"Sondervermögen" Bundestag entscheidet über Grundgesetzänderung für Milliardenpaket
Hauptinhalt
18. März 2025, 14:42 Uhr
Der alte Bundestag debattiert zur Stunde über mehrere Grundgesetzänderungen. Union und SPD wollen an der Schuldenbremse vorbei Hunderte Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur ausgeben. Dabei sind sie auf die Stimmen der Grünen angewiesen. Ein Versuch von FDP und AfD, die Sitzung in letzter Minute zu kippen, scheiterte.
- Bundestag soll Grundgesetz für Milliardenschulden ändern
- FDP und AfD scheitern mit Anträgen
- Merz hält hohe Verschuldung für gerechtfertigt
- Klingbeil und Haßelmann verteidigen Grundgesetzänderung
- Dürr und Chrupalla mit scharfer Kritik
- Pellmann und Wagenknecht kritisieren Aufrüstung und Kriegskredite
- Zweidrittelmehrheit gilt als sicher
Der alte Bundestag ist zu seiner entscheidenden Sitzung zum Milliarden-Finanzpaket von Union und SPD zusammengekommen. Dabei soll das Parlament über mehrere Grundgesetzänderungen entscheiden. Sie sollen der künftigen Bundesregierung die Aufnahme von Schulden in bislang nie dagewesener Höhe ermöglichen.
Geplant ist die faktische Abschaffung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit. Zudem soll ein schuldenfinanziertes Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und zum Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 eingerichtet werden. Letzteres Ziel soll ausdrücklich ins Grundgesetz geschrieben werden. Für die Länder soll die Schuldenbremse gelockert werden. Zudem sollen sie 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen erhalten.
FDP und AfD scheitern mit Anträgen
Ein Versuch von FDP und AfD mit Unterstützung des BSW, die Sitzung in letzter Minute zu kippen, scheiterte an den Stimmen von SPD, Union und Grünen. FDP und AfD kritisierten, dass die Entscheidung nicht mehr vom alten Bundestag getroffen werden dürfe. "Hier soll das Grundgesetz geändert werden in einem dramatischen Schweinsgalopp", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel. Redner von Union, SPD und Grünen argumentierten mit der Eilbedürftigkeit. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Thorsten Frei, sagte, alles sei legal, der alte Bundestag sei voll handlungsfähig.
Merz hält hohe Verschuldung für gerechtfertigt
CDU-Chef Friedrich Merz bezeichnete das milliardenschwere Finanzpaket mit hoher Verschuldung als absolute Ausnahme und als "großen Wechsel auf die Zukunft unseres Landes". Eine solche Verschuldung lasse sich nur unter ganz besonderen Umständen rechtfertigen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sei ein solcher Umstand. Von der Entscheidung hänge die Verteidigungsfähigkeit in den nächsten Jahren oder sogar Jahrzehnten ab. Merz bestritt, dass die Aufnahme des Ziels der Klimaneutralität bis 2045 ins Grundgesetz einen Politikwechsel darstelle. Es gebe keine neue "Staatszielbestimmung".
Klingbeil und Haßelmann verteidigen Grundgesetzänderung
SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil sieht in der von SPD, Union und Grünen geplanten Grundgesetzänderung "ein richtiges Signal". Dieses Paket werde die Mehrheit der Menschen in ihrem Alltag entlasten, das Wachstum ankurbeln und Frieden wahren, sagte er.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann verteidigte die geplante Zustimmung ihrer Partei zum Schuldenpaket. Das sei mit den erreichten Zugeständnissen insbesondere beim Klimaschutz gerechtfertigt. Die Grünen setzten nicht wie andere im Parlament auf "Totalblockade", sondern zeigten "Verantwortung für dieses Land".
Dürr und Chrupalla mit scharfer Kritik
FDP-Fraktionschef Christian Dürr warf Merz Einknicken vor SPD und Grünen vor. Die Schuldenbremse sei eine Versicherung für kommende Generationen gewesen. "Jetzt wird sie zur Makulatur erklärt." CDU/CSU, SPD und Grüne setzten mit der Änderung des Grundgesetzes den "Startschuss für hemmungslose Schuldenmacherei". Die neue designierte Koalition aus Union und SPD sei daher keine "Groko", sondern eine "Schuko" – eine Schuldenkoalition.
AfD-Co-Chef Tino Chrupalla warf Merz Egoismus vor. Ihm sei "jedes Mittel recht", um Bundeskanzler zu werden. Er habe sich von SPD und Grünen einwickeln lassen. Wenn Deutschland nun eine Billion Euro Schulden machen solle, summiere sich das in zehn Jahren auf 100 Milliarden Euro Zinslast. Chrupalla forderte die CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten auf, gegen die Grundgesetzänderung zu stimmen.
Pellmann und Wagenknecht kritisieren Aufrüstung und "Kriegskredite"
Die Linkspartei warf CDU-Chef Friedrich Merz eine "unsoziale und verlogene" Politik vor. Mit der "geschürten Angst vor Bedrohung und Krieg" würden mit einer gigantischen Aufrüstungsverschuldung die Probleme von morgen geschaffen, sagte der Linken-Gruppenvorsitzende Sören Pellmann. Es sei eine "Schamlosigkeit", den alten Bundestag noch einmal einzuberufen, um die nötige Zweidrittelmehrheit zu erhalten.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisierte die Finanzpläne als "Kriegskredite mit Klimasiegel". Mit Letzterem spielte sie darauf an, dass im Zuge der Grundgesetzänderungen auch das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 mit festgeschrieben werden soll. Auch Wagenknecht warnte vor den Folgen der Milliardenverschuldung, etwa für alte Menschen, Familien und Unternehmen.
Zweidrittelmehrheit von Union, SPD und Grünen
Die Zustimmung zu dem Schuldenpaket im Bundestag gilt als sicher. Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD waren vor der Abstimmung über das milliardenschwere Finanzpaket fast vollzählig zusammengekommen. Bei der Union wurde mit maximal fünf Abweichlern gerechnet. Bei der SPD fehlte ein Abgeordneter aus Krankheitsgründen. SPD, Union und Grüne haben im Bundestag 31 Stimmen mehr als die nötige Zweidrittelmehrheit für eine Grundgesetzänderung.
Sollte das Paket im Bundestag durchgehen, muss für ein Inkrafttreten am Freitag noch der Bundesrat zustimmen. Auch in der Länderkammer ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Die Chancen dafür sind deutlich gestiegen, nachdem die in Bayern mitregierenden Freien Wähler ihren Widerstand aufgegeben haben. Damit kann Bayern seine sechs Stimmen für das Finanzpaket abgegeben. Die Länder mit einer Regierungsbeteiligung von FDP, BSW oder Linken haben im Bundesrat 22 von 69 Stimmen.
AFP, DPA, Reuters, MDR (kos,dni)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 18. März 2025 | 06:48 Uhr