Schädel in Vitrinen anlässlich der Rückgabe von Totenschädel und Gebeinen nach Namibia während deines Gedenkgottesdienstes der EKD und der namibischen Partnerkirchen und Zeremonie in der Franzoesischen Friedrichstadtkirche in Berlin.
1883 erwarb ein Bremer Kaufmann Ländereien im Südwesten Afrikas. Kurz darauf wurde das Deutsche Kaiserreich Protektor dieses Gebiets. Bildrechte: imago images / IPON

Heutiges Namibia Deutschland erkennt Kolonialverbrechen als Völkermord an

30. Mai 2021, 18:49 Uhr

Mehr als 100 Jahre nach den Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia erkennt die Bundesregierung die Gräueltaten an den Volksgruppen der Herero und Nama als Völkermord an. Die Nachkommen will sie mit einem Milliardenbetrag unterstützen.

Deutschland und Namibia haben sich auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt, die das von der früheren deutschen Kolonialmacht verursachte Unrecht an den Nama und Herero als Völkermord einstuft. Das teilte Außenminister Heiko Maas mit und sagte zugleich, Deutschland wolle Namibia in den nächsten 30 Jahren 1,1 Milliarden Euro Aufbauhilfe zahlen.

Bitte um Vergebung durch den Bundespräsidenten

Damit wird ein mehr als sechs Jahre langer Verhandlungsprozess beendet. Maas sagte: "Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen". Maas kündigte zugleich an, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Nachkommen der Opfer bei einem Festakt im namibischen Parlament offiziell um Vergebung für die Verbrechen bitten wird.

Unser Ziel war und ist, einen gemeinsamen Weg zu echter Versöhnung im Angedenken der Opfer zu finden.

Heiko Maas deutscher Außenminister

Die deutsche Seite will die Anerkennung des Völkermord jedoch nicht als rechtliche Einordnung betrachtet wissen. Man sehe sich Namibia gegenüber vielmehr politisch-moralisch verpflichtet, heißt es in dem Abkommen. So sollen auch die 1,1 Milliarden Euro nicht als Reparation oder Entschädigungszahlung gelten, sondern als Beitrag zu einer besseren Zukunft des Landes und seiner Bewohner.

Ruprecht: Basis für Versöhnungsprozess

Der deutsche Verhandlungsführer, der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, sprach von einer guten Basis für einen umfassenden Versöhnungsprozess. Der Sonderbeauftrage der Bundesregierung sagte MDR AKTUELL, die gezielten Vereinbarungen mit Namibia seien kein Schlussstrich. Es gehe darum, eine gemeinsame Erinnerungskultur zu entwickeln, etwa durch Schulbuchprojekte, Gedenken im öffentlichen Raum oder Jugendaustausch.

Herero nicht am Verhandlungstisch

Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im heutigen Namibia und schlug Aufstände brutal nieder. Historikern zufolge wurden zehntausende Herero und Nama getötet.

Die Reaktionen auf die Erklärung dürften in Namibia allerdings gemischt ausfallen. Das liegt vor allem an der Zusammensetzung der Gesprächspartner: Teile der Herero kritisieren seit Beginn der Gespräche im Jahr 2015, dass sie selbst nicht mit am Verhandlungstisch sitzen durften. Ein Teil der Herero hatte die Bundesrepublik deshalb vor einem Gericht in New York verklagt.

Deutschland habe auf die Zusammensetzung der namibischen Delegation nur sehr begrenzten Einfluss, heißt es aus Diplomatenkreisen zu diesem Vorwurf. Bei Regierungsverhandlungen sei es üblich, dass die Vertreter von der jeweiligen Seite bestimmt würden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 28. Mai 2021 | 06:00 Uhr

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