Erster BSW-Parteitag Wagenknecht-Partei tritt gegen Ampel und AfD an
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28. Januar 2024, 18:03 Uhr
In Berlin hat das Bündnis Sahra Wagenknecht sich als neue Partei konstituiert, die Europawahl vorbereitet und ihre Strategie besprochen. Mit Attacken gegen die Ampel-Koalition stimmte Wagenknecht ihre neue Partei auf das Wahljahr 2024 ein. Mit dabei war auch Oskar Lafontaine.
- Attacken gegen die Ampel: Wagenknecht stimmt auf Wahljahr ein
- Parteispitze gewählt – auch Oskar Lafontaine jetzt Mitglied der Partei
- BSW-Programm zur Europawahl beschlossen – Kandidaten gewählt
Die neue Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat am Samstag im ehemaligen DDR-Kino "Kosmos" in Berlin ihren ersten Bundesparteitag über die Bühne gebracht und unter anderem ihre Führung gewählt.
Wagenknecht: "Wir sind keine Linke 2.0"
Wagenknecht stimmte dabei ihre Partei auf das Wahljahr 2024 ein. Der Ampel-Regierung warf sie vor, Deutschland in eine Krise und schlimmstenfalls in einen Krieg zu führen. "Unser Land braucht unbedingt einen politischen Neubeginn", sagte die 54 Jahre alte frühere Linken-Politikerin. Zu dem ersten Parteitag waren etwa 400 BSW-Mitglieder eingeladen.
Wagenknecht rief ihre Partei auf, an einem Strang zu ziehen: "Wir haben Großes vor für unser Land und für die Menschen, die große Erwartungen in uns setzen. Wir sind es ihnen schuldig, unsere Sache gut zu machen."
Die Parteimitglieder seien sehr unterschiedlich, sagte die ehemalige Politikerin der Linken. Unter ihnen seien Polizisten und Theologen, Gewerkschafter und Unternehmer, Krankenpfleger, Städter und Dorfbewohner.
Als Partei werde das BSW jedoch nur erfolgreich sein, wenn die Mitglieder Unterschiedlichkeit als einen Gewinn begreifen würden. "Wenn wir Toleranz und Respekt nicht nur in der Gesellschaft einfordern, sondern auch hier in unserer Partei leben", sagte die Gründerin: "Wir sind keine Linke 2.0 und das muss auch für unseren Umgang miteinander gelten."
Das Schlusswort hatte Wagenknechts Ehemann, der frühere SPD- und Linkenpolitiker Oskar Lafontaine. Auch er übte in seiner fast 30 Minuten langen Rede scharfe Kritik am Kurs aller anderen Parteien in Deutschland. Es gebe im Bundestag keine Partei mehr, "die konsequent für gute Löhne, gute Renten, gute soziale Leistungen eintritt."
Auch seien alle anderen Parteien "für Krieg und Militarisierung", sagte der 80 Jahre alte Lafontaine. Daher sei es nun die Aufgabe der neuen Partei BSW, diese "Lücke im Parteiensystem" wieder zu füllen. Lafontaine hat in der neuen Partei von Wagenknecht keine Funktion. Der frühere SPD-Chef und Bundesfinanzminister war seit seinem Austritt aus der Linken im Jahr 2022 parteilos.
Wagenknecht und Lafontaine sagten auch der AfD den Kampf an. Wer diese Partei wirklich schwächen wolle, sollte für 14 Euro Mindestlohn, höhere Renten und bezahlbare Energie demonstrieren, sagte Wagenknecht mit Blick auf die Demonstrationen gegen Rechts. Zudem forderte sie, den Ukraine-Krieg so schnell wie möglich durch Verhandlungen zu beenden.
Erste Parteispitze des BSW gewählt
Die Parteispitze um die beiden Vorsitzenden Wagenknecht und Amira Mohamed Ali ist in Berlin komplettiert worden. Zu Vize-Vorsitzenden wurden Friederike Benda und Amid Rabieh gewählt, die beide zuvor für die Linke aktiv waren. Rabieh aus Nordrhein-Westfalen soll nun einen BSW-Landesverband im Westen aufbauen.
Als dritter Parteivize wurde der Wirtschaftswissenschaftler Shervin Haghsheno gewählt. Der Bundestagsabgeordnete Christian Leye übernimmt den Posten als Generalsekräter, Schatzmeister wird der Unternehmer Ralph Suikat und erster Bundesgeschäftsführer wird der Politikwissenschaftler Lukas Schön.
Teilnahme an zahlreichen Wahlen geplant
Das BSW will schon dieses Jahr bei der Europawahl antreten, bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am 1. September und möglichst auch am 22. September in Brandenburg. Zudem wollen Unterstützter sich an Kommunalwahlen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beteiligen.
Eine vergangene Woche veröffentlichte Infratest-Dimap-Umfrage für den MDR ergab in Sachsen acht Prozent für das BSW. Sollte es nach dem derzeit noch laufenden Aufbau eines Landesverbands gelingen, an der Landtagswahl teilzunehmen, könnte das BSW so hinter AfD und CDU die drittstärkste Kraft in Sachsen werden und eventuell bei der Regierungsbildung mitmischen.
BSW setzt Kurs auf die Europawahl
Am Samstagnachmittag beschloss das BSW zunächst jedoch ein Programm für die Europawahl am 9. Juni – einstimmig. Unter anderem werden darin eine striktere Migrationspolitik gefordert, gelockerte europäische Schuldenregeln und ein Ende der Waffenhilfen für die Ukraine.
Details aus dem Entwurf des Europawahl-Programms
Das BSW will unter anderem die bisherige EU-Klimaschutzpolitik beenden – insbesondere den CO2-Zertifikate-Handel. Der sei "völlig ungeeignet" für den Klimaschutz, heißt es im geplanten EU-Wahlprogramm der neuen Partei.
In dem 26 Seiten langen Entwurf wird auch die unbefristete Nutzung von Verbrenner-Motoren und die Rückkehr zu Öl- und Gas-Importen aus Russland gefordert. Dazu gehört die Forderung nach einem Ende der Waffenhilfe für die Ukraine. Zum russischen Angriffskrieg gegen das Land heißt es: Um den Kreml zu Verhandlungen "zu motivieren, sollte für diesen Fall der sofortige Stopp aller Rüstungsexporte in die Ukraine angeboten werden."
"Neue europäische Friedensordnung"
Eine "neue europäische Friedensordnung" solle "längerfristig auch Russland einschließen", wobei das BSW warnt, "sich zu stark an die USA zu binden". Die EU brauche gute Handelsbeziehungen mit den USA und China. Europa dürfe "nicht länger eine digitale Kolonie der Vereinigten Staaten sein".
Das BSW-Motto für die EU lautet "Weniger ist mehr", was sich auch auf die Zahl der Mitgliedsländer bezieht. Die Partei will ein "Moratorium für die EU-Erweiterung" und lehnt Verhandlungen mit der Ukraine, Moldau und Georgien explizit ab. "Ein selbstbewusstes Europa souveräner Demokratien" wird gefordert, eine "abgehobene Politik ferner, demokratisch kaum kontrollierter EU-Technokraten" und eine "ausufernde EU-Regelungswut" kritisiert.
Auch müsse die EU ihre Flüchtlings- und Migrationspolitik "grundlegend" reformieren, lautet eine weitere BSW-Forderung im Programm-Entwurf. So soll es Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und in Drittstaaten geben.
Als EU-Spitzenkandidaten wurden der Ex-Linke-Politiker Fabio De Masi und der Ex-SPD-Oberbürgermeister von Düsseldorf, Thomas Geisel, auf die ersten beiden Plätze gewählt.
Auf der 20 Plätze umfassenden Liste finden sich auch Kandidaten, die noch nicht politisch aktiv waren, etwa der Mediziner Jan-Peter Warnke aus Zwickau. Er sieht die EU als "multimorbiden Patienten" und das BSW als "Therapie".
MDR AKTUELL (ksc, das, lmb), mit dpa, AFP
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fernsehen | 27. Januar 2024 | 20:06 Uhr