Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - Blick auf die Richterbank
Der 5. Senat des OVG Nordrhein-Westfalen mit dem Vorsitzenden Richter Gerald Buck (3.v.l.) bei der Urteilsverkündung. Bildrechte: IMAGO / Rüdiger Wölk

Entscheidung OVG Münster billigt Einstufung von AfD als Verdachtsfall

13. Mai 2024, 21:07 Uhr

Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die gesamte AfD und deren Jugendorganisation weiterhin als Verdachtsfall einstufen. Das OVG Münster wies eine entsprechende AfD-Klage dagegen zurück. Eine Revision wurde nicht zugelassen, die AfD kann aber beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Beschwerde einlegen.

Im Streit über die Einstufung der AfD als Verdachtsfall durch den Bundesverfassungsschutz hat das zuständige Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufungsklage der AfD abgewiesen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln darf somit die gesamte AfD und deren Jugendorganisation Junge Alternative (JA) auch weiterhin als Verdachtsfall und den mittlerweile aufgelösten "Flügel" der AfD als Verdachtsfall und als "erwiesen extremistische Bestrebung" einstufen.

OVG erkennt "unzulässige Diskriminierung" durch AfD

Die Münsteraner Richter führten als Begründung ihrer Entscheidung unter anderem an, dass es den begründeten Verdacht gebe, "dass es den politischen Zielsetzungen jedenfalls eines maßgeblichen Teils der AfD entspricht, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen". Das sei laut Grundgesetz eine "unzulässige Diskriminierung".

Mit seiner Entscheidung hat das OVG Münster ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln in der Vorinstanz von 2022 bestätigt. Damit darf der Verfassungsschutz die AfD weiterhin mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten. Außerdem darf die Partei weiter im jährlichen Verfassungsschutzbericht auftauchen. Bewertungsmaßstab dafür ist das Bundesverfassungsschutzgesetz.

Haldenwang zufrieden – AfD kritisiert verweigerte Beweisaufnahme

Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang (CDU) bezeichnete die Entscheidung des OVG Münster als "Erfolg für den gesamten Rechtsstaat" und die Demokratie. Das Gericht habe alle Punkte des Bundesamtes für Verfassungsschutz bestätigt. Die Entscheidung bestätige, dass dem Verfassungsschutz in der "wehrhaften Demokratie" eine "wichtige Frühwarnfunktion bezüglich der Entwicklung von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" zukomme. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte das Urteil. Das Urteil zeige, dass die Demokratie wehrhaft sei und der Rechtsstaat Instrumente habe, sie zu schützen.

Roman Reusch (AfD) (l), Beisitzer im Bundesvorstand der AfD, und Peter Boehringer (r), Stellvertretender Bundessprecher der AfD, in der Lobby des OVG nach der Urteilsverkündung
Roman Reusch, Beisitzer im AfD-Bundesvorstand (links), und Peter Boehringer Stellvertretender AfD-Bundessprecher (rechts) nach dem Urteil. Bildrechte: picture alliance/dpa | Guido Kirchner

AfD-Vizesprecher Peter Boehringer und Roman Reusch aus dem Bundesvorstand äußerten nach dem Urteil Kritik am OVG. Der 5. Senat habe zu wenig getan, um die Punkte des Verfassungsschutzes aufzuklären. Das Bundesamt sei damit nur durchgekommen, weil "sich das Gericht der Beweisaufnahme verweigert hat", sagte Reusch. Dass der Senat die Revision nicht zugelassen habe, obwohl man tagelang über komplexe Rechtsfragen debattierte, sei nicht nachvollziehbar. AfD-Vizesprecher Boehringer warf den OVG-Richtern "Arbeitsverweigerung" vor.

Sächsische Politiker für AfD-Verbotsverfahren

Die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne) hat nach der Entscheidung des OVG Münster die Bildung einer Task Force gefordert. "Nun muss die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens konkret erfolgen", sagte die Grünen-Politikerin am Montag in Dresden. Die Task Force solle mit der Materialsammlung für ein mögliches AfD-Verbotsverfahren beauftragt werden.

Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz kündigte unterdessen an, im Bundestag einen Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen.

AfD-Beschwerde vor Bundesverwaltungsgericht

Das Urteil des OVG Münster ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht ließ zwar keine Revision zu. Die AfD kann aber Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen (Az: 5 A 1216/22, 5 A 1217/22 und 5 A 1218/22). Bundesvorstandsvertreter Reusch erklärte: "Wir werden selbstverständlich die nächste Instanz anrufen!" Die Anwälte der Partei hatten bereits vor dem Urteil angekündigt, in die nächste Instanz zu ziehen. Dabei würde das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Entscheidung des OVG auf Rechtsfehler prüfen.

Der Rechtsstreit zwischen der AfD und dem Bundesamt für Verfassungsschutz läuft seit mehreren Jahren. Nach einer erstmaligen Einstufung der Partei als sogenannter Prüffall im Jahr 2019 wurde die Gesamtpartei schließlich im März 2021 als Verdachtsfall hochgestuft. Zudem wurde der sogenannte "Flügel" der AfD zum Verdachtsfall und als "erwiesen extremistische Bestrebung" hochgestuft. Das Verwaltungsgericht Köln wies im März 2022 eine dagegen gerichtete Klage der AfD ab. Weil das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Sitz im nordrhein-westfälischen Köln hat, waren die Gerichte in NRW für den Fall zuständig.

Reuters/AFP/dpa/epd (dni)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 13. Mai 2024 | 09:30 Uhr

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