Zahlreiche Traktoren und Lastwagen stehen am Morgen auf der Straße des 17. Juni zwischen dem S-Bahnhof Tiergarten und Ernst-Reuter-Platz.
Zahlreiche Traktoren und Lastwagen stehen am Morgen auf der Straße des 17. Juni zwischen dem S-Bahnhof Tiergarten und Ernst-Reuter-Platz. Bildrechte: picture alliance/dpa | Monika Skolimowska

Landwirtschaft Lindner bei Bauerndemo in Berlin ausgebuht

15. Januar 2024, 22:40 Uhr

In Berlin haben Tausende Bauern gegen die geplanten Sparmaßnahmen der Bundesregierung im Landwirtschaftssektor demonstriert. Finanzminister Lindner hielt eine Ansprache – und hatte es schwer, sich Gehör zu verschaffen. Die Bauern drängen auf eine Rücknahme der von der Bundesregierung geplanten Subventionskürzungen im Agrarbereich. Die Spitzen der Ampel-Fraktionen berieten derweil mit Vertretern der Bauern.

Aus Protest gegen das Aus von Diesel-Vergünstigungen für die Landwirtschaft haben Tausende Bauern mit Traktoren und anderen Fahrzeugen im Regierungsviertel in Berlin demonstriert. Rund um das Brandenburger Tor versammelten sich Landwirte, Handwerker und Spediteure für eine Großkundgebung. Weitere Branchen wie das Transportgewerbe, die Fischerei und das Gastgewerbe schlossen sich den Protesten an. Zu der Kundgebung kamen nach Polizeiangaben 8.500 Menschen und rund 6.000 Fahrzeuge. Der Bauernverband sprach von rund 30.000 Demonstranten mit fast 10.000 Fahrzeugen.

Verkehrsbeeinträchtigungen im erwartbaren Rahmen

Im Bereich rund um das Brandenburger Tor kam es zu massiven Verkehrsbeeinträchtigungen, die jedoch "im erwarteten Rahmen" blieben, wie eine Polizeisprecherin sagte. Nach Polizeiangaben waren am frühen Morgen mehrere Fahrzeuge aufgefallen, die mit "Fäkalien" beladen waren. In Absprache mit der Versammlungsleiterin seien die Fahrzeuge von der Anfahrt ausgeschlossen worden.

Rede von Lindner von "Hau ab"-Rufen begleitet

Neben Vertretern der Verbände sprach auf der Kundgebung auch Bundesfinanzminister Christian Lindner. Der FDP-Politiker wurde lautstark beschimpft und ausgebuht. Von Pfiffen und Protestrufen begleitet trat er vor das Rednerpult. Er konnte wegen des Lärms jedoch erst nach einem beschwichtigenden Appell von Bauernpräsident Joachim Rukwied das Wort ergreifen. Die versammelten Landwirte begleiteten seine Rede dennoch weiter mit lauten "Hau ab!"-Rufen, Hupen und Pfeifen. Aus einigen Hundert Metern Entfernung war Lindner trotz Lautsprecherübertragung höchstens bruchstückhaft zu verstehen, wie dpa-Reporter berichteten.

Lindner verteidigte in seiner Ansprache die Kürzung bei der Dieselsubvention für Landwirte. Er verwies auf nötige Einsparungen, zu denen auch die Landwirtschaft ihren Beitrag leisten müsse. Im Gegenzug bat er den Bauern Bürokratieabbau und mehr unternehmerische Freiheit an. Die Bundesregierung muss wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher im Bundeshaushalt stopfen.

Kundgebungsfläche für Traktoren voll

Zu der Großdemonstration hatten Bauernverbände und der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung aufgerufen. Es ist der Höhepunkt einer Aktionswoche gegen den Regierungsplan. Auch an weiteren Orten in Deutschland waren wieder Proteste angekündigt, etwa in Chemnitz, Freiburg und Bitburg.

Ampel will Landwirtschaft zukunftssicher machen

Die Ampel-Koalition reagierte auf die Proteste: Sie will am Donnerstag einen Plan vorlegen, um die Landwirtschaftsbranche zukunftssicher zu machen. In wenigen Wochen solle dann ein Fahrplan ausgearbeitet werden mit konkreten Umsetzungsschritten, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nach 90-minütigen Beratungen der Ampel-Koalition mit Vertretern der Branche. Bis zur Sommerpause sollten grundlegende Entscheidungen getroffen werden, um den Betrieben mehr Planungssicherheit zu geben.

Am Donnerstag will der Bundestag auch über den Agrar-Bericht der Regierung beraten. Die Zustimmung des Bundestags zum Bundeshaushalt 2024 sowie den geplanten Kürzungen beim Agrardiesel steht noch aus.

Die Bundesregierung will Steuerbegünstigungen für Agrardiesel schrittweise abschaffen. Auf eine ursprünglich geplante Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft will die Regierung verzichten. Der Deutsche Bauernverband fordert aber, die Kürzungen komplett zurückzunehmen. "In Sachen Agrardiesel" gebe es noch keine Lösung, sagte der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, Bernhard Krüsken, nach dem Gespräch mit der Ampel. Er sehe hier aber noch "Handlungsspielraum" im Zuge der anstehenden Beratungen im Bundestag über den Haushalt 2024.

Abgrenzung von Radikalen

Führende CDU-Politiker kritisierten derweil Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Proteste der Landwirte würden von radikalen Kräften gezielt geschürt. "Ich rate der Bundesregierung, keine Ablenkungsmanöver zu führen, sondern den Unmut, der hier hochkocht, ernst zu nehmen und ihre erratische Politik zu überdenken", sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann der "Bild"-Zeitung. Die Veranstalter müssten sich von Verfassungsfeinden und Gewaltaufrufen klar distanzieren. "Die Bauern tun das."

Scholz hatte erklärt, Wut werde "gezielt geschürt". Extremisten würden jeden politischen Kompromiss "verächtlich machen".

dpa/Reuters(das)

Hintergründe zu den Bauernprotesten

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 15. Januar 2024 | 08:05 Uhr

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