Wahlkampf SPD-Europaabgeordneter Matthias Ecke in Dresden angegriffen und verletzt
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04. Mai 2024, 18:23 Uhr
Seit Beginn des Kommunalwahlkampfes in Sachsen häufen sich die Attacken auf Helfer, die Wahlplakate aufhängen. Sie werden beleidigt und körperlich attackiert. Zahlreiche Wahlplakate wurden zerstört. Jetzt haben Unbekannte in Dresden den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke schwer verletzt, als er beim Aufhängen von Wahlplakaten half. Die Empörung bei fast allen Parteien ist groß. Sie sprechen von einem Angriff auf die Demokratie.
- Unbekannte haben in Dresden plakatierende Wahlkampfhelfer angegriffen.
- Ein Opfer ist der sächsische EU-Spitzenkandidat der SPD, Matthias Ecke.
- Sachsens Innenminister kündigt eine harte Linie gegen Angreifer auf Wahlkampfteams an.
Unbekannte haben in Dresden Wahlkampfhelfer von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angegriffen und verletzt. Wie die Polizei auf Anfrage von MDR SACHSEN mitteilte, haben die zwei Männer im Alter von 28 und 41 Jahren im Stadtgebiet Plakate für die Kommunal- und Europawahlen aufgehängt. Demnach sind beide Opfer am Freitagabend im Stadtteil Striesen jeweils von vier Personen unvermittelt getreten und geschlagen worden. Anschließend seien die Täter unerkannt geflohen. Die Polizei geht davon aus, dass es sich in beiden Fällen um die dieselbe Gruppe gehandelt hat. Mittlerweile hat nach Angaben des sächsischen Innenministeriums die Task Force Gewaltdelikte des Landeskriminalamtes die Ermittlungen übernommen.
SPD und Grüne haben am Sonnabend erste Sofortmaßnahmen für ihre Wahlkampfhelfer ergriffen. Die Teams sollen künftig nur noch bei Tageslicht plakatieren, hieß es. Die Grünen wollen darüber hinaus nur noch Teams von mindestens vier Personen zum Plakatieren entsenden.
Europaparlamentarier schwer verletzt
Wie der Chef der Dresdner Sozialdemokraten, Albrecht Pallas, MDR SACHSEN am Samstag sagte, ist eines der Opfer der EU-Parlamentarier und sächsische SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Mathias Ecke. Seine Verletzungen waren demnach so schwer, dass der 41-Jährige operiert werden muss. Ecke habe mehrere Brüche im Gesicht erlitten, heißt es aus Parteikreisen. Pallas zufolge gab es auch bei anderen Plakatierteams Einschüchterungsversuche. Die Helfer seien beleidigt und aufgehängte Plakate zerstört worden.
SPD-Spitze: "Wir lassen uns nicht mundtot machen"
Die Doppel-Spitze der sächsischen Sozialdemokraten bezeichnete die Attacke auf ihren EU-Spitzenkandidaten als unübersehbares Alarmzeichen an alle Menschen in diesem Land. Es handle sich um einen Angriff auf die Grundfesten der Demokratie in Deutschland, so Henning Homann und Kathrin Michel. Verantwortlich dafür seien die AfD und andere rechtsextreme Gruppierungen. Deren Anhänger seien mittlerweile völlig enthemmt und würden Demokraten beim Ausüben ihrer Grundrechte offenbar als Freiwild betrachten. Das dürfe eine wehrhafte Demokratie nicht hinnehmen.
Die SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil erklärten, der hinterlistige Angriff auf Ecke mache die gesamte Partei betroffen. Die Täter wollten Repräsentanten einer demokratischen Gesellschaft einschüchtern. Das werde ihnen aber niemals gelingen.
Grüne fordern mehr Sicherheit für Wahlkämpfer
Der Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen teilte mit, in der Nacht von Freitag zu Samstag seien zwei Plakatierteams der Partei angegriffen worden. Er bestätigte, dass es sich bei ihrem verletzten Helfer um ein Mitglied der Dresdner Kreisverbandes handele. Dessen Vorsitzender Klemens Schneider sagte, der 28-Jährige habe mehrere Prellungen erlitten. Die Angreifer hätten ihm noch in den Bauch getreten, als er bereits am Boden gelegen habe. Als Konsequenz würden die Sicherheitsvorgaben für Wahlkampfaktionen nochmals erhöht. Einschüchtern lassen werde man sich nicht.
Die Grünen-Landeschefin Christin Furtenbacher warnte, wenn sich an dieser Bedrohungslage nichts ändere, würden am Wahltag nicht die Stimmergebnisse der Parteien im Vordergrund stehen, sondern die Opfer von Übergriffen und Gewalt. Es müsse jetzt umgehend gehandelt werden, um für Sicherheit im Wahlkampf zu sorgen und einen fairen demokratischen Wettbewerb sicherzustellen.
Innenminister kündigen harte Linie an
Auch Sachsens Innenminister Armin Schuster verurteilte die Übergriffe scharf. Sie seien völlig untragbar, erklärte der CDU-Politiker am Samstag. Er betonte, solche Straftaten würden nicht geduldet. Jeder einzelne Fall werde akribisch ermittelt und konsequent verfolgt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser meldete sich ebenfalls zu Wort. Die SPD-Politikerin sprach von einer neuen Dimension von antidemokratischer Gewalt. Extremisten und Populisten würden mit völlig entgrenzten verbalen Anfeindungen gegen demokratische Politiker ein zunehmendes Klima der Gewalt schüren. Der Rechtsstaat werde darauf mit einem harten Vorgehen und weiteren Schutzmaßnahmen für die demokratischen Kräfte in Deutschland reagieren. Faeser kündigte dazu sehr rasche Beratungen mit den Innenministern der Länder an.
Diese Angriffe sind leider nicht neu. Absolut beunruhigend ist aber die Intensität, mit der sich die Attacken aktuell häufen. Vom abgerissenen Wahlplakat über Beleidigungen und Bedrohungen kommt es jetzt sogar zu gefährlichen Körperverletzungen.
Politiker und Plakate als Hassobjekte
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zeigte sich zutiefst entsetzt über die Attacke auf SPD-Europapolitiker Ecke. Sie sei durch nichts zu rechtfertigen. "Angriffe und Einschüchterungen von politischen Mitbewerbern kennen wir aus den dunkelsten Epochen unserer Geschichte", sagte der CDU-Politiker und erklärte zugleich, man werde die faire Wahlwerbung entschieden verteidigen.
Als Reaktion auf die Angriffe riefen zwei Bündnisse für Sonntag zu spontanen Demonstrationen in Dresden und Berlin auf. Das Bündnis "Wir sind die Brandmauer Dresden" und das Internetportal "Zusammen gegen Rechts" veröffentlichten am Samstagabend entsprechende Aufrufe auf ihren Instagram-Kanälen. "Gewalt hat keinen Platz in unserer Demokratie", hieß es darin. In Dresden soll ab 17 Uhr am Pohlandplatz, in Berlin ab 18 Uhr vor dem Brandenburger Tor protestiert werden. Die Bündnisse hatten bereits im Februar zu Demonstrationen gegen rechts aufgerufen.
Politisch motivierte Straftaten nehmen zu
In Sachsen gab es in der Vergangenheit immer wieder Zwischenfälle, bei den Politiker bedrängt und beleidigt, ihre Wohnungen oder Häuser belagert wurden. Auch das Abreißen, Beschädigen oder Verschandeln von Wahlplakaten ist kein neues Phänomen. Aber in der jüngeren Vergangenheit häufen sich solche Vorfälle. Nach Angaben des sächsischen Innenministerium wurden im Freistaat allein seit Jahresbeginn 112 politisch motivierte Straftaten im Zusammenhang mit Wahlen registriert, 30 davon gegen Amts- und Mandatsträger. Und allein in der ersten Woche des Kommunal- und Europawahlkampfes seien 51 politisch motivierte Straftaten gegen Wahlplakate bei der sächsischen Polizei angezeigt worden.
Sendungshinweis: Aufgrund der aktuellen Ereignisse widmet sich am Montagabend auch die Sendung "Fakt ist" aus Dresden dem Thema. Unter dem Titel "Gewalt im Wahlkampf" diskutieren unter anderem Sachsens Innenminister Armin Schuster, Roland Löffler von der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, die Journalistin Anette Binninger und die SPD-Politikerin Sophie Koch am 22:10 Uhr im MDR Fernsehen.
MDR (stt)/rtr/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 04. Mai 2024 | 15:00 Uhr