Elektromobilität Was das E-Auto in Deutschland aktuell unattraktiv macht
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19. Oktober 2024, 05:00 Uhr
Rolle rückwärts bei der Antriebswende? Eine aktuelle Studie attestiert E-Autos eine sinkende Akzeptanz bei Verbraucherinnen und Verbrauchern. Eine Trendwende bei der Elektromobilität erkennen Experten zwar noch nicht. Der Verkehrspsychologe Jens Schade sieht darin aber ein Warnsignal – nicht nur an die Politik.
- E-Autos bedienen in Deutschland bisher vor allem höhere Preissegmente.
- Das Aus des Umweltbonus verringert den Kaufanreiz für E-Autos.
- Die Preise an Ladesäulen für E-Autos schwanken stark und sind intransparent.
- Verkehrspsychologe: Politische Innovation wie der Umstieg auf E-Autos kann sich am Markt nur mithilfe von Subventionen durchsetzen.
Während in China inzwischen die Devise gilt, "Verbrenner ist was für Reiche", ist es in Deutschland genau umgekehrt – noch zumindest. Der Markthochlauf für Elektro-Autos läuft nur schleppend: Mit einem Anteil von 18,4 Prozent der neu zugelassenen Autos liegt Deutschland zwar über dem EU-weiten Schnitt von 14,6 Prozent. Die skandinavischen Länder wie Schweden (38,6 Prozent), Dänemark (36,1 Prozent) und Finnland (33,8 Prozent) sind da allerdings schon einen Schritt weiter. In Norwegen hatten 2023 sogar 81,2 Prozent der neu zugelassenen Pkw einen reinen Elektroantrieb.
Auch von den politisch angestrebten 15 Millionen vollelektrischen Pkw bis zum Jahr 2030 ist Deutschland noch weit entfernt. Zum Stichtag 1. Januar 2024 zählte das Kraftfahrt-Bundesamt gerade einmal 1,4 Millionen Stück – von deutschlandweit 49,1 Millionen Pkw insgesamt. Und einer jüngsten Analyse der HUK Coburg zufolge hat sich zuletzt ein Drittel der E-Auto-Fahrer beim nächsten Fahrzeug wieder für einen Verbrenner entschieden. Ist das E-Auto hierzulande also aus dem Rennen, bevor es richtig losgegangen ist?
Ein Trend lasse sich aus dieser Studie zwar noch nicht ableiten, sagt Verkehrspsychologe Jens Schade von der TU Dresden. Er sieht in den Ergebnissen des HUK-E-Barometers ein klares Warnsignal nicht nur an die Politik. Auch die Automobilindustrie, Anbieter von Lade-Infrastruktur und Energiekonzerne sollten das ernstnehmen, sagt Schade. Experten sehen verschiedene Gründe, die das E-Auto in Deutschland derzeit noch unattraktiv machen.
Anschaffungskosten für E-Autos teurer
Wer in Deutschland ein Elektro-Auto kaufen will, muss sich zunächst einmal überhaupt einen Neuwagen leisten können. Denn einen Markt für gebrauchte E-Autos gibt es bisher praktisch nicht. Aber selbst unter den Neuwagen bedienen Elektro-Autos noch vor allem den Markt der höheren Preisklassen. "Es fehlen insbesondere günstige und alltagstaugliche Modelle für den Massenmarkt", sagt Philipp Mathey vom Automobil-Club Verkehr (ACV).
Es fehlen insbesondere günstige und alltagstaugliche Modelle für den Massenmarkt.
Der Thinktank Agora Verkehrswende berechnete etwa kürzlich anhand von vier Beispielen, wie sich die Gesamtkosten von Verbrennerfahrzeug und Elektrofahrzeug über einen Zeitraum von fünf Jahren unterscheiden: Wertverlust, Energiekosten und Ladeinfrastruktur wurden ebenso eingerechnet wie Reparatur sowie Steuern und Versicherungen.
Demnach gibt es bereits elektrische Autos, die günstiger oder vergleichbar zum entsprechenden Verbrenner-Modell sind – allerdings betrifft das die gehobenen Preissegmente. Ein VW ID.7 Pro etwa ist den Berechnungen nach über einen Zeitraum von fünf Jahren mit 56.607 Euro fast 13 Prozent günstiger als ein vergleichbarer Verbrenner. Dagegen ist ein Opel Corsa Electric (50kWh) Yes im gleichen Zeitraum mit etwa 40.263 Euro gut zwölf Prozent teurer als ein vergleichbarer Verbrenner.
E-Auto-Kaufanreiz Umweltbonus gestrichen
Der Preisunterschied fällt umso mehr ins Gewicht, da der sogenannte Umweltbonus Ende 2023 gestrichen wurde. Bis zu 6.750 Euro konnten Käuferinnen und Käufer eines vollelektrischen Pkw bis dahin als Zuschuss für die Anschaffung erhalten.
Neben dem rein finanziellen Aspekt hat die Abschaffung der staatlichen Förderung aus Sicht von ACV-Sprecher Mathey aber auch ohnehin bestehende Unsicherheiten bei Verbraucherinnen und Verbrauchern verstärkt. Ein Aspekt, den auch Verkehrspsychologe Schade aus Dresden hervorhebt: Größere Schwankungen in der politischen Ausrichtung führe zu Verunsicherung, die auch die Attraktivität des Elektro-Autos beeinträchtigen könne.
Intransparenz bei Ladepreisen
Ein wichtiger Kostenfaktor nach der Anschaffung sind die Preise an Ladesäulen. Gerade an den Schnellladesäulen entlang von Autobahnen gebe es große Intransparenz, kritisiert ACV-Sprecher Mathey. "Es kann nicht sein, dass wir da beim Kilowattpreis Schwankungen von 30 Cent und mehr haben."
Auch ganz praktisch stelle sich die Frage, ob etwa mit Kreditkarte gezahlt werden könne oder mit welcher Ladekarte es jeweils am günstigsten sei. Hier brauche es klare regulatorische Vorgaben, fordert Mathey.
Defizite bei Ladeinfrastruktur und Sorge um Reichweite
Die Preisschwankungen fallen dabei umso mehr ins Gewicht, da der Ausbau der Ladeinfrastruktur noch hinterher hinkt. Insbesondere im ländlichen Raum und bei längeren Fahrten über Autobahnen entsteht so eine größere Abhängigkeit von den verfügbaren Ladestationen – und den dort verlangten Preisen. Verkehrspsychologe Schade verweist zudem auf die alltägliche Herausforderung, dass E-Auto-Fahrer auf Ladesäulen mit höheren Tarifen ausweichen müssten, wenn die günstigere Variante gerade blockiert ist.
Auch die Reichweite von E-Autos beschäftige Verbraucherinnen und Verbraucher nach wie vor, betont Mathey. Zwar hat die Technologie hier in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt: Einem ADAC-Test zufolge stieg die durchschnittliche Reichweite aller E-Fahrzeuge von 123 Kilometern im Jahr 2010 auf 393 Kilometer im vergangenen Jahr. Vergleichbar zum Verbrenner seien aber auch hier vor allem die Oberklasse-Modelle, sagt Schade. In den unteren Preisklassen der E-Autos gebe es hingegen noch viele Unsicherheiten bezüglich der Lebensdauer eines Akkus.
Strom-Mix bisher nicht vollständig erneuerbar
Das zentrale Nachhaltigkeitsversprechen von E-Autos hängt zudem davon ab, mit welchem Strom ein Auto tatsächlich fährt. Studien verweisen zwar darauf, dass Elektro-Autos auch mit dem aktuellen Strommix die Treibhausgasemissionen im Verkehr senken – werde ausschließlich mit erneuerbaren Energien geladen, verbessere sich der CO2-Fußabdruck um 75 Prozent im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen.
Für die Akzeptanz bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern sei es allerdings wenig förderlich, wenn der Strom von Elektro-Autos auch aus Kohle gewonnen werde, betont Verkehrspsychologe Schade.
Subjektive Präferenzen fließen in Entscheidung ein
Schade verweist auf einen ganz grundsätzlichen psychologischen Aspekt. Die tatsächlichen Autopreise können demnach unterschiedlich stark die subjektive Wahrnehmung prägen. "Wir Menschen haben die Tendenz, eher nach bestätigenden Informationen für unsere Entscheidungen zu suchen." Das heißt, wer eher zum Verbrenner tendiert, favorisiert die Informationen, die diese Entscheidung unterstützen – ebenso ist es bei denen, die E-Autos bevorzugen.
Politische Innovation nur mit Subventionen durchsetzbar
Steigende CO2-Preise werden zwar auch die Spritkosten für Verbrennerautos in die Höhe treiben. Ab dem Jahr 2027 ist ein europäisches Emissionshandelssystem für die CO2-Emissionen durch Verkehr und Gebäudewärme geplant. Mathey sieht daher die Politik in der Pflicht, stärker über die Auswirkungen für Autofahrer aufzuklären. "Vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern ist noch nicht bewusst, dass die Elektromobilität auf lange Sicht sicherlich auch die günstigere Alternative werden kann", sagt Mathey.
Vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern ist noch nicht bewusst, dass die Elektromobilität auf lange Sicht sicherlich auch die günstigere Alternative werden kann.
Verkehrspsychologe Schade sieht aber noch ein weiteres Akzeptanzproblem: Denn gerade politische Maßnahmen, die den Verbrenner unattraktiver machen, würden vielfach als "Verbotspolitik" empfunden. Wichtiger sei daher, die Vorteile des Elektroautos in den Vordergrund zu stellen. So sei gerade die Reduzierung von Emissionen für große urbane Räume attraktiv, wo lokale Emissionen auch ein Gesundheitsproblem darstellen.
Insgesamt sei das E-Auto aber als politische Innovation – im Gegensatz zu marktgetriebenen Innovationen – stark abhängig vom Rückhalt aus der Politik, erklärt Schade. Um sich also tatsächlich im Markt durchzusetzen, brauche es entsprechende Subventionen.
Verkehrsexperten weisen immer wieder darauf hin, dass es im Zuge der Mobilitätswende sogenannte Push- und Pull-Faktoren brauche, die klimaschonendes Verhalten belohnten und klimaschädliches Verhalten bestraften. Wie stark das unter Druck gerät, zeigten aber gerade erst die Forderungen nach einer Lockerung der CO2-Flottengrenzwerte ab 2025.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 15. Oktober 2024 | 19:35 Uhr
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