem Entwurf widme sich ein Teilbericht ausschließlich dem Thema Fahrradparken.
Aber auch unabhängig vom Konzept sei in diesem Jahr einiges geplant: Im Innenstadtbereich würden noch 150 Fahrradabstellmöglichkeiten hinzukommen, sowie weitere in Jena West und Ost. In den vergangenen fünf Jahren seien circa 400 Stellplätze gebaut worden, 200 davon an Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs. Insgesamt gebe es aber gerade in den eng bebauten Gründerzeitvierteln ein deutliches Defizit.
Der ADFC Jena fordert künftig vor allem qualitativ hochwertige Abstellmöglichkeiten, da auch die Fahrräder teurer würden. Zudem nehme der Anteil der E-Bikes zu, einerseits, weil das Stadtbild hügelig ist, andererseits, weil etwa immer mehr mit dem Lastenrad und dem E-Bike unterwegs sind.
Bund fördert Bau von Fahrradparkhäusern
Im März hatte die Bundesregierung ein Förderprogramm gestartet, um den Bau von Fahrradparkhäusern an Bahnhöfen bundesweit zu unterstützen. Nach Angaben von Verkehrsminister Volker Wissing fehlten bundesweit alleine an Bahnhöfen bis zu 1,5 Millionen Fahrradabstellplätze. Der Bund stellt daher bis 2026 Gelder in Höhe von bis zu 110 Millionen Euro zur Verfügung.
Zudem hatte das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Juli das Sonderprogramm "Stadt und Land" für besseren Radverkehr in den Kommunen bis 2028 verlängert. Neben dem Bau von Fahrradwegen können auch hier Fahrradabstellanlagen gefördert werden.
Parkhäuser in Erfurt und Leipzig finden kaum Nachahmer
Pendler in Erfurt können schon seit 2009 ihr Rad am Bahnhof in einem Parkhaus abschließen, ein zweites wurde 2016 eröffnet. Insgesamt bieten sie Platz für etwa 520 Fahrräder. Ein anderer Vorreiter: die Universität Leipzig, 2009 wurde der erste Fahrradkeller eröffnet, 2012 kam die Fahrradtiefgarage mit 1.110 Abstellanlagen hinzu.
Doch in den Jahren danach gab es in Mitteldeutschland in der Hinsicht kaum Nachahmer. In Dresden sollte eigentlich 2013 schon in der Nordhalle des Hauptbahnhofs ein Fahrradparkhaus mit Reparaturwerkstatt und Fahrradverleih eröffnen. Auf 310 Quadratmetern sollte es Radfahrenden möglich sein, ihr Zweirad sicher abzustellen. Doch es fand sich kein Betreiber.
Nun scheint das Projekt wieder in greifbarer Nähe. Im Dezember 2022 wurde für den Bau eines Fahrradparkhauses am Neustädter Bahnhof ein Gewinner des Architekturwettbewerbs gekürt. Dort soll für drei Millionen Euro Platz für rund 800 Fahrräder entstehen, inklusive einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Mit 2,4 Millionen Euro Fördermittel des Bundes wird das Projekt unterstützt. Aber es ist Geduld gefragt. Die Bauarbeiten sollen erst im Sommer 2025 starten, für 2026 ist die Eröffnung angesetzt. Am Dresdner Hauptbahnhof ist sogar ein zweites Parkhaus für Fahrräder geplant.
Auch in Leipzig ist ein Fahrradparkhaus am Bahnhof ein langwieriges Thema. Seit vielen Jahren wird darüber diskutiert, aber lange Zeit ist nichts passiert – unterdessen ist 2018 ein weiteres Parkhaus für Autos hinzugekommen. Auf Anfrage erklärt das Verkehrs- und Tiefbauamt in Leipzig, das Thema sei derzeit wieder auf dem Tisch. Die Stadt Leipzig habe zusammen mit der ECE Marketplaces, dem Betreiber der Promenaden Hauptbahnhof Leipzig, eine Interessensbekundung für ein Förderverfahren abgegeben. Mit Bundesmitteln soll so der Bau von rund 500 Fahrradstellplätze unterstützt werden. Vom Haushaltsausschuss des Bundestages habe es im Juli dafür bereits grünes Licht gegeben.
Weitere Fahrradparkhäuser in Planung
Planungen für den Bau von Fahrradparkhäusern laufen auch in anderen Städten. In Eisenach und Weimar sollen mit Hilfe von Bundesmitteln die Abstellmöglichkeiten entstehen. Während es in Eisenach für das Rad-Rondell mit 103 Stellplätzen noch keinen konkreten Zeitplan gibt, rechnet man in Eisenach mit einer Fertigstellung des Parkhauses für knapp 190 Fahrräder inklusive Schließfächern und E-Ladestationen bis Mitte 2025.
Für Jena sieht man nach einer Standortanalyse der Stadtverwaltung nur am Westbahnhof einen Bedarf für ein Radparkhaus. Dieser sei mit 6.300 Reisenden und Pendlern pro Tag am meisten genutzt. Zumindest sollen nach Angaben der Stadt aber noch in diesem Jahr etwa 75 überdachte Stellplätze entstehen, perspektivisch ist das auch für den Bahnhof Jena-Göschwitz geplant.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 22. August 2023 | 06:00 Uhr
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