Soziale Medien Was die AfD zur erfolgreichsten Partei auf TikTok macht
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01. Februar 2024, 05:00 Uhr
Durch die Recherche des "Correctiv"-Netzwerks wurde unter anderem bekannt: Die AfD möchte gerade in den digitalen Räumen junge Wähler und Wählerinnen ansprechen. Besonders gut funktioniert das auf der Videoplattform TikTok. Mehr als sechs Millionen Likes und knapp 400.000 Followerinnen und Follower – die AfD erreicht auf TikTok deutlich mehr Menschen als alle anderen Parteien. Woran liegt das?
- Politikberater Martin Fuchs erklärt, was die AfD auf TikTok so erfolgreich macht.
- Die AfD ist auf der Plattform deutlich erfolgreicher als viele andere Parteien.
- Der TikTok Algorithmus fördere radikale Positionen, sagt Medienpsychologe Tobias Rothmund.
"Wer arbeitet ist der Dumme", ruft Alice Weidel in das Mikrofon am Rednerpult. So zeigt es ein Ausschnitt ihrer Rede im Bundestag auf der Plattform TikTok – über 5,5 Millionen Menschen erreicht das Video.
Diese Ausschnitte aus AfD-Reden seien ein bewährtes Stilmittel auf dem Social-Media-Kanal der AfD Bundestagsfraktion, erklärt Politikberater Martin Fuchs: "Die AfD ist zum einen erfolgreich, weil sie schon relativ früh TikTok als Medium erkannt hat und dadurch sehr vielen Menschen ohne Berührungsängste präsent ist." Es werde viel Content erstellt, der auch mal viral gehen könne. "Und sie sind natürlich Populisten vor dem Herren." Heißt: Die AfD habe sehr zugespitzte, polarisierende Inhalte, die Gold seien für den Algorithmus von TikTok, ergänzt Fuchs.
AfD hat viele erfolgreiche Politiker auf TikTok
Das weiß auch Ulrich Siegmund – Fraktionschef der AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt. Auf seinem TikTok-Account gibt er sich volksnah, nutzt Humor und Hetze gegen Migranten, die Ampel und Medien für Reichweite. Dieses Freund-Feind-Schema funktioniert: mit 370.000 Followern ist er der erfolgreichste deutsche Politiker auf TikTok.
Die Strategie der AfD gehe vor allem deshalb auf, weil andere Parteien ihnen das Feld überlassen würden, meint Martin Fuchs: "Pauschal – würde ich sagen – ist das: Champions League, AfD, versus Kreisliga, die anderen Parteien. Wenn man sich anschaut, wer die zehn erfolgreichsten Politiker in Deutschland auf TikTok sind, dann sind sechs davon in der AfD." Die anderen Parteien schafften es nicht, Menschen mit ihrer Art der Ansprache und der Aufbereitung von Themen so gut zu erreichen wie die AfD.
Andere Parteien nur zögerlich und mäßig erfolgreich auf TikTok unterwegs
Auch die SPD Sachsen-Anhalt versucht, ihren Fuß in die TikTok-Tür zu bekommen – mit mäßigem Erfolg. Das würde vor allem daran liegen, dass Hass und Hetze besser klickten als Regierungs-PR, erklärt René Wölfer von der SPD-Fraktion im Landtag.
Seine Partei hat lange gezögert, Inhalte auf der chinesischen Plattform zu teilen: "Wir haben natürlich extremste Datenschutzbedenken und wir geben im Moment auch kein Geld für TikTok aus. Man kann den Algorithmus natürlich beeinflussen, indem man Pakete bucht. Wir gehen auch davon aus, dass die AfD das tut, aber bei uns ist das nicht so. Wir sind noch nicht so lange dabei, haben aber festgestellt, dass wir mit gutem Content auch schnell zu mehr Followerschaft kommen können."
Zum Vergleich: Die SPD kommt gerade mal auf rund ein Drittel der Likes und Follower der AfD.
Medienpsychologe: TikTok Algorithmus fördert radikale Positionen
Weil der Algorithmus von TikTok radikale Positionen besonders fördere, fehle Raum für politische Zwischentöne, erklärt Tobias Rothmund von der Universität Jena. Er sieht in der aktuellen Entwicklung aber auch Vorteile: "Wenn man positive Effekte sehen will, dann kann man sagen, da werden Personen angesprochen und für politische Themen auch interessiert, die grundsätzlich eigentlich eher wenig Interesse an Politik haben". Auf der anderen Seite sei es sehr leicht, durch Agitation Konflikte zu schüren. "Im Prinzip stellt sich die Frage, inwiefern uns das als Gesellschaft wirklich weiterbringt", so Rothmund.
Um das aufkeimende Politik-Interesse nicht von Populismus bestimmen zu lassen, plädiert er für neue Social-Media-Plattformen. Bei denen solle aber nicht auf Kommerz gesetzt, sondern politischer Austausch gefördert werden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 01. Februar 2024 | 06:50 Uhr