Nancy Faeser spricht bei einer Pressekonferenz.
Innenministerin Nancy Faeser und viele weitere Politiker haben die jüngsten Angriffe im Wahlkampf verurteilt. Bildrechte: picture alliance/dpa/KEYSTONE | Georgios Kefalas

Nach Angriff auf SPD-Politiker Faeser plant Sondersitzung mit Innenministern der Ländern

05. Mai 2024, 13:16 Uhr

Nach dem Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke in Dresden sollen die Innenminister von Bund und Ländern zusammenkommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser schlägt dafür eine Sondersitzung in der kommenden Woche vor. Ecke sitzt im EU-Parlament für die SPD. Er und ein weiterer Mann wurden beim Aufhängen von Wahlplakaten angegriffen. Ecke wurde schwer verletzt. Das sorgte parteiübergreifend und bundesweit für scharfe Kritik.

Nach dem Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke in Dresden hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine Sondersitzung der Innenminister von Bund und Ländern in der kommenden Woche vorgeschlagen. Dort solle über Schutzmaßnahmen beraten werden. Die SPD-Politikerin sagte der "Bild am Sonntag", der Rechtsstaat müsse und werde den Schutz der demokratischen Kräfte weiter erhöhen.

Nancy Faeser spricht bei einer Pressekonferenz. 2 min
Video: Am Donnerstag wurde der SPD-Europaabgeordnete bei einem Angriff in Dresden schwer verletzt. Das löste bundesweit scharfe Kritik aus. Bildrechte: picture alliance/dpa/KEYSTONE | Georgios Kefalas

Zudem forderte Faeser, dass die Täter im Fall Ecke ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden müssten. Es gehe darum, die Hintergründe zu klären. "Wenn sich ein politisch motivierter Anschlag auf den Europaabgeordneten Matthias Ecke wenige Wochen vor der Europawahl bestätigt, dann ist diese schwere Gewalttat auch ein schwerer Angriff auf die Demokratie. Wir erleben hier eine neue Dimension von antidemokratischer Gewalt", erklärte die Ministerin.

Nach Angriff auf SPD-Politiker: 17-Jähriger stellt sich

Nach dem Überfall hat sich am Sonntag ein 17-Jähriger den Behörden in Dresden gestellt. Das bestätigte das Landeskriminalamt. Es handle sich um einen 17 Jahre alten Jugendlichen. Er habe eingeräumt, den SPD-Politiker niedergeschlagen zu haben.

LKA-Sprecherin Silvaine Reiche sagte MDR AKTUELL, der 17-Jährige habe die Tat eingeräumt, aber keine weiteren Angaben gemacht. Der Jugendliche sei bisher nicht polizeilich in Erscheinung getreten und unter Auflagen wieder nach Hause entlassen worden.

Bundeskanzler Scholz bezeichnet Angriff als bedrückend

Parteiübergreifend verurteilten Politiker die Attacke auf den SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke. Auch ein Wahlkampfhelfer der Grünen wurde in kurz zuvor in Dresden angegriffen. Bundeskanzler Olaf Scholz fordert, ein gemeinsames Vorgehen gegen Rechts. Er bezeichnete den Angriff gegen Ecke am Samstag bei einem Demokratiekongress zur bevorstehenden Europawahl in Berlin als bedrückend. Ein "achselzuckendes Hinnehmen" sei "niemals eine Option".

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte den Angriff aufs Schärfste und bezeichnete es als "unerträglich", wenn Politiker bei ihrer demokratischen Arbeit angegriffen, behindert oder sogar geschlagen und verletzt werden. Er verwies dabei auch auf den Vorfall um die Vizebundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Demonstranten hatten sie in Brandenburg bei einer Parteiveranstaltung bedrängt. Sie konnte erst mit Polizeischutz und rund 45 Minuten verspätet abfahren.

Auch die SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil verurteilten den Angriff auf den Europaabgeordneten scharf. Die Attacke sei ein Angriff auf alle Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer, die für Demokratie und den Rechtsstaat eintreten. "Die Täter wollen uns als Repräsentanten einer demokratischen Gesellschaft einschüchtern. Aber das wird ihnen niemals gelingen", erklärten Esken und Klingbeil.

Scharfe Kritik auch von Politikern anderer Parteien

Die Gewalteskalation sorgt auch parteiübergreifend für scharfe Reaktionen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU nannte sie auf X "schockierend und ein Angriff auf unsere demokratischen Werte". "Angriffe und Einschüchterungen von politischen Mitbewerbern kennen wir aus den dunkelsten Epochen unserer Geschichte." CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte auf X: "Diesen brutalen Angriff verurteilen wir aufs Schärfste." Er ergänzte: "Wir Demokraten lassen uns von den Feinden der Demokratie nicht einschüchtern."

Angriffe und Einschüchterungen von politischen Mitbewerbern kennen wir aus den dunkelsten Epochen unserer Geschichte.

Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen Social Media Plattform X

Vize-Kanzler Robert Habeck von den Grünen sagte, die Attacken würden darauf abzielen, "Menschen einzuschüchtern, ihnen Angst zu machen und sie zum Rückzug zu drängen". Seine Parteikollegin und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verurteilte die Angriffen ebenfalls und zeigte sich erschrocken über die Gewalt. Brutale Angriffe auf engagierte Demokraten, Wahlkämpfer und Politiker seien Attacken auf das Fundament unserer Demokratie. "Gewalt ist nie ein Mittel der Demokratie – egal aus welchem Spektrum."

FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner nannte die Tat "erschütternd". Er sagte dem "Tagesspiegel": "Die Enthemmung der politischen Auseinandersetzung betrifft uns alle." Jeder könne der Nächste sein.

Aus Sicht von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow ist der Vorfall ein Resultat von Hass und Falschnachrichten. "Der Angriff gilt uns allen", äußerte er am Samstag auf der Plattform X. Würden Fake News zur Wahrheit erhoben, seien alle betroffen, schrieb er weiter.

Ebenfalls auf X äußerte sich AfD-Parteichef Tino Chrupalla. Er wünsche Ecke viel Kraft und rasche Genesung. "Physische Angriffe gegen Politiker aller Parteien verurteilen wir zutiefst." Er betonte, der Wahlkampf müsse "inhaltlich hart und konstruktiv" geführt werden, aber ohne Gewalt.

Auch international wird der Vorfall scharf kritisiert. Auf der Social Media Plattform X schrieb die maltesische Poltikerin Roberta Metsola, sie sei "entsetzt über den bösartigen Angriff".

Bündnisse rufen zu Demonstrationen auf

Derweil riefen die Bündnisse "Zusammen gegen Rechts" und "Wir sind die Brandmauer Dresden" für diesen Sonntag unter dem Motto "Gewalt hat keinen Platz in unserer Demokratie!". Demnach soll in Berlin ab 18.00 Uhr vor dem Brandenburger Tor protestiert werden, in Dresden ab 17.00 Uhr am Pohlandplatz.

Auch Grünen-Politiker in Essen verletzt

Zuvor hatte es eine Attacke gegen zwei Grünen-Politiker in Essen gegeben, der Staatsschutz ermittelt nach dem Vorfall. Unbekannte hätten am Donnerstagabend den dritten Bürgermeister von Essen, Rolf Fliß, und den Bundestagsabgeordneten Kai Gehring zunächst beleidigt, erklärte die Polizei Essen am Freitagabend. Fliß sei durch einen Schlag ins Gesicht leicht verletzt worden. "Da es sich um eine politisch motivierte Tat handeln könnte, ermittelt der Staatsschutz", hieß es.

Die beiden Grünen-Politiker waren nach Angaben der Polizei auf der Straße zunächst von einer Gruppe Passanten angesprochen worden. Das Gespräch habe zu einem Streit geführt und einer der Unbekannten soll Fliß ins Gesicht geschlagen haben. Währenddessen sollen beide Politiker von diesem und einem weiteren Mann beleidigt worden sein. Fliß wurde laut Polizei vor Ort medizinisch behandelt.

Bürgerrechtler Richter fordert starke Zivilgesellschaft

Der SPD-Politiker und Bürgerrechtler Frank Richter hat mit Blick auf die zunehmende Aggressivität im Wahlkampf eine starke Zivilgesellschaft gefordert. Richter sagte MDR AKTUELL, zerstörte Plakate und Handgreiflichkeiten gegen Wahlhelfer seien ein Angriff auf die Demokratie. Es gelte jetzt, sich auf allen rechtstaatlichen und zivilgesellschaften Ebenen für die Demokratie einzusetzen, sonst drohe sie zu kippen.

In den vergangenen Wochen waren vor allem  in Sachsen hunderte Wahlplakate beschmiert oder abgerissen worden. Auch Wahlhelfer selber wurden Ziel von Angriffen. So hatte es am vergangenen Wochenende Angriffe auf drei Mitglieder der Grünen gegeben, die in Chemnitz und Zwickau plakatierten.

dpa,epd,KNA,AFP (kar,lmb)

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 05. Mai 2024 | 08:30 Uhr

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