Künstliche Befruchtung Eizellspende und Leihmutterschaft auf dem Prüfstand
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09. August 2023, 05:00 Uhr
Das Bundesfamilienministerium lässt das Verbot der Eizellspende für eine künstliche Befruchtung überprüfen. Bei der Eizellspende werden einer unfruchtbaren Frau mit Kinderwunsch die Eizellen einer Spenderin eingesetzt. In vielen europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien und den Niederlanden ist diese Form der künstlichen Befruchtung legal. Experten halten das Verbot in Deutschland seit langem für verfassungswidrig.
- Seit 1990 ist die Eizellspende in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz verboten.
- Eine Arbeitsgruppe im Auftrag der Bundesregierung prüft jetzt eine Legalisierung der Eizellspende.
- Ein Medizinrechtler hält das aktuelle Verbot der Eizellspende für verfassungswidrig.
Wenn der Mann keine Kinder zeugen kann, gibt es als Alternative die Samenspende. Gleiches gilt– theoretisch – für Frauen mit der Eizellspende. Jochen Taupitz, Experte für Medizinrecht, Medizinethik und Fortpflanzungsmedizin an der Universität Mannheim, erklärt: "Bei der Eizellspende werden einer Frau, die reife Eizellen produzieren kann, Eizellen entnommen, um sie dann auf eine andere Frau, die keine entsprechenden Eizellen produzieren kann, zu übertragen."
Embryonenschutzgesetz verbietet Eizellspende in Deutschland
Doch so simpel die Eizellspende klingt, in Deutschland ist sie seit 1990 durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Taupitz erklärt: "Man hatte damals natürlich noch sehr wenig Erfahrungen mit der künstlichen Befruchtung und man befürchtete, dass bei der Eizellspende das Kind Identitätsfindungsschwierigkeiten haben könnte, wenn es später erfährt, dass es im biologischen Sinne zwei Mütter hat." Ein Argument, das für die Samenspende anscheinend kein Hindernis war.
In vielen europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien, den Niederlanden sowie Österreich, Polen und Tschechien ist die Eizellspende deshalb erlaubt. Auch in Deutschland will man das Verbot nun überdenken. Auf Anfrage von MDR AKTUELL erklärt eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums schriftlich: "Die Bundesregierung hat Ende März 2023 eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin eingesetzt. Bei der Kommission handelt es sich um eine unabhängige Sachverständigenkommission, die interdisziplinär besetzt ist."
Arbeitsgruppe der Bundesregierung prüft Legalisierung von Eizellspende
Auch Jochen Taupitz ist Teil dieser Kommission, allerdings sind alle Mitglieder zum Stillschweigen verpflichtet – das betrifft den Inhalt der Beratungen, Beratungsunterlagen und Entwürfe von Empfehlungen. Vom Bundesfamilienministerium gibt es lediglich den Hinweis: "Die Arbeitsgruppe 2 prüft, ob und wie die Eizellspende und die altruistische Leihmutterschaft legalisiert werden können." Bis Ende März 2024 soll die Kommission ihre Arbeit abschließen. Das sei knapp bemessen, befürchtet der Medizinrechtler und -ethiker Jochen Taupitz.
Vor allem beim Thema Leihmutterschaft – mit seinen vielen Implikationen und Varianten – werde es weitaus schwieriger sein eine Einigung zu erzielen. Viele unterschiedliche Interessen müssten hierbei abgewogen werden, so Taupitz. Schneller könnte es bei der Eizellspende gehen. Bereits 2019 forderte die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle eine zeitgemäße Gesetzgebung und ein Ende des Verbots.
Medizinrechtler hält aktuelles Verbot für verfassungswidrig
Auch Jochen Taupitz hält die jetzige Lage für verfassungswidrig: "Es ist ein Eingriff in das Recht auf Familiengründung der Eizell-Empfängerin, auch ihres Partners, es ist ein Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht, ihr Recht auf Fortpflanzungsfreiheit. Sehr viele Freiheitsrechte werden durch dieses Verbot der Eizellspende verletzt." Man werde sehen, wie die Bundesregierung auf die Vorschläge nächstes Jahr reagiere und welche Gesetzgebungsvorhaben daraus folgten, sagt Taupitz. Das Bundesfamilienministerium betont, man wolle dem Ergebnis der Kommission nicht vorgreifen.
Im Bundestag ist mit Gegenwind zu rechnen. Auf Anfrage von MDR AKTUELL teilte die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion Silvia Breher schriftlich mit: "Bei einer Eizellspende besteht nicht nur die Gefahr der Ausbeutung der Spenderin, sie bedeutet für die Spenderin wie für die Empfängerin auch ein gravierendes gesundheitliches Risiko." Im Vordergrund müsse immer das Wohl aller unmittelbar Beteiligten stehen, so Breher.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 09. August 2023 | 06:10 Uhr