Neuer Bundestag Chrupalla kündigt gemäßigteren Ton der AfD an – CDU, Grüne und Linke skeptisch
Hauptinhalt
02. Mai 2025, 08:16 Uhr
Die AfD ist bekannt für einen scharfen Ton bei Bundestagsreden. AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla hat für Debatten auf parlamentarischer Ebene nun einen gemäßigteren Ton angekündigt. Das stünde der Fraktion gut zu Gesicht. Doch wie sieht man das in der eigenen und wie in den anderen Bundestagsfraktionen?
- Chrupalla plädiert für anderen Ton auf parlamentarischer Ebene
- Grüne und Linke bezweifeln Mäßigung von AfD
- Politikwissenschaftler sieht Werben um neue Wählerschichten
- Sächsischer AfD-Abgeordneter sieht keinen Handlungsdruck
Die AfD im Bundestag ist bekannt für ihren scharfen Ton bei Reden. Sie hat in der vergangenen Legislaturperiode mit Abstand die meisten Ordnungsrufe bekommen. Und auch bei der ersten Versammlung des neuen Bundestags, der konstituierenden Sitzung Ende März, schaltete sich Alterspräsident Gregor Gysi (Die Linke) bei der Rede des AfD-Abgeordneten Stephan Brandner ein und bat um Mäßigung.
"Anderer Ton auf parlamentarischer Ebene"
Eine Mäßigung stünde der Fraktion gut zu Gesicht, sagte AfD-Chef Tino Chrupalla diese Woche in einem Interview: "Auch diese konstituierende Sitzung haben wir intern besprochen. Und ich denke auch, da wird es in der Zukunft von unserer Seite auch einen anderen Ton auf parlamentarischer Ebene geben." Er habe es immer wieder gesagt, so Chrupalla weiter, man müsse und wolle sehr wohl unterscheiden zwischen einer Bundestagsrede und einer Demo-Rede. Das könne man durchaus machen.
Mit seiner Ankündigung eines gemäßigteren Stils in künftigen Redebeiträgen löst AfD-Chef Chrupalla beim sächsischen CDU-Abgeordneten Lars Rohwer Verwunderung aus: "Ich finde es ja einfach völlig überraschend, dass er sowas ankündigt. Wo leben wir, dass man sowas ankündigt? Er soll es einfach endlich machen." Ein feinerer Tonfall wäre zwar gut für die Debattenkultur, aber am Ende zählten nicht die Worte, sondern die Taten, so Rohwer.
Grüne und Linke bezweifeln Mäßigung von AfD
Das ist die einhellige Meinung über viele Fraktionen hinweg. Katrin Göring-Eckardt von den Grünen formuliert es so: "Wenn der Wolf im Schafspelz sitzt, dann ist er immer noch ein Wolf. Das ist das eine. Das zweite ist die Art, die keinen Mikrometer davon abgeht, dass sie die Demokratie aushöhlen und unterlaufen wollen, wo immer es geht." Auch das habe die AfD angekündigt, so Göring-Eckardt weiter. Wenn sie sich Videos von Herrn Krah und anderen angucke, könne sie sich vorstellen, dass sich Tino Chrupalla mäßigen wolle. Aber bei anderen könne sie sich das nicht vorstellen.
Clara Bünger, Linken-Bundestagsabgeordnete aus Dresden, erkennt dagegen nicht einmal beim AfD-Chef selbst diese Absicht. Erst in der konstituierenden Sitzung des Bundestages habe sich Chrupalla "fröhlich" zusammen mit seinem Kollegen Torben Braga gezeigt, der eine Kornblume am Revers trage. Und die blaue Kornblume stehe eben als Erkennungszeichen für den NS und für Nationalsozialisten, so Bünger: "Das war auch ein Symbol der völkischen und antisemitischen alldeutschen Vereinigung. Von daher muss ich sagen, dass ich gar keine Mäßigung bei Chrupalla sehe."
Politikwissenschaftler sieht Werben um neue Wählerschichten
Mäßigung – oder auch nur den Willen dazu – sieht auch der Chemnitzer Politikwissenschaftler Benjamin Höhne in der AfD-Fraktion bisher nicht. Trotzdem hat ihn die Ankündigung nicht überrascht. Weil das im Großen und Ganzen ein Element der Normalisierungsstrategie wäre, die die AfD ja schon zum Teil praktiziere. So wolle die Partei Wählerschichten erreichen, die sie mit einem zu harten Ton abschrecke: eine Zielgruppe, die Höhne vor allem in Westdeutschland sieht.
In Ostdeutschland, so der Politikwissenschaftler weiter, könnte das dagegen der Konkurrenz von rechts die Tür öffnen – etwa der Kleinpartei Freie Sachsen: "Je gemäßigter sich die AfD gibt, also je mehr sie auf die politische Mitte mit einer gemäßigten Rhetorik abzielt, desto größer die Gefahr wiederum, dass sie Druck von Rechtsaußen bekommt und dass es den Menschen mit rechtsextremer Gesinnung nicht mehr ausreicht, wie sich die AfD positioniert."
AfD-Abgeordneter sieht keinen Handlungsdruck
AfD-Fraktionschef Chrupalla argumentiert damit, dass seine Partei in absehbarer Zukunft regieren wolle und dass es dafür einen anderen Ton brauche. Jan Wenzel Schmidt, AfD-Abgeordneter aus Sachsen-Anhalt, stimmt da zwar ausdrücklich zu – sieht aber eigentlich gar keinen Grund, dass er oder seine Kollegen verbal abrüsten müssten.
Seine Fraktion sei sehr angemessen im Ton und manchmal durchaus kritisch mit Akzenten. Aber das müsse auch so sein, es solle ja eine lebendige Debatte sein, sagt Schmidt: "Ich sehe es eher bei anderen Fraktionen und erkenne auch immer wieder, dass man sich manchmal von diesen teilweise schäbigen Aussagen der anderen Fraktionen provozieren lässt und dann über die Stränge schlägt." Das erlebe man bei dem ein oder anderen Kollegen. Das sei aber eben auch die Emotion und das müsse man richtig einordnen können.
In der vergangenen Wahlperiode gingen von insgesamt 136 Ordnungsrufen im Parlament 85 an Abgeordnete der AfD.
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 02. Mai 2025 | 06:02 Uhr